Machtkampf: Commerzbank-Übernahme: Die gelbe Front gegen Andrea Orcel
Die Unicredit tritt bei der Hauptversammlung der Commerzbank nicht offen auf die Bühne. Stattdessen schwören Coba-CEO Bettina Orlopp und viele Mitarbeiter die Aktionäre auf einen Abwehrkampf ein

Die Unicredit tritt bei der Hauptversammlung der Commerzbank nicht offen auf die Bühne. Stattdessen schwören Coba-CEO Bettina Orlopp und viele Mitarbeiter die Aktionäre auf einen Abwehrkampf ein
Proteste der Mitarbeiter begleiten Bettina Orlopp, seit Oktober 2024 Vorstandschefin der Commerzbank, zu ihrer ersten Hauptversammlung im Kongresszentrum in Wiesbaden. Aber – und das ist unüblich – die Parolen auf den Plakaten der Protestierenden richten sich nicht gegen Orlopp oder den Vorstand. Stattdessen wehren sie sich gegen eine drohende Übernahme durch die italienische Großbank Unicredit. „Unsere Herzen schlagen gelb“, steht auf Schildern und skandieren die Mitarbeiter. „Stark und eigenständig“ wollen sie bleiben, denn „Alleine sind wir besser“, prangt auf den Plakaten. Die Gewerkschaft Verdi hatte zum Protest aufgerufen, rund 200 Mitarbeiter sind gekommen.
Dass die Unicredit im vergangenen September dem Bund Anteile abgekauft hat, inzwischen 9,5 Prozent an der Commerzbank hält und Optionen auf insgesamt 28 Prozent der Anteile hat, ist das beherrschende Thema auf dem Aktionärstreffen. Die Eigner der Bank spielen eine entscheidende Rolle in der Übernahmeschlacht: Sie dürfen ihre Aktien nicht verkaufen, sollte die Unicredit die Anteile auf mehr als 30 Prozent aufstocken und ein Angebot vorlegen. Denn sonst würden sie riskieren, dass die Coba künftig keine eigenständige deutsche Mittelstandsbank mehr wäre, sondern mit der Unicredit-Tochter HVB verschmolzen werden könnte. „Der Kapitalmarkt weiß, dass wir einen überzeugenden Plan zur Wertschaffung haben und was wir als eigenständige Bank erreichen können“, schwor Orlopp in ihrer Rede die Aktionäre ein.
Investoren loben Performance
Und tatsächlich, die Investoren haben zuletzt viel von ihrer Bank zurückbekommen: „In den letzten zwölf Monaten bescherte die Commerzbank-Aktie den Anlegern eine Gesamtrendite von 82 Prozent (Kurs und Dividende). Das ist eine sensationelle Outperformance gegenüber dem Stoxx Europe 600 Bankenindex, der über ein Jahr 43 Prozent schaffte“, sagte Alexandra Annecke, Fondsmanagerin der Union Investment. Das Fondshaus der Volks- und Raiffeisenbanken hält 1,3 Prozent an der Commerzbank.
Generell erhält Orlopp viel Lob: für die auf 56 Prozent gesunkene Kosten-Aufwandsrelation, die gestiegene Eigenkapitalrendite von 11,1 Prozent und für das Rekordergebnis aus dem vergangenen Geschäftsjahr und Quartal. Es sei gut, dass sie die Geschicke der Bank nun führe, sagt etwa Andreas Thomae von Deka Investment, dem Sparkassen-Investmenthaus, das 0,62 Prozent hält. In den vergangenen vier Jahren – Orlopp war zuvor Finanzchefin – habe sie mit ihrem Team gezeigt, was möglich sei, wenn man gleichzeitig an Kosten und Erträgen arbeite. „Bei der Profitabilität geht die Commerzbank mit Sieben-Meilen-Stiefeln voran.“
Dazu hat es allerdings erst des Weckrufs aus Italien bedurft. „Wir erleben seither eine ungeahnte Solidaritätswelle im Unternehmen“, heißt es aus dem Betriebsrat. Die Mitarbeiter stünden hinter der neuen Vorstandschefin, auch wenn sie unbequeme Entscheidungen treffen müsse.
Stellenabbau geplant
Und derer wird es noch einige geben. Aktuell baut die Commerzbank 3000 Stellen ab. Und der Druck ist groß. Die Eigenkapitalrendite soll nämlich in den nächsten drei Jahren auf 15 Prozent steigen. Dazu muss die noch in den Kinderschuhen steckende Vermögensverwaltung in Gang gebracht werden und das Provisionsergebnis steigern. Denn bei der Kreditvergabe und im so wichtigen Firmenkundengeschäft sanken die Erträge zuletzt. Das Rekordergebnis im ersten Quartal ist auch der Abteilung Treasuries geschuldet, welche die Commerzbank – sehr erfolgreich – am Kapitalmarkt gegen die sinkenden Zinsen absichert. Das ist zwar kein „Sondereffekt“, wie Unicredit-Chef Andrea Orcel zuletzt kritisierte, sondern Teil des Kerngeschäfts – aber eben nicht des operativen.
Commerzbank-Aktionäre pochen auf Prüfung der Übernahme
Die Eigenkapitalrendite der Unicredit liegt übrigens bei 22 Prozent, die Kosten-Aufwandsquote bei 36 Prozent. Davon ist die Commerzbank auch mit neuer Wachstumsstrategie Lichtjahre entfernt. Sie will die Kosten-Aufwandsrelation auf lediglich 50 Prozent bis 2028 senken.
Und deshalb stehen auch nicht alle Investoren fest hinter Orlopp. „Wir erwarten, dass der Vorstand mit der gebotenen Unabhängigkeit agiert und strategische Optionen zur langfristigen und nachhaltigen Wertsteigerung für alle Aktionäre prüft“, sagt Hendrik Schmidt von der Deutsche-Bank-Tochter DWS, die 0,6 Prozent der Anteile hält. „Kooperationen dürfen da, wo sie kulturell, operativ und ökonomisch sinnvoll sind, kein Tabu sein.“
Orlopp kontert: „Aufgrund der Komplexität könnte eine Übernahme viel Zeit und Kapazitäten unserer Mitarbeiter binden.“ Das sei gerade in diesen Zeiten nicht drin. Bereits vor der Hauptversammlung sagte sie in einem Interview, die Bank konzentriere sich auf ihre „eigenständige Strategie und das ist das Wesentliche“. Es gelte, „dass wir nicht irgendwie ständig Störfeuer von außen brauchen“, so Orlopp zur Nachrichtenagentur Reuters. Das Vorgehen der Unicredit bezeichnete sie als unfreundlich. Sie gehe davon aus, dass die Bundesregierung – trotz des massiv gestiegenen Aktienpreises – an den entscheidenden Anteilen für die Übernahme festhalte. Zudem betonte sie erneut, dass sie ein Angebot erst prüfen könne, wenn es da sei.
Die Unicredit hielt sich auf der Hauptversammlung zurück. Als zweitgrößter Aktionär neben der Bundesregierung hätte die Bank zwar auftreten können. Die Italiener haben ihre Stimmrechte aber noch nicht einmal zur Abstimmung angemeldet. Eigentum verpflichtet? Für die Unicredit offenbar noch nicht.