Steuerschätzung: Finanzminister Klingbeil muss mit weniger Steuereinnahmen auskommen
Die neue Bundesregierung wird weniger Steuern einnehmen: Der Arbeitskreis Steuerschätzung prognostiziert maue Zahlen für die nächsten Jahre. Für Finanzminister Klingbeil wird der Spielraum enger

Die neue Bundesregierung wird weniger Steuern einnehmen: Der Arbeitskreis Steuerschätzung prognostiziert maue Zahlen für die nächsten Jahre. Für Finanzminister Klingbeil wird der Spielraum enger
Der neue Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) startet mit einer unangenehmen Nachricht ins Amt: Die Steuereinnahmen dürften in diesem und den kommenden Jahren niedriger ausfallen als noch im Oktober prognostiziert. Für das laufende Jahr muss Deutschland laut der am Donnerstag veröffentlichten Steuerschätzung mit einem Minus von 2,7 Mrd. Euro rechnen. Der Bund allein dürfte 0,6 Mrd. Euro weniger zur Verfügung haben. Bis zum Jahr 2029 könne das Minus auf insgesamt 81,2 Mrd. Euro anwachsen. Davon entfielen 33,3 Mrd. Euro auf den Bund.
„Die Ergebnisse zeigen: Wir müssen durch höheres Wirtschaftswachstum die Einnahmen stärken“, erklärte Klingbeil. „Nur so gewinnen wir neue finanzielle Spielräume. Wir stoßen deshalb jetzt die größte Modernisierung unseres Landes seit Jahrzehnten an.“ Das niedrige Ergebnis der Steuerschätzer sei weitestgehend so, wie er es bereits in den Koalitionsverhandlungen erwartet habe.
Änderungen im Steuerrecht mit einberechnet
Ein Grund für die mauen Zahlen liegt auch in der schwächelnden Wirtschaft im Land. Die Konjunkturprognose der Bundesregierung ist für die Steuerschätzer eine wichtige Grundlage. Und die hat Ende April gezeigt: Die Wirtschaft tritt auf der Stelle. Zum dritten Mal in Folge kein Wachstum, das Bruttoinlandsprodukt stagniert. Und auch im kommenden Jahr erwartet die Regierung kaum Aufschwung und nur ein Wachstum von 1,0 Prozent. Außerdem sind Änderungen im Steuerrecht, wie der Ausgleich der sogenannten kalten Progression, im Vergleich zum Oktober mit einberechnet. Das dürfte auch Auswirkungen auf die niedrigeren Schätzungen gehabt haben.
Für die anstehenden Haushaltsverhandlungen könnten die niedrigeren Steuereinnahmen zum Problem werden. Die Liste an Vorhaben im Koalitionsvertrag ist lang und die finanziellen Spielräume werden enger. Gleichzeitig gibt es immer noch keinen Haushalt für das laufende Jahr. Dieser soll nach Plan von Finanzminister Klingbeil noch im Juni ins Kabinett und im September beschlossen werden. Aus dem 500 Mrd. Euro schweren Schuldentopf kann sich die Bundesregierung dabei nur bedingt bedienen, denn das Infrastrukturvermögen dürfen nur für zusätzliche Ausgaben verwendet werden.
Schon am Mittwoch hatte er seine Kabinettskollegen im Bundestag darauf eingestimmt, dass trotz historischer Kreditmöglichkeiten kein unbegrenzter Spielraum herrsche. „Ja, wir werden auch Haushaltskonsolidierung vorantreiben müssen“, sagte der Vizekanzler.
Union und SPD war schon bei der Formulierung ihres Koalitionsvertrags klar, dass sich ihre zahlreichen Vorhaben nicht ohne Weiteres finanzieren lassen – jedenfalls nicht ohne einen deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Alle Vereinbarungen des Koalitionsvertrags stehen deshalb unter einem Finanzierungsvorbehalt. Das heißt: Sie werden nur umgesetzt, wenn ausreichend Geld zur Verfügung steht.
Die Zahlen der Steuerschätzer dürften die Bedeutung dieses Satzes noch einmal unterstreichen. Allein im kommenden Jahr erwarten die Experten für den Bund nun 10,2 Mrd. Euro weniger Einnahmen als noch im Herbst. Auch wenn der Gesamtstaat erstmals mehr als 1 Billion Euro einnehmen könnte, muss sich Klingbeil nun mit Kanzler Friedrich Merz und den anderen Ministerinnen und Ministern zusammensetzen und priorisieren. Was wird zuerst finanziert, wofür müssen Spielräume erst noch erarbeitet werden?
Wirtschaft drängt auf Entlastungen
Wirtschaftsverbände forderten am Donnerstag Wachstumsimpulse vor allem in Form von Steuersenkungen. „Gegen sinkende Steuereinnahmen hilft nur ein klarer Fokus auf wirtschaftliches Wachstum“, erklärte am Donnerstag die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Tanja Gönner. „Die Antwort auf die Steuerschätzung muss sein: Die Wirtschaft wird steuerlich entlastet“, verlangte auch Marie-Christine Ostermann vom Verband der Familienunternehmer.
Die Unternehmensbesteuerung müsse sinken und darüber hinaus auch die Einkommenssteuer, erklärte Ostermann. „Auch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sollte weiterverfolgt werden“, erklärte BDI-Chefin Gönner. Berthold Welling vom Verband der Chemischen Industrie forderte unter anderem niedrigere Energiepreise. „Wenn die Unternehmen Gewinne machen, kommt auch mehr Geld in die Staatskasse“, fügte er hinzu.