Raffinierte Räuber: Flamingos erzeugen Unterwasser-Tornados zum Beutefang

Lange galten Flamingos als Filtrierer, die ihre Nahrung nur passiv aus Schlamm und Wasser gewinnen. Neue Untersuchungen zeigen aber: Der Flamingo ist ein Raubtier

Mai 16, 2025 - 18:54
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Raffinierte Räuber: Flamingos erzeugen Unterwasser-Tornados zum Beutefang

Lange galten Flamingos als Filtrierer, die ihre Nahrung nur passiv aus Schlamm und Wasser gewinnen. Neue Untersuchungen zeigen aber: Der Flamingo ist ein Raubtier

Wenn sie in ihrem leuchtend pinkfarbenen Federkleid stundenlang auf einem Bein balancieren, dabei die langen Hälse zum Boden recken und die Schnäbel ins flache Wasser tauchen, sind Flamingos ein faszinierender Anblick: Sie werden für ihre Anmut und Balance bewundert, für ihre Extravaganz und Grazie. Eines aber kommt Betrachtern der Vögel selten in den Sinn: Welch raffinierte Räuber die Tiere sind. Und dass sie just in diesem Moment Jagd auf Beute machen.

Wie geschickt sie dabei unter der Wasseroberfläche vorgehen, zeigt eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht wurde: Demnach erzeugen die Vögel mit ihren Füßen, Köpfen und Schnäbeln wirbelnde Tornados im Wasser, um ihre Beute effizient zu bündeln und dann zu verschlingen. Die Forscher beobachteten dafür eine Gruppe von Chileflamingos (Phoenicopterus chilensis) im Zoo von Nashville und simulierten mithilfe von 3-D-gedruckten Modellen ihrer Füße und Schnäbel die Bewegung von Wasser, Sedimentpartikeln und Beute, in diesem Fall lebende Salinenkrebse, beim Fressen.   

"Flamingos verfügen über eines der ausgeklügeltesten Filtersysteme unter den Vögeln. Es ist gekennzeichnet durch eine auf dem Kopf stehende Nahrungsaufnahme, kammartige Lamellen und eine kolbenartige Zunge", schreiben die Autoren. Wie die Tiere jedoch mit ihrem L-förmigen Schnabel und dem S-förmigen Hals auch entgegen der Strömung fressen können und weshalb sie zuvor mit ihren Füßen in den Boden stampfen, als würden sie tanzen, war bisher ein Rätsel.  

Der vorne abgeflachte Schnabel der Flamingos ermöglicht die raffinierte Jagdtechnik
Der vorne abgeflachte Schnabel der Flamingos ermöglicht die raffinierte Jagdtechnik
© Victor Ortega Jimenez

Jetzt aber konnten die Forscher zeigen, dass die Flamingos Wirbelfallen erzeugen, um ihre Beute zu fangen. Dazu wirbeln sie mit ihren schlaffen Schwimmfüßen zunächst das Sediment am Boden auf. Anschließend treiben sie es in Wirbeln vorwärts und ziehen es an die Oberfläche, indem sie ihren Kopf so zurückziehen, dass dabei kleine "Tornados" entstehen, in denen Bodensegmente und Garnelen umherwirbeln. Währenddessen bleiben die Köpfe der Vögel kopfüber im Wasserstrudel; sie klappern mit den Schnäbeln, um kleine Wirbel zu erzeugen, die Sediment und Nahrung in die Mäuler der Tiere leiten, wo die Nahrung schließlich herausgefiltert wird. 

Wie das Netz einer Spinne

Die Tiere haben sogar noch eine zweite Technik auf Lager: Sie können ihren einzigartigen Schnabel mit dem abgeflachten vorderen Ende parallel zum Boden positionieren, kopfüber unter Wasser. Wenn sie nun ihren Kopf mit ihrem S-förmigen Hals nach vorne stoßen und währenddessen schnell mit dem Schnabel klappern, erzeugen sie erneut Wirbel. Die sorgen dafür, dass die Tiere die Beute einfangen beziehungsweise abschöpfen können.  

Die beiden Techniken widerlegen den Forschern zufolge das Bild vom Flamingo als passivem Filtrierer und beweisen, dass er aktiv Jagd auf Tiere macht. "Flamingos sind eigentlich Raubtiere. Sie suchen aktiv nach Tieren, die sich im Wasser bewegen. Dabei stehen sie aber vor dem Problem, die Tiere im Wasser konzentrieren zu müssen, um sie fressen zu können", sagt Studienautor Victor Ortega Jiménez von der University of California, Berkeley, in einer Mitteilung. "Denken Sie an Spinnen, die Netze bauen, um Insekten zu fangen. Flamingos nutzen Wirbel, um Tiere wie Salinenkrebse zu fangen."

Die Techniken, die die Vögel dafür nutzten, könnten irgendwann auch dem Menschen zugutekommen: Sie könnten helfen, Lösungen für das Konzentrieren und Aufsaugen von Mikroplastik im Wasser zu finden oder bessere selbstreinigende Filter zu entwickeln.