PIKTUU: Diese Piktogramme können Leben retten!
Alexander Mechow hat ein Bildwörterbuch mit 1.500 Piktogrammen gestaltet, die eine barrierefreie Verständigung im Medizinbereich ermöglichen, im Rettungswagen, der Notaufnahme oder im Pflegeheim. Wir haben ihm zu seinem großartigen Projekt ...

Alexander Mechow hat ein Bildwörterbuch mit 1.500 Piktogrammen gestaltet, die eine barrierefreie Verständigung im Medizinbereich ermöglichen, im Rettungswagen, der Notaufnahme oder im Pflegeheim. Wir haben ihm zu seinem großartigen Projekt einige Fragen gestellt.
Zeigen, statt sprechen: Ob in der Notaufnahme, in die ein Besucher aus einem anderen Land eingewiesen wurde, im Rettungswagen, in dem die Zeit, mit Übersetzungs-Apps zu hantieren fehlt, mit Demenzkranken oder Schlaganfall-Patient:innen, Kindern oder Migrant:innen.
Sich verständigen zu können, kann lebensrettend sein und deshalb hat der Berliner Kreative Alexander Mechow, Fotograf und auch erfahren im Gesundheitswesen, das Bildwörterbuch PIKTUU Health & Care entwickelt.
Mit 1.500 klugen und kombinierbaren Piktogrammen, Icons und Bildern, die durch 35 medizinische Fachbereiche führen und Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften und Rettungspersonal helfen, schnell, unkompliziert und kulturübergreifend zu verstehen, was einer Patientin oder einem Patienten fehlt und wie sie helfen können.
Handlich – und kulturübergreifend
Dabei geht es um Körperregionen, Schmerzen und Symptome, wie sie bei der Ersten Hilfe und in der Notaufnahme wichtig sind, um die Verständigung bei Untersuchungen, um Körperpflege und Ernährung, Gefühle, Ängste und Bedürfnissen, um Medikamente und Unverträglichkeiten.
Bereits 2015 hatte Alexander Mechow eine preisgekröbnte visuelle Verständigungshilfe für Geflüchtete entwickelt und auch 2022 wieder, als der Angriffskrieg auf die Ukraine begann.
Jetzt ist PIKTUU erschienen, das überall dort beginnt, »wo Worte nicht (mehr) ausreichen«. Klein und handlich im DIN A6 Format, ist es kulturübergreifend und eine Brücke zwischen Menschen und ganz unabhängig von Technik oder Internetverbindung zu nutzen – und als digitale Version auch kostenlos erhältlich.
Wir haben Alexander Mechow zu der Gestaltung von PIKTUU einige Fragen gestellt.
Bild: Copyrights by Alexander Mechow
Für alle!
Wer hat die PIKTUU’s, die Piktogramme des medizinischen Bildwörterbuchs gestaltet? Eindrucksvolle 1.500 an der Zahl?
Alexander Mechow: Die Illustrationen habe ich selbst mit Adobe Illustrator entwickelt. Zusätzlich arbeite ich eng mit der Agentur METAFEX zusammen, die unter anderem das Layout für Print und Web umsetzt – meist mit Adobe InDesign.
Und wie hast du die Formen entwickelt?
Als Kind habe ich leidenschaftlich gern mit LEGO und Playmobil gespielt – das hat mich stark geprägt. Mir war wichtig, ein möglichst einfaches Formensystem zu entwickeln, das dennoch Raum für Komplexität lässt. Designtechnisch war das Ziel ein modulares Baukastensystem, das auch anderen Gestalter:innen ermöglicht, im gleichen Stil neue PIKTUUs zu gestalten. So bleibt das Design konsistent, auch wenn das Team wächst.
Warum sind die Köpfe so quadratisch?
Sie erinnern an meine Kindheit und bringen die Klarheit und Reduziertheit mit, die ich mir gewünscht habe. Und ehrlich gesagt: Mir gefallen sie einfach so – schlicht, prägnant und mit Wiedererkennungswert.
Wie seid ihr mit Gender und Herkunft umgegangen?
Wir achten so gut wie möglich auf eine geschlechtsneutrale Darstellung. Gleichzeitig war uns bewusst, dass kulturelle Unterschiede beim Design eine Rolle spielen. Unser Ziel ist es, mit einem klaren, freundlichen Stil Brücken zu bauen – nicht zu überfordern, sondern einzuladen. Die Herausforderung liegt oft darin, die richtige Balance zwischen Stil und Funktionalität zu finden. Schließlich sollen unsere PIKTUUS nicht nur modern aussehen, sondern von Menschen verschiedenster Altersgruppen, Herkunft und Bildung verstanden werden.
Es sind oft sehr viele Details pro Bild zu sehen. Wie hast du die einzelnen, komplexen Motive aufgebaut?
Genau das macht PIKTUU besonders: Jedes Icon ist wie ein kleines Fenster in eine Situation. Die Details helfen, komplexe Sachverhalte visuell präzise zu übersetzen – ohne Text. Wichtig war uns immer: Verständlichkeit kommt vor Vereinfachung um jeden Preis.
Wie hast du die Farben ausgewählt?
Ich habe mich gefragt: Wie kann ich auf kleinstem Raum klare visuelle Akzente setzen? Farben helfen uns, Inhalte zu strukturieren – etwa durch die Markierung von Aktivität, Position, Ja/Nein, Positiv/Negativ oder Dringlichkeit. Unsere Hauptfarbe ist ein heller, lebendiger Blauton. Er wirkt freundlich, fällt auf, lenkt aber nicht vom Motiv ab. Gleichzeitig lässt sich das Farbsystem bei Bedarf flexibel erweitern.
Und wie sind »Specials« wie das tolle, rundliche Skelett entstanden?
Gerade im Gesundheitsbereich sind Darstellungen von Anatomie unverzichtbar – aber oft auch abschreckend. Wir wollten ernste Themen mit einem positiven Ton darstellen. Unser Skelett orientiert sich an den Körperformen unserer PIKTUU-Charaktere. Es ist etwas »niedlicher« als ein realistisches Modell, bleibt aber anatomisch korrekt genug, dass es sowohl Kinder als auch Ärzt:innen verstehen können. Detailliertere Darstellungen überlassen wir den Fachbereichen – wir wollen Orientierung geben, nicht ersetzen.
Wie schwierig war es, Begriffe wie Demenz, ADHS oder Panikattacke umzusetzen?
Das war mit Abstand eine der größten Herausforderungen. Nachdem feststand, welche Begriffe wir visualisieren wollten, habe ich intensiv recherchiert, wie sich die Symptome äußern – körperlich, emotional, visuell. Besonders schwer war auch das Thema »Mobilisierung« – also Icons für Bettlägerige oder Rollstuhlnutzer:innen. Aber dann kam das »PIKTUU-Gen« zum Tragen: Nach Jahren der Arbeit sehe ich die Welt oft schon in Icons und Piktogrammen. Die Entwürfe habe ich mit Fachkräften besprochen und auf Basis ihres Feedbacks angepasst. Ohne diesen Abgleich wäre es nicht möglich gewesen.
Habt ihr euch auch mit den Menschen, die es nutzen, ausgetauscht? Und was waren die interessantesten Learnings?
Die wichtigsten Learnings kamen aus der Praxis – insbesondere aus dem Bereich Migration. Wir erhalten viele Rückmeldungen per E-Mail und führen auch persönliche Gespräche mit Nutzer:innen. Auch im Gesundheitsbereich testen wir PIKTUU aktuell – das Feedback ist durchweg positiv und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich selbst habe fast immer ein PIKTUU-Buch in der Tasche und nutze jede Gelegenheit zum Austausch. Mein spannendstes Learning: Es ist völlig in Ordnung – ja sogar notwendig –, sich gestalterisch auch mal von klassischen Designstandards zu lösen. Funktionalität geht vor Stil. Wenn unser Design gefällt, freut mich das sehr. Aber wenn es verstanden wird – dann haben wir unser Ziel erreicht.
Alles über PIKTUU hier, kostenlose Nutzung inklusive.