Eisenbahngeschichten und Erde schaufeln, begleitet von Musik und Popcorn
Melancholie | Der Reiseleiter ist auf Bildungsurlaub in Kopenhagen und Malmö. Er besichtigt dort Stadtentwicklung, Radwege, Flächenentsiegelung, dänische Bibliotheken und alles, was das Leben schöner macht. Ich sitze brummend und neidend zuhause. Es wird nicht besser dadurch, dass der Reiseleiter mit fortwährend tolle Bilder und Geschichten aus Kopenhagen schickt. Das stimmt mich melancholisch. Ich habe ihn […] The post Eisenbahngeschichten und Erde schaufeln, begleitet von Musik und Popcorn first appeared on Draußen nur Kännchen.

Melancholie | Der Reiseleiter ist auf Bildungsurlaub in Kopenhagen und Malmö. Er besichtigt dort Stadtentwicklung, Radwege, Flächenentsiegelung, dänische Bibliotheken und alles, was das Leben schöner macht. Ich sitze brummend und neidend zuhause. Es wird nicht besser dadurch, dass der Reiseleiter mit fortwährend tolle Bilder und Geschichten aus Kopenhagen schickt. Das stimmt mich melancholisch. Ich habe ihn verpflichtet, nach seiner Rückkehr einen Gastbeitrag hier im Kännchencafé zu schreiben, eine Bildungsreise braucht schließlich eine Lernstandskontrolle. Ich erwähne das auch, um Druck aufzubauen. Fragen Sie also beizeiten nach.
Herausforderungen | Während der Reiseleiter reist, hüte ich Haus und Hof und Teenager und nutze die Gelegenheit, um neu durchzustrukturieren. Denn plötzlich habe ich Zeit! Schließlich fehlen die Anforderungen der Paarbeziehung – Konversation, Kerzenschein, dies, das. Also räume ich den Hauswirtschaftraum um.
Wir haben dort einen alten Küchenoberschrank. Von dem ist die Tür abgefallen, irreparabel; es handelt sich um mindere Qualität. Der Schrank ist nun ein Objekt ohne Tür, sozusagen ein Regal. Die Folge: Das Chaos liegt blank. Das möchte ich nicht, das belastet meine Seele. Also strukturiere ich um, von links nach rechts, von einer Seite des Raumes zur anderen.
Parallel dazu haben der Teenager und ich die Aufgabe, die Kühltruhe leerzuessen – eine Herausforderung, die wir mit Bravour meistern. Die Schwiegermutter, die gleichzeitig zum Reiseleiter im Urlaub weilt (aber woanders), hat es sich nicht nehmen lassen und für uns vorgekocht. Es ist großartig! Gestern gab es Chili. Heute machen wir Pizza. Am Freitag gibt es Nudelsuppe. Ich fühle mich wie ein westdeutscher Mann in den 80ern, für den gesorgt wird.
Bahngeschichten | In der vergangenen Woche war ich in Chemnitz, ich sprach über die Bahnfahrt dorthin. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass auch die Rückfahrt problemblos verlief, obwohl es eine Hochrisikofahrt mit vier Umstiegen war, davon vier Minuten in Hannover. Es flutschte alles: von Chemnitz nach Leipzig, von Leipzig nach Hannover, von Hannover nach Hamm, von Hamm nach Münster und von Münster nach Haltern am See.
Nun gut, zum Schluss gab es einen kleinen Wehrmutstropfen: Die sofortige Verbindung von Münster nach Haltern (zwei Minuten Umstieg, ich hätte den Zug erreicht) fiel aus, ich musste 40 Minuten warten. Denn im Norden des Ruhrgebiets, in Herne, wurde jüngst eine Bahnbrücke stillgelegt: Einsturzgefahr, sie ist marode. Das hat zur Folge, dass die Strecke Essen – Münster quasi lahm liegt und Haltern am See, meine Stadt, de facto abgeschnitten ist. Die Bahn würde diese Aussage natürlich bestreiten, denn es existieren noch Verbindungen und außerdem gibt es Schienenersatzverkehr. Das Ganze ist jedoch unpraktikabel: Etliche Verbindungen fallen aus, und das, was fährt, bedient nur Teilstrecken oder ist verspätet. Unter anderem führt das dazu, dass der Teenager, der am Donnerstag auf eine Schulreise startet, nicht in Haltern starten kann, sondern am frühen Morgen mit dem Auto bis nach Essen zum Fernverkehr gefahren werden muss. Das ist eine Autostunde Weg plus zeitlicher Puffer, also eineinhalb Stunden – mit Rückweg zweieinhalb Stunden. Alle Eltern raufen sich die Haare, es werden hektisch Fahrgemeinschaften gebildet.
Gedanklicher Einschub – ich habe den Eindruck, besonders bei Eltern kummulieren derzeit die volkswirtschaftlichen Probleme zu einem großen Haufen Mist: die marode Verkehrsinfrastruktur, Unterrichtsausfälle in der Schule, Betreuungsausfälle in der Kita, Personalmangel in der Pflege der Eltern und Großeltern, Personalmangel im eigenen Arbeitsumfeld, hohe Mieten und fehlender Wohnungsbau – habe ich etwas vergessen? Bestimmt.
Zurück zur Brücke: Seit der Feststellung des Schadens vor zwei Wochen ist sie keine Schlagzeile mehr wert, obwohl Tausende Bahnpendler feststecken. Wie lange der Zustand für Zugfahrende anhalten wird, ist also ungewiss. Ich gehe davon aus, dass wir über Monate improvisieren müssen. Dieser systematische Verfall macht mich unsagbar wütend; er kostet so viel Kraft im Alltag.
Wo wir gerade beim Bahnverkehr sind: Ich habe noch ein Anekdötchen aus Chemnitz. Der RE6, der die Strecke Leipzig – Chemnitz bedient, besteht nicht mehr aus alten Reichsbahnwaggons. Bis vor Kurzem war das ein tippptopp Vintage-Erlebnis; ich fühlte mich in in meine Jugend katapultiert und wollte direkt meine Musikkassette nach vorne reichen. Aber das ist nun Geschichte. Jetzt fahren dort die gewöhnlichen roten Doppelstockzüge. Allerdings gibt es einen Haken: Die Doppelstockzüge sind auf Elektrobetrieb ausgelegt. Die Strecke ist jedoch nicht elektrifiziert. Deshalb muss der erste Waggon Richtung Chemnitz gesperrt werden, denn die Passagiere würden sonst vergiftet: Die Abgase der Diesellok werden von der Klimaanlage angesogen, die bei den Doppelstockzügen auf dem Dach angebracht ist, wo auch die Stromabnehmer schlummern. So geht Fortschritt!
Nachlese Chemnitz | Unabhängig davon hatte ich eine sehr schöne und produktive Zeit in Chemnitz. Leider konnte ich nicht viel von der Stadt sehen. An den ersten beiden Tagen war ich nicht gut zurecht; ich musste mich abends früh hinlegen. Am dritten Tag war ich zu einem Geschäftsessen verabredet – und ebenfalls groggy vom Tag, so dass wir im Hotel blieben. Im August bin ich noch einmal dort. Dann habe ich eine neue Chance, ein bisschen Kulturhauptstadt mitzunehmen.
Na sowas | Christian hatte meine Stimme im Kopf.
Garten | Weil wir grad ohnehin schon genug zu tun haben, haben wir zusätzlich den Garten umgegraben: Das Hochbeet, das den Garten umrahmt, war so marode wie die Bahnbrücke in Herne und musste stillgelegt werden. Ich machte einen Plan zur Neugestaltung, wir kauften Palettenrahmen und schaufelten: Erde raus, Hochbeet abgebaut, Palettenrahmen aufgebaut, Erde wieder rein, Rest-Erde im Garten verteilen. Abends bejammerten wir unseren körperlichen Zustand.
Das Ergebnis stellt mich zufrieden: Die neue Ordnung steht, die Stauden sind umgesetzt und haben in der Mehrzahl überlebt, und im Küchengarten wächst das Gemüse. Experiment 2025: Artischocke.
Nur in der Ecke muss die Erde noch weg. Dafür suche ich Abnehmer. Wenn Sie zufällig im Münsterland oder nördlichen Ruhrgebiet wohnen und zehn Schubkarren Erde gebrauchen können (oder jemanden kennen, der jemanden kennt, der …), melden Sie sich. Ich habe die Erde in Facebook- und WhatsApp-Gruppen angepriesen, aber ich bleibe auf ihr sitzen wie auf warmem Bier.
Bürgermeisterkandidatur | Am Wochenende war White Night hier in Haltern am See: In zwanzig Locations spielten zwanzig Bands, man tingelte von Ort zu Ort, traf Menschen, feierte und genoss die Musik. Das war super. Die Überraschung des Abends waren für mich Liedermacher David Lübke und seine Begleitung Filip Sommer. Eine tolle Darbietung, schauen Sie gerne mal bei den beiden vorbei oder hören Sie auf den üblichen Streaming-Plattformen.
Den Beginn des Abends nutzte ich gemeinsamen mit den örtlichen Grünen, um Popcorn unters Volk zu bringen und ins Gespräch zu kommen. Das war eine gelungene Aktion. Es gab viele Begegnungen und auch konkreten Austausch.
Und sonst | Statement am Fußballplatz von KindZwei und KindDrei. Sehr schön.
Schweine | Faule, warme Tage.
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