Psychologin warnt: Dieser Selfcare-Trend kann deiner mentalen Gesundheit schaden

Einfach mal aus allem herausziehen? "Bed Rotting" scheint die Lösung zu sein – und bietet am Ende eigene Stolperfallen.

Mär 13, 2025 - 08:10
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Psychologin warnt: Dieser Selfcare-Trend kann deiner mentalen Gesundheit schaden

Einfach mal aus allem herausziehen? "Bed Rotting" scheint die Lösung zu sein – und bietet am Ende eigene Stolperfallen.

TikTok ist ein Ort, an dem viele sehr unterschiedliche Dinge zusammenkommen können: Neben Tanzvideos (womit die Social-Media-Plattform einst ihren Anfang nahm) reihen sich inzwischen politische Tiraden (von weit links bis weit rechts), DIY-Anleitungen und Lifehacks unterschiedlichster Nützlich- und Sinnhaftigkeit. Hierzu zählen mittlerweile auch immer mehr Tipps zum Thema Mental Health und Selfcare. 

Zu den unzähligen viralen Trends der App gehört inzwischen auch das sogenannte "Bed Rotting" (übersetzt in etwa "Im eigenen Bett verfaulen"), das als Strategie gedacht ist, den Problemen und zahlreichen Anforderungen des Alltags zu entfliehen. Dass das nicht nur gesund ist, davor warnt Psychotherapeutin Amy Morin in einem Artikel auf "Psychology Today" – und damit steht sie nicht allein da.

TikTok-App kann gefährlich werden

Ein wenig ironisch ist der Umgang mit dem Thema mentale Gesundheit schon, kann doch die App selbst einen wesentlichen Beitrag zur mentalen Ungesundheit beitragen, je nachdem, wie sie verwendet wird. 2022 haben Datenjournalist:innen des Bayerischen Rundfunks in einem Experiment festgestellt, dass Personen, die sich für Videos zu Depressionen, Selbstverletzung und Suizidgedanken interessieren, nach kurzer Zeit im Feed der App kaum noch etwas anderes an Inhalten vorgeschlagen bekommen. 

Hierunter seien zwar auch Videos gewesen, die sich konstruktiv mit dem Thema psychische Erkrankung auseinandersetzen, doch wie Psychotherapeutin Anke Glaßmeyer im Gespräch mit der "Tagesschau" warnt, komme es immer sehr darauf an, wie über ein sensibles Thema wie Suizid gesprochen wird: "Je gezielter und detaillierter über Suizide berichtet wird, desto eher verleitet es zur Nachahmung." Menschen, die sich in einem psychisch instabilen Zustand befänden, könnten durch die Videos getriggert werden.

So sollte also jede:r die Videos zum Thema mentale Gesundheit und Selfcare auf TikTok mit einem gesunden Maß an Skepsis genießen und einordnen – schließlich ist nicht immer gleich nachvollziehbar, wer über die Themen berichtet (Expert:in oder Laie) und auf welche Weise und mit welcher Intention (konstruktiv oder Aufmerksamkeit erhaschend) dies geschieht. So wie auch im viralen "Bed Rotting"-Trend.

Was es mit "Bed Rotting" auf sich hat

Wer im Bett "verrottet", macht im Grunde nichts anderes, als den lieben langen Tag im eigenen Bett zu verweilen. Doch anstatt zu schlafen, gibt sich dieser Mensch anderen berieselnden Aktivitäten hin, wie dem Scrollen durch den Instagram-Feed, dem Schauen von Serien – oder dem schlichten, aber beliebten, Starren an die Decke. In einem TikTok-Video spricht sich die Schlafforscherin Vanessa Hill positiv für den Trend aus: "So viele von uns sind müde […], weil wir uns unter Druck gesetzt fühlen, alles zu tun, und bei Trends wie 'Bed Rotting' geht es nicht wirklich darum, die Tage im Bett zu vergeuden." Stattdessen sei das Ziel, sich selbst zu erlauben, dass es okay ist, weniger zu tun, so die Wissenschaftlerin.

Bed Rotting

Zumindest die Statistik widerspricht dem ersten Teil ihrer Aussage nicht: Demnach sind die Zahlen der Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund einer Burnout-Erkrankung seit Jahren konstant hoch und vor allem die Höhe der Krankheitstage ist enorm gestiegen (2005 im Schnitt 13,9 Krankheitstage, 2020 registrierte die AOK durchschnittlich 141,8 Tage pro 1.000 Mitglieder). Schon längst ist Burnout keine "Modeerkrankung" mehr, sondern Konsequenz einer Zeit, die dem Menschen abverlangt, immer mehr und immer schneller zu leisten. Doch ist "Bed Rotting" die Lösung?

… und was Expert:innen davon halten

Es ist kaum etwas dagegen einzuwenden, sich bei großer Erschöpfung für eine Zeit aus dem Stress des Alltags herauszuziehen – im Gegenteil: Es ist unheimlich wichtig, dass wir auf die Zeichen unseres Körpers und unserer Psyche hören (niemand sonst wird uns das abnehmen). Ob es eine Lösung ist, sich über einen längeren Zeitraum vor der Welt im eigenen Bett mehr oder minder zu verstecken, darf zumindest stark angezweifelt werden. Der Psychiater Dr. Rishi Guatam ist im Interview mit "CBS News" zumindest sehr skeptisch und warnt vor gesundheitlichen Folgen: "Es kann den allgemeinen Gesundheitszustand verschlechtern, indem es das Risiko von Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht." Wer merke, dass er:sie viel Zeit braucht, um sich zu erholen, sollte darin ein Zeichen dafür sehen, dass andere Probleme vorliegen könnten, so Guatam weiter.

Ähnlich sieht es auch Assistenzprofessor für klinische Psychiatrie am Irving Medical Center/New York State Psychiatric Institute der Columbia University Ryan Sultan in einem Interview mit dem Gesundheitsmagazin "Health". So könne es ein Anzeichen für Depressionen sein, wenn das "Bed Rotting" zum Alltag wird. 

Wer nur im Bett liege, würde auf Zeit verzichten, die man stattdessen besser mit Freund:innen oder geliebten Menschen verbracht hätte, warnt auch Courtney DeAngelis, Psychologin am NewYork-Presbyterian/Columbia University Irving Medical Center in einer E-Mail an "Health". Außerdem könne es noch mehr Stress verursachen, Aufgaben aus der Arbeit oder Universität liegen zu lassen.

Nicht zuletzt warnt die Psychotherapeutin Morin im "Psychology Today"-Artikel auch davor, dass sich langes Verweilen im Bett negativ auf den Schlafrhythmus auswirken könne. "Es ist wichtig, dass du dein Bett mit dem Schlafen in Verbindung bringst und nicht mit einem Ort, an dem du arbeiten, essen oder einfach wach bleiben kannst." Andernfalls, so die Therapeutin, würden wir unser Gehirn darauf trainieren, wach zu bleiben, wenn wir im Bett sind.

Zusammengefasst ist "Bed Rotting" eine nachvollziehbare Konsequenz einer Zeit, in der es für manche Menschen zum guten Ton zu gehören scheint, sich kaputt zu arbeiten. Dennoch kann ein dauerhaftes Herausziehen für das Individuum unerwünschte negative Konsequenzen haben. Zielführender scheint es hier, auf die eigentlichen Probleme einzugehen und eine Lösung zu finden, anstatt ihnen, eingekuschelt im warmen Bett, aus dem Weg zu gehen – so verführerisch das auch sein mag.