Aktien, Anleihen, Festgeld? Oder besser Immobilien, Gold und Bitcoin? Und in welcher Mischung? Wer sich überlegt, wie er oder sie Geld anlegen sollte, wünscht sich mitunter Rat, Informationen und Empfehlungen.
Klar, die gibt es bei der Hausbank. Doch die Beratung dort dient nicht selten auch dem Verkauf der Anlageprodukte des Finanzinstituts – und die sind nicht immer die besten. Unabhängige Vermögensverwalter hingegen können eine Investmentstrategie entwickeln, die allein an den Zielen und Wünschen der Kunden und Kundinnen ausgerichtet ist. Das kostet aber oft ein üppiges Honorar.
Ist Künstliche Intelligenz eine günstige und gute Alternative? Ja. So lässt sich das Ergebnis einer groß angelegten Studie von vier deutschen Wissenschaftlern zusammenfassen.
Die Ökonomen Christian Fieberg, Lars Hornuf, Maximilian Meiler und David Streich veröffentlichten im Januar 2025 eine Studie, in der sie untersuchten, wie gut 32 verschiedene Sprachmodelle Anlage-Portfolios erstellen können, darunter ChatGPT, Gemini oder auch das chinesische Deepseek. Die Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass KI-Sprachmodelle sich für die Finanzberatung eignen. Der Co-Autor Lars Hornuf, Professor für Finanzwirtschaft und Finanztechnologie an der TU Dresden, bringt es noch deutlicher auf den Punkt: „KI-Modelle wie ChatGPT können fundierte Empfehlungen für die Geldanlage geben.“
Die Forscher haben in Experimenten herausgefunden, dass die KI-Bots Anlageergebnisse erzielen können, die auf demselben Niveau liegen wie die professioneller Vermögensverwalter. Und das, ohne übermäßige Risiken einzugehen. Die Bots gehen also weitgehend lehrbuchmäßig vor.
Neu ist der Einsatz von KI für Investmententscheidungen nicht. Fondsmanager setzen verschiedene Technologien bereits seit Jahren ein. Und auch sogenannte Robo-Advisor nutzen teils KI, um Privatanlegern nach individuellen Vorgaben Wertpapierdepots zusammenzustellen.
Das aber können Anleger und Anlegerinnen nun mit ChatGPT oder einer anderen KI selbst. Experte Lars Hornuf erzählt, er habe einmal mit dem Gründer eines etablierten Robo-Advisors bei einer Podiumsdiskussion diskutiert. Der Wissenschaftler habe den Unternehmer gefragt, wofür Anleger und Anlegerinnen die digitalen Anlagehelfer überhaupt bräuchten.
Man könne ja stattdessen auch zu geringeren Kosten ein Depot bei einem Online-Broker einrichten und dafür die Vorschläge von ChatGPT oder einem anderen Sprachmodell nutzen. Sein Gesprächspartner habe ihn angelächelt und gesagt: „Ja, das stimmt. Aber unser Tool sieht einfach besser aus.“
Einfacher in der Anwendung ist eine Robo-App allemal. Anleger und Anlegerinnen, die ChatGPT & Co. als Geldanlagehelfer nutzen wollen, sollten sich daher über eines im Klaren sein: Wer mit KI ein Portfolio zusammenstellen möchte, muss vieles bedenken. Die Modelle können viel, aber nicht alles. Wer der Maschine aber gute Anweisungen gibt, also passende Prompts nutzt, erhält überzeugende Resultate.
Wie du von ChatGPT oder einem anderen Bot Empfehlungen für ein individuell auf dich zugeschnittenes Portfolio bekommst, die Vorschläge optimierst und kritisch prüfst.
Was geht und was nicht
Man sollte sich das stets ins Gedächtnis rufen: Sprachmodelle wie ChatGPT sind nicht wirklich in der Lage zu denken. Die KI konstruiert Sätze nach Wahrscheinlichkeiten. Die Antwort des Bots auf eine Frage muss deshalb nicht richtig sein, insbesondere wenn es um künftige Entwicklungen geht, die niemand genau kennen kann.
Ein Versuch Anfang Februar 2025: Mit welchen drei Aktien werde ich schnell reich? ChatGPT in der Version 4.o gibt als Antwort folgende Unternehmen: der Pharmakonzern Eli Lilly, der Cloud-Dienstleister Service Now und die E-Commerce-Plattform Shopify.
Keine völlig abwegigen Empfehlungen. Die Aktien der drei Konzerne gelten unter Anlageprofis als aussichtsreich. Auffällig ist jedoch, dass alle drei Tipps aus nur einem Artikel von „Börse am Sonntag“ stammen.
Das verdeutlicht zwei wichtige Charakteristika von Sprachmodellen:
Die KI analysiert nicht unaufgefordert die Kennzahlen und Kursentwicklungen von Zigtausenden Unternehmen, die an irgendeiner Börse der Welt notiert sind. Dafür müsste der Nutzer oder die Nutzerin diese Daten dem Bot zur Auswertung geben.Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Chicago hat ergeben, dass Sprachmodelle auf Basis umfangreicher Informationen – zum Beispiel Bilanzen, Geschäftsberichte, Unternehmensanalysen – bessere Prognosen über die Umsatz- und Gewinnentwicklung von Unternehmen machen als viele Analysten. Eine gute Grundlage für Investmententscheidungen. Allerdings ist das enorm aufwendig, und die notwendigen Daten für Privatleute teils nur schwer zu bekommen.
Ohne die Eingabe solcher speziellen Datensätze nutzt der Bot die Informationen aus dem Internet, mit denen er trainiert wurde. Und so kommt der Algorithmus mitunter auf eine Antwort, die allein auf einem Artikel basiert, der auf die sehr allgemein gestellte Frage eine passende Antwort liefert.
Lektion 1: Bei Empfehlungen greift die KI auf ihre allgemeinen Trainingsdaten zurück, wenn sie keine speziellen Informationen zur Auswertung bekommt.
Die Basis schaffen
Wer also keine beliebigen Empfehlungen bekommen möchte, muss der KI deshalb präzise Angaben machen: Was heißt schnell? Was heißt reich? Welche Risiken will ich akzeptieren? Habe ich noch andere Kapitalanlagen?
Um einen Vorschlag für ein Anlage-Portfolio zu erhalten, das den persönlichen Bedürfnissen und Wünschen entspricht, muss der Bot zunächst verstehen, für wen er Empfehlungen geben soll. Eine gute Richtschnur dafür ist das Kapitalanlagerecht, das Finanzdienstleister verpflichtet, anlage- und anlegergerecht zu beraten, wie das im Juristendeutsch heißt. Grundlage dafür ist die EU-Richtlinie MiFID II.
Demnach müssen Beraterinnen und Berater ihre Kundschaft nach deren Erfahrung mit verschiedenen Finanzprodukten von Fonds und Aktien bis hin zu Optionsgeschäften befragen. Daneben ist auch relevant, wie viel Kapital zur Verfügung steht, wie lange das Geld investiert sein soll, ob auch zwischenzeitliche Verluste akzeptabel sind, welche Renditeerwartung herrscht und einiges mehr. Wer schon einmal ein Beratungsgespräch in der Bank oder bei einem Vermögensverwalter hatte, wird das bereits erlebt haben, und auch wer einen Account bei einem Robo-Advisor eingerichtet hat, kennt diese Art des Verhörs.
Die Infos ergeben zusammen ein Anlegerprofil, das den Rahmen für die Empfehlungen setzt. Ob ChatGPT, Gemini oder Copilot, die Bots kennen die Vorgaben von MiFID II und können die Nutzerin oder den Nutzer genauso detailliert befragen, wie das eine Vermögensverwalterin im ersten Gespräch täte.
Mit dem Prompt unten kannst du zum Beispiel ChatGPT auffordern, ein Profil von dir zu erstellen:
Prompt 1: Ermitteln des persönlichen Anlageprofils
Prompt-Vorlage Ermittle durch Befragung meine Risikoneigung bei Geldanlagen, wie es den Regularien für die Anlageberatung in Deutschland und den EU-Regularien nach MiFID II entspricht! Stelle mir diese Fragen nacheinander! Wenn du alle Fragen gestellt hast, sage mir, wie meine Risikoneigung ist! Erläutere mir dann, was diese Risikoneigung für mich als Anleger bedeutet! ChatGPT die Begriffe in Fragen erläutern lassenBeispiel-Prompt: Erkläre mir, was „mittlere Risikotoleranz“, erhöhte Risikotoleranz“, „hohe Risikotoleranz“ bedeutet! Prompt-Vorlage: Erkläre mir, was „[BEGRIFF]“ und „[BEGRIFF]“ bedeutet?
Wichtig: Sind die Fragen nicht konkret oder kennst du die Begriffe nicht, frage nach. Will der Bot etwa wissen, welche Risiken du hinnehmen würdest und gibt als Antwortmöglichkeiten „geringe“, „mittlere“ oder „hohe“, wäre es sinnvoll, den Bot zu fragen: Was bedeuten die drei Abstufungen konkret?
Am Ende dieser Befragung gibt der Bot ein Profil aus, das im Anschluss als Basis für Empfehlungen dienen sollte.
Lektion 2: ChatGPT & Co. können durch gezielte Fragen ein genaues Anlegerprofil erstellen. Auf dieser Basis kann die KI individuell passende Empfehlungen geben.
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Empfehlungen einholen
Das Profil dient im nächsten Schritt dazu, zum Beispiel ChatGPT einen Vorschlag für ein Anlage-Portfolio machen zu lassen. Wissenschaftler Hornuf und seine Kollegen haben dafür einen englischen Standard-Prompt genutzt. Diesen muss man mit Angaben aus dem eigenen Profil ergänzen, um eine individuelle Empfehlung zu erhalten. Eine Vorlage auf deutsch dazu findest du unten. impulse hat damit den Test mit ChatGPT (Version 4o) für eine Anlegerin mit folgendem Profil gemacht:
48 Jahre alt
lebt in Deutschland
will über 15 Jahre anlegen
Ziel: Altersversorgung
mittlere Risikoneigung
bevorzugt keine speziellen Investments
Die KI-Tools sind grundsätzlich so trainiert, dass sie keine Tipps für Kapitalanlagen ausgeben. Durch den Zusatz im Prompt, dass die Empfehlungen nicht als persönliche Beratung aufgefasst werden, gibt der Bot jedoch sofort konkrete Empfehlungen.
Für die fiktive 48-Jährige schlägt ChatGPT ein Portfolio vor, das stimmig erscheint:
60 Prozent Aktien, 30 Prozent Anleihen und 10 Prozent Immobilien. Die KI empfiehlt, in allen drei Anlageklassen in ETFs zu investieren, also in börsengehandelte Fonds, die jederzeit verkauft werden können und kostengünstig sind. Für das Depot nennt ChatGPT insgesamt fünf dieser Fonds.
Doch sollte man dem folgen? Professor Lars Hornuf von der TU Dresden rät, mit dem Bot eine Konversation zu starten. „Durch Nachfragen und das Einfordern von Begründungen lassen sich die Ergebnisse verbessern“, fasst er seine Erfahrungen zusammen.
impulse hat ChatGPT zunächst aufgefordert, eine nähere Begründung für die vorgeschlagene Portfolio-Struktur zu liefern. Die Antwort hätte ein professioneller Berater kaum besser geben können. Zu jedem Bestandteil nannte die KI einige Punkte, warum dieser zum Profil der Anlegerin passt. ChatGPTs abschließendes Fazit zum Portfolio: „Es bietet Wachstum, Stabilität und Diversifikation.“
Mit dem Prompt unten kannst du ChatGPT, Gemini & Co. auffordern, ein Anlage-Portfolio für dich zu erstellen:
Prompt 2: Portfolio erstellen
Prompt-Vorlage:Ich bin […] Jahre alt, lebe in [Land] und plane, mein Geld über einen Zeitraum von […] Jahren als [Zielsetzung] zu investieren. Ich habe eine […] Risikotoleranz und bevorzuge Investitionen […]. Ich bin ein Investor mit […] Erfahrung. In welche spezifischen Finanzprodukte soll ich investieren? Gib jeweils den vollständigen Namen und die ISIN des Finanzprodukts an. Stelle mir zu den Finanzprodukten korrekte und klickbare URL-Links zur Verfügung! Wie sollte ich mein Portfolio aufteilen? Ich werde deine Antwort nicht als persönliche Beratung verstehen.
Wer sich aber wundert, warum bestimmte Investmentarten gar nicht im Vorschlag enthalten sind oder im Prompt genannte Anlage-Präferenzen im Portfolio übermäßig stark berücksichtigt sind, kann auch hierzu Nachfragen stellen. Ein Beispiel: „ChatGPT, warum ist in deinem Vorschlag kein Direktinvestment in eine Immobilie wie eine Mietwohnung? Und warum haben die empfohlenen Aktienfonds alle den Schwerpunkt auf Technologiefirmen?“ Auch hierzu kommen ausführliche und fundierte Erläuterungen. Und das Angebot, das Portfolio zu ändern.
Lektion 3: ChatGPT kann sachlich fundierte Portfolio-Vorschläge erstellen. Durch Rückfragen im Chat lassen sich die Ergebnisse optimieren.
Ergebnisse prüfen
Ein Schwachpunkt der Bots bestätigte sich sowohl in der großen Untersuchung von Lars Hornuf als auch in den Tests von impulse: ChatGPT und andere KI-Modelle machen teils falsche Angaben.
Sie halluzinieren, wie das in der Fachsprache heißt. So kam es immer wieder vor, dass es die empfohlenen Fonds gar nicht gibt. Oder dass die angegebene Wertpapier-Kennung (ISIN) falsch war.
„Das lässt sich nie ganz ausschließen“, sagt Ökonom Hornuf. Allerdings lässt es sich reduzieren, mit einem Prompt, der den Bot auffordert, seine eigenen Antworten zu checken und zu korrigieren. impulse nutzt hierfür den nachfolgenden Standard-Prompt, der dem Sprachmodell sechs Schritte vorgibt, wie es seine vorangegangene Antwort inhaltlich prüfen und verbessern soll:
Prompt 3: Ergebnisse prüfen und verbessern lassen
Prompt-Vorlage:Überprüfe die folgenden Informationen Schritt für Schritt und präsentiere zuerst das Ergebnis. Danach folgt die detaillierte Herleitung der Überprüfung. Hier folgt die zu verifizierende Information: [CHATGPTs ANGABEN ZU FINANZPRODUKTEN EINGEBEN] Gehe nun bei der Verifizierung Schritt für Schritt vor und zeige die Ergebnisse jedes einzelnen Schritts:Erste Antwortgenerierung: Generiere eine erste Antwort basierend auf den gegebenen Informationen.Selbstüberprüfung: Prüfe die erste Antwort auf logische Konsistenz und Kohärenz.Quellensuche: Sammle externe Quellen und Informationen, um die erste Antwort zu stützen oder zu widerlegen. Nenne mindestens drei zuverlässige Quellen, die tatsächlich existieren und überprüfbar sind. Gib die genaue Quellenangabe an – mit exaktem Datum, Autor und Publikation. Beschreibe, wie diese Quellen die Information bestätigen oder widerlegen. Stelle eine URL zur Verfügung, über die man auf die Quelle zugreifen kann. Falls keine überprüften Quellen gefunden werden können, weise darauf hin.Gegenprüfung: Überprüfe die Quellen unabhängig voneinander. Stelle sicher, dass mehrere Instanzen des Modells die Quellen überprüfen und ihre Ergebnisse vergleichen.Konsolidierung: Führe die Ergebnisse der Gegenprüfung zusammen. Analysiere und behebe alle Diskrepanzen.Generierung der endgültigen Antwort: Erstelle eine endgültige, verifizierte Antwort.
Doch selbst danach können in den Angaben zu konkreten Kapitalanlagen noch Fehler sein. Ein Check auf einer Internetseite eines Online-Brokers oder einer Direktbank ist daher unerlässlich. Einen solchen Finanzdienstleister aber benötigen Anlegerinnen und Anleger ohnehin, wenn sie dem Rat der KI folgen und ein Depot nach deren Vorschlägen einrichten möchten.
Lektion 4: Die KI halluziniert mitunter. Mit einem Faktencheck-Prompt lassen sich die Fehler reduzieren. Eine Garantie für fehlerfreie Bot-Antworten gibt es jedoch nicht.
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