Bernd Ziesemer: Chinas Exportflut überrollt Deutschland – und Europa

Chinas Industrie lenkt ihre Warenflut auf die europäischen Märkte um, weil in den USA nichts mehr geht. Deutschland und die EU rutschen in eine gefährliche Situation, eingeklemmt zwischen Trumps Zöllen und Xis Exporten

Mai 12, 2025 - 06:05
 0
Bernd Ziesemer: Chinas Exportflut überrollt Deutschland – und Europa

Chinas Industrie lenkt ihre Warenflut auf die europäischen Märkte um, weil in den USA nichts mehr geht. Deutschland und die EU rutschen in eine gefährliche Situation, eingeklemmt zwischen Trumps Zöllen und Xis Exporten

Die Zahlen, die am vergangenen Freitag aus Peking zu hören waren, sprechen eine eindeutige Sprache: Chinas Exporte in die USA brachen im April um 21 Prozent ein, die Ausfuhren nach Deutschland stiegen gleichzeitig um 20 Prozent. Mit anderen Worten: Die chinesische Industrie lenkt ihre Warenflut in die großen europäischen Märkte um, weil nach den Strafzöllen Donald Trumps in den Vereinigten Staaten so gut wie nichts mehr geht. Gleichzeitig sinken die chinesischen Importe aus der EU um 16,5 Prozent, weil sich chinesische Konzerne verstärkt auf ihren Binnenmarkt werfen und dabei Wettbewerber aus dem Ausland verdrängen. Eine so explosive Gemengelage gab es im Handel zwischen China und Europa noch nie.

Deutschland dürfte unter der Exportflut auch weiterhin stärker leiden als andere europäische Länder. Die Bundesregierung kann aber kaum etwas unternehmen: Die Federführung in Außenhandelsfragen liegt in Brüssel. Mitte Juli steht in Peking ein Gipfeltreffen mit der chinesischen Führung an. Zur Vorbereitung sind verschiedene Treffen geplant – vor allem ein Gespräch der neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas mit Außenminister Wang Yi. Wenn sich der Trend im bilateralen Handel in den nächsten Monaten verstetigt, könnte das Meeting in Peking zu einem Krisengipfel mutieren.

Die EU rutscht in eine gefährliche Klemme: Sie muss Donald Trumps Zölle abwehren, zugleich aber auch Xi Jinpings staatlich alimentierte Exportoffensive nach Europa aufhalten. Eine einheitliche Strategie fällt in dieser doppelten Zwangslage schwer: Gegenüber Trump positioniert sich die EU als Verteidiger offener Märkte und einer „regelbasierten“ Welthandelsordnung. Doch in der Auseinandersetzung mit Xi droht sie, ähnlich wie Trump, mit Zöllen und anderen Handelsbarrieren. China soll seine Exportflut „freiwillig“ begrenzen und zum Beispiel Mindestpreise für E-Autos aus der Volksrepublik akzeptieren.

Geht Chinas Kalkül auf?

Xi Jinping betreibt gegenwärtig zwar eine „Charmeoffensive“ gegenüber Europa, wie die „South China Morning Post“ schreibt. Doch man sollte das nicht mit echten Zugeständnissen verwechseln. Überhaupt tut sich Xi Jinping schwer mit der EU und ihren Institutionen – auch in diesem Fall ganz ähnlich wie Trump. Aus Sicht der chinesischen Führung entscheiden die großen Nationalstaaten auf eigene Faust und lassen sich letztlich nicht in globale oder regionale Staatenbündnisse wie die EU einbinden. In der Vergangenheit glaubte Xi Jinping zum Beispiel, er könne das Europäische Parlament ungestraft ignorieren. Das war ein schwerer Fehler.

Die Hoffnung Xi Jinpings, die aggressive Politik Trumps werde die Europäer quasi automatisch in die Hände Chinas treiben, dürfte sich nicht erfüllen. Schon allein wegen der unheilvollen Rolle Pekings als Hauptunterstützer Russlands im Krieg gegen die Ukraine. Auf der bombastischen Siegesparade in Moskau als „Ehrengast“ Wladimir Putins aufzutreten und zugleich als „guter Partner“ der EU akzeptiert zu werden – das geht nicht zusammen.