Regierungsbildung: Im Schnell-Check: Die neuen Ministerinnen und Minister der SPD
Vier Frauen, drei Männer, darunter eine Migrantin und ein Ostdeutscher – und fast alle neu im Kabinett: Damit geht die SPD in die neue Bundesregierung. Wer sind sie?

Vier Frauen, drei Männer, darunter eine Migrantin und ein Ostdeutscher – und fast alle neu im Kabinett: Damit geht die SPD in die neue Bundesregierung. Wer sind sie?
Jetzt steht sie, die geplante Bundesregierung. Nur einen Tag bevor CDU-Chef Friedrich Merz vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden soll, hat sich die SPD-Spitze auf ihr Personal für das Bundeskabinett festgelegt. Im Gegensatz zur Union hat SPD-Chef Lars Klingbeil die Geschlechterparität mehr als nur gewahrt.
Ansonsten gilt: Alles neu macht der Mai. Bis auf Boris Pistorius sind alle Nominierten Newcomer im Bundeskabinett, wobei einige Regierungserfahrungen aus der zweiten Reihe oder im Land mitbringen. Und: Klingbeils Co-Vorsitzende Saskia Esken wurde nicht berücksichtigt, was noch für Debatten sorgen dürfte. Hier nun die designierten Ministerinnen und Minister im Schnell-Check.
Finanzen: Lars Klingbeil
© Andreas Gora
Der SPD-Chef wird als künftiger Finanzminister und Vizekanzler das sozialdemokratische Kraftzentrum im schwarz-roten Bündnis bilden. Vorteil: Als Kassenwart der Koalition lenkt Klingbeil, 47, die Gelder aus den Infrastruktur-Sonderschulden. Nachteil: Klingbeil wird auch die angekündigten Einsparungen umsetzen müssen. Nicht zuletzt, um unter Beweis zu stellen, dass er ein gewissenhafter Haushälter ist und die Milliarden nicht verprasst.
Klingbeil steht ein Kaltstart bevor. Als neuer Finanzminister muss er gleich zwei Bundeshaushalte (für 2025 und 2026) vorlegen. Die Ampel-Regierung ist am Haushalt für das laufende Jahr zerbrochen; Deutschland befindet sich in der vorläufigen Haushaltsführung. Welche finanziellen Schwerpunkte die Republik setzen will, wie die schwarz-rote Politik in Zahlen aussieht – das wird Klingbeils erste Bewährungsprobe sein.
Es wird sein erstes Regierungsamt sein. Die Aussichten sind – gemessen an einem Amtsvorgänger von ihm – von diesem Posten aus gar nicht schlecht: Als Finanzminister und Vizekanzler ebnete sich ein gewisser Olaf Scholz den Weg zur SPD-Kanzlerkandidatur.
Arbeit und Soziales: Bärbel Bas
© Michael Kappeler/dpa
Bärbel Bas wurde für viele Posten gehandelt – die Frage war nur, welcher es werden würde. Nun übernimmt sie also von Hubertus Heil, der das Haus knapp acht Jahre lang geführt hat. Die 56-Jährige wird maßgeblich für die Bürgergeldreform verantwortlich zeichnen, auch die Rentenpolitik ist bei ihr angesiedelt. Das sind zwar SPD-Kernthemen, aber wie das Ergebnis bei der Bundestagswahl gezeigt hat: Da gab es für die SPD zuletzt mehr zu verlieren, als zu gewinnen.
Die frühere Bundestagspräsidentin hat ihren Wahlkreis in Duisburg wiederholt direkt gewonnen – zum fünften Mal in Folge, gegen den Bundestrend. Das hat Seltenheitswert und verschafft ihr in der Bundespartei, aber auch im mächtigen wie einflussreichen SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen besondere Autorität. Zudem bringt Bas eine sozialdemokratische Vorzeige-Vita mit.
Nach dem Hauptschulabschluss lernte sie Schweißen auf der Berufsfachschule, ging aber später zur Duisburger Verkehrsgesellschaft und stieg in eine Führungsposition auf. 2009 wurde sie erstmals in den Bundestag gewählt und empfahl sich dort als Gesundheitspolitikerin, bevor sie 2021 zur Parlamentspräsidentin gewählt wurde. Sie ist Fußballfan (MSV Duisburg) und fährt eine Harley-Davidson (Low Rider).
Bleibt für die SPD Verteidigungsminister: Boris Pistorius
© Ulrich Baumgarten
Boris Pistorius bleibt, was er ist und was er nach eigenem Bekunden auch am liebsten ist: Bundesverteidigungsminister. Die Chance, Kanzlerkandidat zu werden, ließ der Sozialdemokrat im vergangenen Spätherbst verstreichen. Stattdessen kann er sich mit seinen inzwischen 65 Jahren weiter um das kümmern, um das er sich seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 kümmert: die sogenannte Zeitenwende. Oder, um es mit einer seiner umstrittensten Aussagen zu formulieren: Er will Deutschland kriegstüchtig machen.
Der einstige Oberbürgermeister von Osnabrück und Innenminister von Niedersachsen hat die wohl schwierigste Aufgabe im Kabinett: Er muss die kleine, heruntergesparte Friedenstruppe namens Bundeswehr zu einer deutlich größeren, modern ausgerüsteten und vor allem einsatzfähigen Verteidigungsarmee ausbauen.
Was ihm helfen wird, ist neben der Erfahrung im Amt seine ungebrochene Popularität in der Bevölkerung – aber doch vor allem die Schuldenmilliarden, die er dank der im Grundgesetz verankerten Öffnungsklausel für Militärausgaben investieren kann.
Umwelt: Carsten Schneider
© Uwe Koch
Mit 49 geht er in der Politik noch als jung durch. Doch eigentlich ist Schneider ein Senior im Berliner Betrieb. 1998 zog er als damals jüngster Abgeordneter für die SPD in den Bundestag ein, um ihn nicht mehr zu verlassen. Auch sonst war er, der noch in der DDR-Zeit in einem Erfurter Plattenbaugebiet aufgewachsen war und gerade erst seine Banklehre hinter sich hatte, ein Exot im Parlament – der aber schnell die Regeln kapierte.
In der Fraktion stieg er vom mächtigen haushaltspolitischen Sprecher zum Fraktionsvize und schließlich zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer auf. 2021 sollte er dann Bauminister werden, wurde dann aber aus Paritätsgründen nicht berücksichtigt. Stattdessen wurde er Staatsminister und Ostbeauftragter im Kanzleramt mit einem Sitz am Kabinettstisch, mehr Mitarbeitern und wachsendem Selbstbewusstsein.
Schneiders Bilanz war besser als die aller seiner Vorgänger – was auch ein Grund ist, dass er jetzt Minister für Umwelt und Klima wird, obwohl er fachpolitisch damit kaum etwas zu tun hatte. Klingbeil, mit dem er befreundet ist, traut dem Profi Schneider aber offenbar zu, das schwieriger gewordene Thema zu besetzen und zu verkaufen. Zumal: Schneider erfüllt natürlich den besonders von ihm stets eingeforderten Ostproporz.
Justiz: Stefanie Hubig
© Boris Roessler/dpa
Erfahrung hat die gebürtige Frankfurterin: Sie war Richterin und Staatsanwältin und arbeitete als Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, wo sie sich unter anderem um die Verschärfung des Sexualstrafrechts kümmerte. Dann folgte der Wechsel nach Rheinland-Pfalz, wo sie sich auch fachlich umorientierte. Seit neun Jahren amtiert sie in Mainz als Bildungsministerin, 2020 leitete sie die Kultusministerkonferenz.
Nun kehrt sie mit 56 nach Berlin zurück. Das Justizministerium ist eine wichtige Aufgabe, aber ein überschaubares Ressort, zumal so einige Reformen unter dem früheren FDP-Minister Marco Buschmann absolviert oder zumindest angegangen wurden. Das Werbeverbot für Abtreibungen wurde abgeschafft, die Digitalisierung geht tatsächlich voran.
Dennoch hält der Koalitionsvertrag schwierige Aufgaben für Hubig bereit, wie etwa die seit Langem geplante Familienrechtsreform. Und: Die Koalition will den Entzug des passiven Wahlrechts nach mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung regeln.
Bauen und Wohnen: Verena Hubertz
© Rabea Gruber/dpa
Verena Hubertz setzt ihre Blitzkarriere fort, steht im SPD-Kabinett wie keine andere für den "Generationenwechsel", den Parteichef Klingbeil ausgerufen hat.
Die 37-jährige Start-up-Gründerin aus Rheinland-Pfalz ist 2021 erstmals in den Bundestag eingezogen und wurde schon zu einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Sie gilt als Architektin des "Deutschlandfonds", mit dem die SPD in den Wahlkampf gezogen ist, und hat sich als Wirtschaftsexpertin mit Digital-Affinität empfohlen. Auch für den Posten der Generalsekretärin wurde sie schon gehandelt.
Als Bauministerin folgt sie auf Klara Geywitz – und tritt ein schweres Erbe an: Das Ampelziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr wurde stets verfehlt, der Wohnraum insbesondere in Metropolregionen bleibt knapp und die (Miet-)Preise hoch. Hubertz tritt somit ein Amt an, in dem es viel zu gewinnen gibt, aber auch viel zu verlieren.
Entwicklungshilfe: Reem Alabali-Radovan
© Soeren Stache/dpa
Sie ist eine Überraschung im Kabinett. Zum einen kämpfte die bisherige Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, sehr offensiv für ihren Verbleib im Amt und hatte dabei den mächtigen Landesverband von Nordrhein-Westfalen hinter sich. Zum anderen drängte Klingbeils Co-Vorsitzende Saskia Esken auf den Posten.
Aber der Parteichef wagt Diversität und wählte eine junge Migrantin, die schon einige Jahre in der zweiten Reihe im Kabinett dabei saß: Reem Alabali-Radovan war zuletzt Staatsministerin für Migration im Kanzleramt und Beauftragte für Antirassismus.
Ihre Eltern stammen aus dem Irak, sie selbst wurde 1990 in Moskau geboren und erhielt 1996 mit ihrer Familie in Deutschland Asyl. Sie wuchs in Waren und Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern auf. Nach dem Politikstudium kümmerte sie sich in der Landesverwaltung von Mecklenburg-Vorpommern um Migration und Integration. 2021 trat sie in die SPD ein und zog danach direkt in den Bundestag ein. Jetzt wird Alabali-Radovan mit 35 Jahren Bundesministerin eines kleinen, aber durchaus komplizierten Ressorts. Aber sie gilt als Kämpferin: Daheim boxt sie im BS Traktor Berlin.
Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.