Warren Buffett: Abschied nach 60 Jahren: „Bei Buffett hat es einfach Klick gemacht“
Warren Buffett macht Schluss. Heiko Böhmer von Shareholder Value Management war bei der Abschiedsvorstellung der Investoren-Ikone dabei und hat ein großes Ereignis und einen gelungenen Abgang gesehen

Warren Buffett macht Schluss. Heiko Böhmer von Shareholder Value Management war bei der Abschiedsvorstellung der Investoren-Ikone dabei und hat ein großes Ereignis und einen gelungenen Abgang gesehen
Sie waren am Wochenende dabei, als Warren Buffett Greg Abel als offiziellen Nachfolger verkündet hat. Wie war dieser Moment und wie haben die Aktionäre darauf reagiert?
HEIKO BÖHMER: Es war ein großer Coup: Buffett hat seine traditionelle Fragerunde beendet, einen Zettel rausgeholt und gesagt, er habe noch etwas zu verkünden. Das war's. Mit fast 95 Jahren seinen Rücktritt so vor 40.000 Aktionären zu inszenieren, ist wirklich einmalig. Sogar sein designierter Nachfolger Greg Abel schien überrascht zu sein. Es gab lang anhaltenden Applaus.
Also ein gelungener Abschluss für Buffett?
Auf jeden Fall. Die Arena war am Samstag bis zum Schluss gut gefüllt. Die Kraft dieses Events und der Ansturm waren noch mal größer als in den Jahren zuvor. Der ganze Ort war total überlaufen, Reisebusse an Buffetts Haus und am Berkshire-Büro. Viele Besucher aus Asien. Ein großes Ereignis und ein gelungener Abgang.
Warum jetzt?
Ich glaube, nach 60 Jahren an der Spitze von Berkshire Hathaway hat es bei Buffett einfach Klick gemacht. Es war der perfekte Zeitpunkt zum 60-jährigen Firmenjubiläum.
Was bedeutet das für die Aktie kommende Woche?
Ich denke, für die Börse wird es ein Nicht-Ereignis. Ein Kurssturz ist am Montag nicht zu erwarten. Es hieß immer, wenn Buffett stirbt, fällt die Aktie. Ich denke, nach dem erfolgreichen Rücktritt eines immer noch vitalen Buffett ist da nichts zu befürchten.
Buffett hat sich zum Abschluss ungewohnt politisch geäußert. Was genau hat er gesagt und wie sind diese Aussagen zu verstehen?
Das Thema Zölle hat er praktisch mit der ersten Frage abgehakt. Buffett betonte erneut, dass Handel „nicht als Waffe“ eingesetzt werden sollte. Das hatte er bereits Anfang März in einem Interview gesagt. Es sei der falsche Weg. Jeder solle das tun, was er am besten könne, so Buffett. Die USA hätten früher Tabak und Baumwolle gekonnt, jetzt könnten sie andere Dinge. Man solle nicht gegeneinander antreten. Damit war das Thema eigentlich durch.
Wie haben die Aktionäre reagiert?
Die 40.000 Besucher aus aller Welt haben begeistert applaudiert. Interessanterweise hat Buffett den Namen Trump nicht einmal erwähnt. Aber er hat seine politische Botschaft sehr wirkungsvoll unterstrichen, indem er Hillary Clinton im abgesperrten Bereich in der ersten Reihe sitzen ließ. Sie kam im allerletzten Moment durch die Tür und setzte sich. Ein Auftritt mit Symbolkraft.
Welchen Reim kann man sich darauf machen?
Die Demokratin und Ex-Außenministerin war die letzte Kandidatin, die Buffett offen unterstützt hat. Das ist typisch für ihn. Buffett geht Themen subtil an. Er sagt nicht offen, dass Trump eine Gefahr für die Demokratie ist, aber er signalisiert, dass die USA mehr sind als das, was Trump repräsentiert oder tut.
Buffett hat wieder einmal betont, wie glücklich er sei, in Amerika geboren zu sein. Ist das in diesen Zeiten nicht ein Widerspruch in sich?
Ich würde das als gesunden Patriotismus bezeichnen, nicht als Nationalismus. Für Deutsche ist das schwer nachvollziehbar, aber hier in Amerika ist das ganz normal. Die Hälfte der Aktionäre hat wahrscheinlich republikanisch gewählt. Die will er nicht vor den Kopf stoßen. So ist Buffett. Er agiert vorsichtig.
Haben Sie während der Veranstaltung auch Kritik der Aktionäre an Trumps Politik gehört?
Tatsächlich nicht viel, aber bei einem Investoren-Dinner habe ich mit Amerikanern gesprochen, die selten offen waren. Sie mussten sich offenbar Luft machen. Sie haben sehr deutlich gesagt, dass sie sich sehr unwohl fühlen mit dem, was gerade passiert.
Ist diese Zurückhaltung typisch für Berkshire-Aktionäre?
Kritik kommt bei dieser Veranstaltung wirklich selten vor. Diesmal gab es eine ungewöhnlich kritische Frage einer jungen Frau zum Kohleanteil von Berkshire Hathaway Energy. Der Energieversorger ist laut irgendeinem Ranking der zweitdreckigste in den USA. Was Berkshire dagegen unternehme, wollte die junge Frau wissen.
© Heiko Böhmer
Was haben die Verantwortlichen geantwortet?
Greg Abel war sehr ausschweifend. Immerhin hätten sie in Iowa fünf Kohlekraftwerke geschlossen, was 16 Mrd. Dollar an Investitionen gekostet habe. Mehr sei im Moment nicht möglich, die anderen fünf müssten jetzt weiterlaufen. Das sorgte für etwas Unruhe im Publikum. Aber das war die einzige kritische Frage.
Sie haben schon ein gutes Dutzend Mal an dieser Aktionärsversammlung teilgenommen. Was hat sich im Laufe der Jahre verändert?
Früher war es in der angeschlossenen Ausstellungshalle mehr wie eine Messe. Eine Firma aus dem Konglomerat hat einen Stand aufgebaut und erklärt, was sie macht. Heute macht das nur noch der Versorger Berkshire Hathaway Energy. Heute ist es eher ein Jahrmarkt mit gepfefferten Preisen. Die Aktionäre kaufen Lunchpakete mit einem eher schlechten Hamburger für 20 Dollar. Dafür gibt es morgens den typischen US-Kaffee und Hefegebäck mit Zuckerguss, das monatelang haltbar ist umsonst. Das alles stört niemanden. Die Leute amüsieren sich. Viele kommen einfach, um Ramsch zu kaufen, nicht wegen des intellektuellen Inputs. Wir haben auch eine Tüte Tinnef aus Plastik für 70 Dollar gekauft. Ironischerweise alles aus China. Und trotz zwölf Kassen nebeneinander mussten wir Schlange stehen. Bei der Fragerunde am Samstag in der Arena hieß es, die Firmen hätten dieses Jahr Rekordumsätze gemacht.
Die Berkshire-Aktie ist mit über 800.000 Dollar die teuerste Aktie der Welt. Selbst in den vergangenen Börsenmonaten mit starken Kursschwankungen hat sie dieses Jahr 17 Prozent zugelegt. Der wichtige US-Aktienindex S&P 500 verlor im gleichen Zeitraum sechs Prozent. Wie ist das möglich?
Bei Berkshire schaut man oft nur auf die Aktienpositionen. Das Unternehmen hat aber mehrere Standbeine, nicht nur das Aktienportfolio. Was wirklich gut läuft, sind die nicht börsennotierten Unternehmen. Buffett weist immer darauf hin, dass Berkshire Hathaway Energy und die Eisenbahngesellschaft Burlington Northern Santa Fe wichtig sind. Dann gibt es die Versicherungen. Alle diese Geschäftsbereiche laufen sehr gut. Und das alles ist Berkshire Hathaway. Vielleicht kann man das als Erfolgsrezept bezeichnen: Nicht von einer Sache oder einem Trend abhängig sein, wie zum Beispiel KI. Das Aktienpaket von Buffett ist eigentlich das größte Risiko.
Seit einem Jahr werden Aktien verkauft, das Portfolio schrumpft. Ist der Ausstieg aus Aktien auch ein Erfolgsgeheimnis?
Wenn Berkshire Aktien verkauft, geht es um Portfolioanpassungen. Nehmen wir zum Beispiel Apple. Die Aktie hatte einfach zu viel Gewicht. Deshalb wurden andere Positionen verkauft. Dafür wurden kleinere aufgebaut, aber nur im dreistelligen Millionenbereich. Bei einem Tanker wie Berkshire macht das nicht viel aus.
Auch deshalb hat Berkshires Cash-Bestand mit 347 Mrd. Dollar gerade wieder einen neuen Rekord erreicht. Die Prämien aus dem Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäft sorgen für einen stetigen Kapitalzufluss. Finden die Aktionäre das gut, wenn dieses Geld nicht verwendet wird?
Nun, es ist ja nicht so, dass das Geld „ungenutzt“ oder totes Kapital wäre. Es ist in amerikanischen Anleihen angelegt, die eine gute Rendite abwerfen. Aber es stimmt, dass Buffett als Value-Investor sehr vorsichtig ist. Er findet keine neuen großen Unternehmen, in die er auf einen Schlag 20 oder 30 Milliarden investieren will oder kann. Aber ich verstehe auch nicht, warum er erfolgreiche Positionen nicht aufstockt, wenn er sie noch hält, wie American Express oder eine Coca-Cola, die immer noch für gut befunden werden.
Wird sich mit Greg Abel an der Spitze etwas ändern?
Nein, Buffett hat ja keinen Unbekannten aus dem Hut gezaubert. Abel ist schon lange der operative Kopf. Seit 2018 ist er Vize-Chef und 2021 wurde er bereits zum voraussichtlichen Nachfolger von Buffett bestimmt. Am Sonntag war Vorstandssitzung, da wurde der Wechsel sicher intensiv diskutiert werden.
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.