E-Kleinwagen JAC E30X im Test: Mehr Luxus als gedacht
Kaum bekannt, aber erstaunlich komplett: JAC E30X bietet viel Komfort, gute Reichweite und solide Technik – bislang nur in der Schweiz. Wir sind ihn gefahren. Der Beitrag E-Kleinwagen JAC E30X im Test: Mehr Luxus als gedacht erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

Schon mal vom JAC E30X gehört? Nein? Haben wir uns fast schon gedacht. Bei dem Modell mit dem kryptischen Namen handelt es sich um einen Elektro-Kleinwagen mit Premium-Charakter aus China, der vieles richtig macht, kaum Wünsche offenlässt – und trotzdem kennt ihn kaum jemand.
Bevor wir zum Auto selbst kommen, kurz zum Hersteller. JAC – gleich ausgesprochen, aber nicht zu verwechseln mit dem Jack, der im Film Titanic auf tragische Weise den Kürzeren gegen ein Holzbrett gezogen hat – ist ein 1964 gegründeter Autobauer aus Hefei, China. In seiner Heimat ist JAC kein Underdog, sondern ein etablierter Player, der unter anderem als Auftragsfertiger für Nio agiert. Außerdem ist JAC Teil des Volkswagen Anhui-Joint Ventures, also auch kein ganz unbeschriebenes Blatt im Elektrozeitalter. Wer also dachte, JAC sei irgendein frisch gegründetes Garagenprojekt aus dem Reich der Mitte, der sollte diesen Gedanken gleich wieder beerdigen – hinter diesem Namen stecken 60 Jahre chinesischer Automobiltradition.
In Europa hingegen ist JAC bislang ein Exot. Die Autos werden aktuell nur in der Schweiz angeboten, dank eines 2014 abgeschlossenen Freihandelsabkommens zwischen China und der Schweiz zu erstaunlich niedrigen Preisen. Mit dem E30X soll die Bekanntheit der Marke nun massiv gesteigert werden. Mit seinen 4,02 Metern Länge, 1,77 m Breite und 1,56 m Höhe ist der Kleine ein klassischer Cityflitzer. Runde LED-Augen, farblich abgesetzte 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, dazu elektrisch ausfahrbare Türgriffe. Das kräftige Forest Green mit schwarzem Dach unseres Testwagens wirkt hochwertig und alles wurde sauber verarbeitet, also weder Spaltmaß- noch Orangenhaut-Alarm.
Wer innen ein Billigplastik-Festival erwartet, wird überrascht: Retro trifft Moderne. Runde Lüftungsdüsen, edle Ambientebeleuchtung, ein riesiges Glasdach und ein Armaturenbrett, das geschickt Hartplastik mit einer zweifarbigen Kunstlederlandschaft kombiniert. Die Vordersitze sind elektrisch einstellbar, mit Memory-Funktion und sowohl dreistufig belüftbar als auch dreistufig beheizbar – in dieser Klasse absoluter Luxus. Das Lenkrad ist wiederum nur in der Tiefe verstellbar, die Gurte nicht höhenverstellbar, aber irgendwo muss der Preis eben gedrückt werden.
Das Infotainmentsystem besteht aus einem hochauflösenden 15,6-Zoll-Touchscreen mit intuitiver Menüführung und einer Übersetzung, bei der man sich manchmal fragt, ob Google Translate einen schlechten Tag hatte. AC-Desodorierung? Fensteröffnentest? Hier sollte JAC noch Muttersprachler ans Werk lassen. Apple CarPlay und Android Auto sind serienmäßig an Bord und funktionieren kabellos – großes Plus. Navigieren muss man aber ebenfalls übers Smartphone, denn ein integriertes Navi gibt es im E30X nicht.
Vorne sitzt man gut, die Sitzposition ist angenehm aufrecht, die Fensterflächen sind großzügig. Auch auf der Rückbank lässt es sich dank 2,62 m Radstand angenehm reisen. Der Kofferraum bietet 310 Liter, umgeklappt rund 1200 Liter. Es gibt weder eine elektrische Klappe noch einen Frunk, aber das erwartet in so einem Modell auch keiner.
Mit seinem 51,5 kWh netto fassenden LFP-Akku schafft der E30X laut WLTP bis zu 374 km Reichweite. Diese sollten in der Stadt bei gutem Wetter auf jeden Fall machbar sein. AC-Laden erfolgt mit dreiphasigen 11 kW, DC-Schnellladen mit sehr mäßigen 60 kW. In etwa 30 Minuten geht es von 20 auf 80 Prozent SoC, der Hersteller verspricht immerhin eine stabile Ladekurve. Dazu kommt eine V2L-Funktion mit 3,3 kW. Sowohl ein Ladelimit als auch ein Ladetimer kann eingestellt werden, eine Wärmepumpe ist serienmäßig mit an Bord.
Mit frontgetriebenen 100 kW (136 PS) beschleunigt der JAC E30X in ca. 8 Sekunden auf 100 km/h, das ist deutlich flotter als die Konkurrenz aus Frankreich oder Südkorea. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 150 km/h. Die Rekuperation ist dreistufig einstellbar, aber nicht über Paddles und ohne echtes One-Pedal-Feeling.
Leider ist der Übergang von Rekuperation zu mechanischer Bremse deutlich spürbar – in puncto Pedaltuning ist also noch Luft nach oben, ebenso ist das Lenkgefühl nicht ansatzweise so gelungen wie beispielsweise im Citroën ë-C3 oder Hyundai Inster. Was wiederum beeindruckt, ist die 360-Grad-Kamera – das bietet der Hyundai Inster nur in der höchsten Ausstattung, der Citroën ë-C3 gar nicht. Adaptiver Tempomat? Leider nein. Tempomat bis 120 km/h ist wiederum drin.
Ein liebenswerter Neuzugang in der Elektro-Kleinwagenwelt
Der JAC E30X ist ein liebenswerter Neuzugang in der Elektro-Kleinwagenwelt. Endlich mal kein Trend-SUV und auch ganz sicher kein Statussymbol, sondern ein charmanter, gut ausgestatteter Flitzer mit überraschend viel Komfort und Technik für wenig Geld. Ja, so mancher wird bei den teilweise unfreiwillig komischen Softwaretexten die Stirn runzeln, aber für unter 23.000 Schweizer Franken (ca. 24.600 Euro) bekommt man hier ein Paket, das sowohl praktisch als auch stylisch ist.
Und ja, bei diesem Preis ist alles oben beschriebene inklusive, es kann lediglich die Außenfarbe konfiguriert werden. Die Konkurrenz ist in der Schweiz bereits in der Basis deutlich höher eingepreist und volle Hütte liegt der Preisunterschied dann sogar über 10.000 Franken (ca. 10.600 Euro), daher lässt sich die mittelprächtige Lenk- und Rekuperationsabstimmung allemal verzeihen.
Die Frage aller Fragen: Hätte der Kleine auch eine Chance bei uns in Deutschland? Tatsächlich plant ein deutscher Importeur alsbald den Markteintritt, für diesen stehen aber zunächst einmal die Nutzfahrzeuge von JAC Motors im Vordergrund. Wir hoffen darauf, den Wagen im Laufe des nächsten Jahres auf unseren heimischen Straßen entdecken zu können, dürfen aber nicht vergessen: Aufgrund volatiler Marktbedingungen und hoher Ausgleichszölle müsste der E30X bei uns deutlich teurer angeboten werden als im Nachbarland mit Freihandelsabkommen. Und ob sich die deutsche Kundschaft dann noch für den chinesischen Newcomer begeistern lassen kann, ist wohl eher fraglich.
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