Außergewöhnlicher Affe: Zum Tod von Bonobo "Kanzi": Das Sprachgenie, das Minecraft spielte

Er spielte Videospiele, röstete Marshmallows und galt als Sprachtalent: Das Leben von Kanzi war in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Jetzt ist der berühmte Bonobo gestorben 

Mär 21, 2025 - 19:57
 0
Außergewöhnlicher Affe: Zum Tod von Bonobo "Kanzi": Das Sprachgenie, das Minecraft spielte

Er spielte Videospiele, röstete Marshmallows und galt als Sprachtalent: Das Leben von Kanzi war in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Jetzt ist der berühmte Bonobo gestorben 

Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass wir um das besondere Sprachtalent von Kanzi wissen. Eigentlich nämlich sollte nur die Adoptivmutter des Bonobos in einem US-amerikanischen Forschungszentrum darauf trainiert werden, mithilfe einer Tastatur Sprache zur Verständigung zu nutzen. Doch die Matriarchin Matata, die Kanzi als Baby gekidnappt und kurzerhand selbst aufgezogen hatte, zeigt kaum Interesse an den drögen Unterrichtsstunden. Ganz anders ihr Ziehsohn.

Als seine Adoptivmutter nicht in der Nähe ist, beginnt er eigenständig ein Lexigramm zur Kommunikation zu nutzen – und wird so zum ersten Bonobo, der dabei beobachtet wird, wie er Sprachelemente verwendet. Und vor allem: zum ersten Menschenaffen, der dies natürlich und ohne vorheriges Training tut. Nun ist Kanzi im Alter von 44 Jahren plötzlich gestorben. Ein Rückblick auf ein bewegtes Leben.

Kanzi wird 1980 in einem Feldforschungszentrum der Emory- Universität im US-Bundesstaat Georgia geboren und seinen Eltern gleich nach der Geburt von der überlegenen Matriarchin Matata entrissen. Durch sie kommt er schon als Junges, bereits in einer anderen Forschungseinrichtung, mit Sprache in Berührung – und erweist sich als wahres Talent: Menschenkindern gleich, erlernt er spontan Wörter, übertrifft mit acht Jahren gar eine menschliche Zweijährige in ihrer Sprachfähigkeit. Mehr als 3000 englische Wörter versteht Kanzi im Lauf der Jahre, rund 500 Wörter umfasst sein eigener Wortschatz.

"Kanzi, der sprechende Affe", titelte 1994 die deutsche Ausgabe eines Buchs der Psychologin und Affenforscherin Sue Savage-Rumbaugh. Tatsächlich sprechen kann Kanzi allerdings nie: Bonobos sind dazu durch den Aufbau ihres Stimmapparats anatomisch nicht in der Lage. Verstehen kann er gesprochenes Englisch dagegen sehr wohl – und auf seine Art auch darauf antworten. Kanzi prägt sich englische Wörter ein, unterscheidet sie und kann sie Fotos der entsprechenden Objekte zuzuordnen – eine der Voraussetzungen für Spracherwerb.

Mithilfe von abstrakten Wortsymbolen konnte – der hier noch stark übergewichtige – Kanzi mit Menschen kommunizieren
Mithilfe von abstrakten Wortsymbolen konnte – der hier noch stark übergewichtige – Kanzi mit Menschen kommunizieren
© William H. Calvin / Wikipedia

Mit Menschen kommuniziert er vor allem über sogenannte Lexigramme: abstrakte Wortsymbole auf einer Tafel oder einem Bildschirm. Auf die Frage, ob er etwas zu trinken möchte, tippt Kanzi beispielsweise auf die Symbole für "rote Tasse" und "Orangensaft" und gibt gleichzeitig Laute von sich. Ob er auch ganze Sätze bilden kann, ist in der Forschung umstritten. Linguisten kritisieren zudem, dass Kanzis Äußerungen stark von der menschlichen Interpretation abhängen.

Minecraft, Marshmallows und Mikrowellenessen

Doch auch über den Spracherwerb hinaus ist Kanzi erstaunlich geschickt: Er stellt Werkzeuge aus Stein her, holt Lebensmittel aus einem Verkaufsautomaten und bereitet sie in der Mikrowelle zu, sucht sich selbst Filme aus, die er im Fernsehen anschaut. Er spielt erfolgreich Computerspiele wie Pacman und eine modifizierte Version von Minecraft, in der er gemeinsam mit seinem Neffen Teco sogar den gefürchteten Endboss besiegt, wie ein Youtube-Video aus dem Januar 2024 zeigt. Und dann ist da noch der Ausflug in den Wald, bei dem Kanzi auf die Symbole für "Marshmallow" und "Feuer" tippt. Als man ihm Streichhölzer und Marshmallows reicht, sammelt er Holz für ein Lagerfeuer zusammen, entzündet es mit den Streichhölzern und röstet auf einen Stock gespießte Marshmallows darüber. So wie er es zuvor in einem Film gesehen hat. 

Doch die wenig artgerechte Ernährung hat ihren Preis. Eine Forschungseinrichtung in Iowa, in der Kanzi viele Jahre verbringt, wird 2014 wegen finanzieller Probleme und des Vorwurfs der Vernachlässigung der Tiere geschlossen. Als die Ape Cognition and Conservation Initiative, in der Kanzi bis zuletzt lebte, die Einrichtung übernimmt, ist der Affe durch die jahrelange schlechte Ernährung und mangelnde Bewegung stark übergewichtig. Erst durch eine Umstellung auf artgerechtes Futter – Kanzi liebt Bananen, Erdnüsse und Weintrauben – und die Möglichkeit, sich mehr zu bewegen, nimmt er 34 Kilogramm ab.

Youtube

Am Nachmittag des 18. März ist Kanzi nun im Alter von 44 Jahren gestorben. Am Morgen hatte er noch gefrühstückt, einen jungen Bonobo über das Gelände gejagt, sich dann mit seinem Neffen Nyota zu Fellpflege und Streicheleinheiten zurückgezogen. Und hörte dann plötzlich auf zu atmen. "Kanzi war bei seinen Bonobo-Familienmitgliedern sehr beliebt und ein Freund für alle", schreibt die Ape Cognition and Conservation Initiative in einer Mitteilung. "Wir wollen sicherstellen, dass Kanzis Bonobo-Familienmitglieder und menschliche Pfleger die Zuwendung und Unterstützung bekommen, die sie brauchen." Eine Obduktion soll nun die Todesursache des Affen klären, der bereits wegen Herzproblemen behandelt worden war. 

Zur Forschung von Kommunikation und Sprachentwicklung hat Kanzi einen großen Beitrag geleistet. Und diese ist noch längst nicht abgeschlossen: Eine Studie aus dem vergangenen Jahr legt den Verdacht nahe, dass die Vokalisierungsfähigkeiten von Schimpansen bisher unterschätzt wurden.

Auch über den Gebrauch von Werkzeugen – nicht nur zur Nahrungsbeschaffung, sondern auch zum Spiel und zum reinen Vergnügen – gibt es immer wieder neue verblüffende Erkenntnisse, ebenso über soziales Lernen, den gezielten Einsatz von Medikamenten und die komplexen sozialen Beziehungen im Tierreich. Vieles, was wir Tieren lange nicht zugetraut haben, so scheint es, haben wir vielleicht einfach noch nicht beobachtet.