Zölle und Börsencrash: Michael Hüther: „Man muss Trump schon die Folterwerkzeuge zeigen“
Top-Ökonom Michael Hüther setzt sich für ein hartes Auftreten der EU gegen Donald Trump und dessen Zölle ein. Für Aktionäre breche aber eine neue Zeitrechnung an

Top-Ökonom Michael Hüther setzt sich für ein hartes Auftreten der EU gegen Donald Trump und dessen Zölle ein. Für Aktionäre breche aber eine neue Zeitrechnung an
Capital: Herr Hüther, der Kursrutsch an den Börsen geht weiter – ausgelöst von Donald Trumps Zöllen gegen die ganze Welt. Ist das volkswirtschaftlich begründet oder reine Panik?
MICHAEL HÜTHER: Das lässt sich nicht trennen. Mit der Bazooka von Zollerhöhungen verbinden sich Unsicherheiten, die in Panik münden. Der Kursrutsch ist in hohem Maße gerechtfertigt, denn Trump führt ja nicht nur Zölle ein, sondern löst binnenwirtschaftliche Verwerfungen aus. Alles, was die USA zuvor attraktiv gemacht haben – Wissenschaftsfreiheit, Demokratie, starke Kapitalmärkte – gehen verloren. Trump führt dieses Land so in den wirtschaftlichen Niedergang.
Eine Hoffnung liegt immer noch in den Kapitalmärkten. Kann Donald Trump seinen persönlichen Liz-Truss-Moment erleben? Können die Märkte also Donald Trump stoppen?
Ich glaube schon, dass Donald Trump irgendwann auf Widerstand stoßen wird. Wenn die Wall Street so massiv reagiert, bleibt das nicht ohne Eindruck. Er wird zwar versuchen, die Reaktion den anderen zuzuschieben, so wie Autokraten das gerne tun. Aber das wird nicht funktionieren. Wir sollten uns dennoch nichts vormachen: Trump wird einen sehr langen Atem haben, bis er irgendwann anfängt, Mini-Deals auszuhandeln – und diese dann als großen persönlichen Erfolg inszeniert.
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Die USA haben diesen Ländern die Pistole auf die Brust gesetzt. Sie haben sich letztlich nur für das Leben entschieden, weil sie – anders als andere Weltregionen – keine Alternative haben. Das ist lediglich die Größe der USA, nicht Trumps Stärke.
Verzockt sich Trump denn in Summe mit Amerikas Stärke?
Sehr gut möglich. Trump lässt sich leicht davon blenden, wenn irgendwelche Leute bei ihm anrufen und ihm Kleinkram anbieten. Für ihn sieht das dann schnell nach einem guten Deal aus. Die EU wird mit ihm keinen Deal zu unserem Schaden machen. Das, was Jean-Claude Juncker damals mit ihm kleinteilig vereinbart hat, war ja Kindergarten. Das hat am Ende niemanden interessiert und nachgehalten wurde es auch kaum. Deshalb muss die EU jetzt auch sehr genau überlegen, was sie tut.
Wofür plädieren Sie?
Verschiedenes. Zum einen kann sie sehr spezifische Zölle erheben und auch sehr spezifische Zölle senken.
Aber machen Zollsenkungen überhaupt Sinn? Israel hat zuvor alle Zollbarrieren auf null gesenkt, und trotzdem 17 Prozent Zoll bekommen, weil Trumps Zoll-Rechnung allein auf dem Handelsbilanzdefizit beruht.
Die EU ist nicht Israel und damit nicht im Kriegszustand. Die EU ist mit 450 Millionen Einwohnern der größte Binnenmarkt der Welt, und das weiß auch Trump. Deshalb sind spezifische Senkungen im Gegensatz zu Israel ein Mittel, zum Beispiel bei Autos – amerikanische Trucks würden auch bei null Prozent Zoll kaum mehr Menschen kaufen. Aber, Sie haben schon recht: Trumps Fokus auf das Handelsbilanzdefizit, was die Leistungsbilanz mit digitalen Services völlig außer Acht lässt, zeigt Trumps kognitive Begrenzungen – und die seiner Berater wie Peter Navarro. Sein Stab hängt kruden und seit Jahrzehnten widerlegten Theorien nach. Dass der Wechselkurs zum Beispiel nicht die Deindustrialisierung in den USA erklärt, ist seit über 30 Jahren bewiesen.
Wie hart muss die EU in Verhandlungen auftreten?
Man muss Trump schon die Folterwerkzeuge zeigen. Und das wirksamste Werkzeug dürfte wohl eine Art Digitalzoll sein. Es gibt zwar viele Kontroversen darum, aber man muss feststellen, dass es sehr zielgenau wäre.
Warum?
Zum einen trifft man damit Donald Trumps Oligarchennetz. Die vielen Tech-CEOs, die sich mit ihrer Unterstützung für Trump verzockt haben. Und zweitens ist es ohnehin im europäischen Interesse, eine eigene digitale Sicherheitsstruktur aufzubauen. Wir müssen die Clouddienste in Europa hochfahren – das ist seit langem bekannt. Ein Zoll könnte das Thema beschleunigen. Und: Wenn die USA ihren aktuellen Kurs beibehalten, kann man keinem europäischen Unternehmen mehr empfehlen, seine Daten noch bei amerikanischen Unternehmen zu halten. Da reden wir dann von rechtlichen Fragen, ob ein Unternehmen wie Microsoft seine Server physisch in Europa haben muss, wenn es europäische Daten verarbeitet. Auch das ist eine Antwort auf Trump – Regulierung, neben Zöllen.
Die EU hat jetzt in einer ersten Reaktion angeboten, die Zölle auf Industriegüter beidseitig abzuschaffen. Eine gute Idee?
Die EU ist sicher gut beraten, den großen Wurf mit einem umfassenden Freihandel für Industriegüter anzubieten. Ob das Trump allerdings angesichts seiner Fokussierung auf den Handelsbilanzsaldo überzeugen kann, erscheint mir zweifelhaft. Deshalb empfiehlt sich eine Doppelstrategie mit den erwähnten Folterwerkzeugen.
Kurz gesagt: Sie plädieren eher für ein hartes Auftreten gegenüber Donald Trump, statt Steuern runter – und dann wird alles gut?
Egal, wie – es wird nicht alles gut. Trump stellt die funktionierende Weltwirtschaftsordnung auf den Kopf. Wir fallen zurück in bestimmte Situationen der 1920er-Jahre, die jetzt wieder drohen. Nur – vor dem Hintergrund viel stärker verflochtener Märkte – deutlich stärker.
Viele Anleger fragen sich nun, wann die Börsen-Talfahrt endet. Wie lange geht diese Eskalationsspirale von Donald Trump noch weiter?
Wenn er es ernst meint, dass er ein Handelsbilanzbilanzsaldo von null haben will, dann wird das wohl eine endlose Geschichte. Das wäre zwar völlig gaga, aber auszuschließen ist das nicht. Hoffnung macht mir, dass er einige Ausnahmen gemacht hat – zum Beispiel für deutsches Holz und Pharmaprodukte. Da wird ihm wohl jemand deutlich gemacht haben, was die Folgen davon wären. Es wird also auf diese Leute in seinem inneren Kreis ankommen, ob sie ihn zur Vernunft bringen können. Das setzt voraus, dass sie die Bedeutung der Kapitalbilanz erkennen.