Forschung: Eine Genvariante verkürzt bei manchen Menschen das Schlafbedürfnis
Einige Menschen kommen mit erstaunlich wenig Schlaf aus – vier bis sechs Stunden reichen ihnen, um sich am nächsten Tag erholt zu fühlen. Grund dafür könnte eine Genmutation sein

Einige Menschen kommen mit erstaunlich wenig Schlaf aus – vier bis sechs Stunden reichen ihnen, um sich am nächsten Tag erholt zu fühlen. Grund dafür könnte eine Genmutation sein
Die meisten Menschen benötigen mindestens sechs Stunden Schlaf pro Nacht. Bleibt dieser regelmäßig aus, drohen körperliche und psychische Beschwerden – insbesondere bei anhaltendem Schlafmangel. Das liegt daran, dass der Körper im Schlaf nicht nur die Erlebnisse des Tages verarbeitet, sondern auch Zellschäden repariert, die beispielsweise durch Zellteilung entstehen.
Dass manche Menschen deutlich weniger Schlaf benötigen als andere, um sich fit und erholt zu fühlen, ist keineswegs Zufall, sondern kann auch genetische Ursachen haben. Ein internationales Forschungsteam hat nun eine neue Genmutation entdeckt, die das Schlafbedürfnis maßgeblich beeinflusst: Eine Mutation des Gens SIK3.
Die SIK3-N783Y-Mutation verkürzt den Schlaf
Dieses Gen codiert das Protein mit dem Namen Salt-Inducible Kinase 3, welches eine zentrale Rolle bei der Regulation zellulärer Signalwege im Körper spielt, insbesondere aber im Gehirn. Die SIK3-N783Y-Mutation führt dazu, dass die enzymatische Aktivität des Gens vermindert ist. Dadurch verändern sich biochemische Prozesse an den Synapsen, den Verbindungsstellen der Nervenzellen, was sich direkt auf die Schlafregulation auswirkt.
Das Ergebnis ist ein verkürzter nächtlicher Schlaf, berichtet das Forschungsteam um Hongmin Chen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "PNAS".
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten Erbgutuntersuchungen an Personen mit "familiärem natürlichem Kurzschlaf" durchgeführt, also an Menschen, die lebenslang ein relativ gering ausgeprägtes Bedürfnis nach nächtlicher Ruhezeit verspüren. Bei diesen Personen fiel die Mutation im Gen SIK3 auf.
Daraufhin erzeugte das Team diese Genmutation in Experimenten künstlich an Mäusen. Ergebnis: Die Tiere schliefen im Schnitt 30 Minuten weniger pro Tag als ihre Artgenossen ohne Mutation. Die Genmutation wirkt sich also offenbar auf die Schlafregulation aus.
Wie häufig die SIK3-N783Y-Mutation in der Gesamtbevölkerung vorkommt, dazu liegen keine genauen Zahlen vor. Quantitative Angaben zur Verbreitung sind bislang nicht veröffentlicht. Die Mutation scheint laut den Daten, die als Grundlage für die Studie dienten, allerdings eher selten zu sein.
Weitere Gene für Kurzschläfer
SIK3-N783Y ist nicht die erste genetische Variante, die mit einem geringeren Schlafbedürfnis in Verbindung gebracht wird. Bereits zuvor wurden Mutationen in den Genen DEC2, ADRB1, NPSR1, BHLHE41 und GRM1 identifiziert, die ebenfalls den Schlaf-wach-Rhythmus beeinflussen und Menschen zu natürlichen Kurzschläfern machen können. Diese Gene sind an unterschiedlichen Stellen der Schlafregulation aktiv und wirken so zusammen auf die individuelle Schlafdauer.
Die Entdeckung solcher Genvarianten eröffnet neue Möglichkeiten in der Schlafmedizin. Ein besseres Verständnis der genetischen Grundlagen des Schlafs könnte helfen, gezielter gegen Schlafstörungen vorzugehen oder Therapien zu entwickeln, die den natürlichen Schlafbedarf berücksichtigen. Klar ist: Die genetische Vielfalt erklärt, warum das Schlafbedürfnis von Mensch zu Mensch so unterschiedlich ist – und warum manche mit weniger Nachtruhe auskommen als andere.