Cordyceps: Infiziert, gesteuert, getötet: Wie ein Pilz das Verhalten von Ameisen kontrolliert

Er ist ein gruseliges Schauspiel. Der Cordyceps-Pilz macht Ameisen zu Zombies, bevor er aus ihren Kadavern neue Sporen produziert. Könnte er auch Menschen befallen?

Apr 28, 2025 - 12:05
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Cordyceps: Infiziert, gesteuert, getötet: Wie ein Pilz das Verhalten von Ameisen kontrolliert

Er ist ein gruseliges Schauspiel. Der Cordyceps-Pilz macht Ameisen zu Zombies, bevor er aus ihren Kadavern neue Sporen produziert. Könnte er auch Menschen befallen?

Hunderttausende Ameisen wuseln im Amazonas-Regenwald einen Ast entlang. Wie Autos auf einer Straße verlässt keine den scheinbar endlosen Strom. Nur eine krabbelt immer wieder seitlich weg, dreht sich um, beginnt zu zittern. Ihre Beine krampfen sich zusammen. Die Ameise verliert den Halt, fällt mehrere Meter auf den Waldboden. Jetzt ist sie allein, wandert mal hierhin, mal dorthin und krabbelt dann einen Strauch empor. Immer langsamer setzt sie ein Bein vor das andere. Schließlich beugt sie ihren Kopf, beißt sich mit ihren Kiefern im Blatt fest, bevor sie in der Mittagssonne stirbt. Einige Stunden später – kühle Abendluft erfüllt den Urwald – öffnet sich ein Spalt im Exoskelett am Hinterkopf des Insekts, und heraus sprießt ein schmaler brauner Stiel mit weißer Spitze.

So könnte es aussehen, wenn der Ophiocordyceps-Pilz sich einen neuen Wirt sucht. Er wird auch Zombiepilz genannt, denn er übernimmt die Kontrolle über seine Opfer, steuert ihre Bewegungen, bevor er sie von innen auffrisst und sich aus dem Kadaver heraus vermehrt. Diese Technik ist das Ergebnis eines faszinierenden Wettrüstens, das sich der Pilz seit Millionen Jahren mit Ameisen ums Überleben liefert. Und inzwischen hat es Cordyceps sogar zu popkultureller Berühmtheit gebracht. 

Zombifizierung bleibt ein Rätsel

Aber wie funktioniert sein morbides Handwerk genau? Etwa drei Wochen lang wächst der Stiel des Cordyceps aus der toten Ameise. An der Spitze entsteht eine kugelige Verdickung mit winzigen Sporen, die schließlich auf den Boden oder auf Blätter fallen. Die Sporen sind klebrig, sodass sie haften bleiben, wenn eine Ameise sie im Vorbeigehen berührt. Über mehrere Wochen bilden die Sporen auf dem Körper des Insekts kleine Fäden, die schließlich sein Exoskelett durchdringen. 

Was dann passiert, klingt besonders gruselig und ist bis heute nicht abschließend erforscht. Wissenschaftler vermuten, dass bakterienähnlinche Toxine aus dem Pilz die chemischen Signale stören, mit denen Ameisen kommunizieren. Deshalb reagiert die infizierte Ameise nicht mehr auf Artgenossinnen. Der Pilz setzt außerdem etwa Sphingosin frei, einen Aminoalkohol, der die Nerven angreift. Eventuell beeinflusst Cordyceps auch direkt das Gehirn der Ameisen. Unumstritten ist: Der Pilz steuert jetzt die Ameise. Sie krabbelt umher, bis sie sich auf einem Blatt oder Baumstamm festbeißt, wo perfekte Bedingungen für Cordyceps herrschen. Erst hier – mit genug Schatten, genug Licht, der richtigen Feuchtigkeit und Temperatur – stirbt die Ameise endlich, und Cordyceps kann wieder neu wachsen und weitere Sporen produzieren. 

Diese raffinierte Überlebenstechnik hat der Pilz über viele Millionen Jahre ausgebildet. Seine Vorfahren infizierten etwa Käfer und Insektenlarven, töteten und wuchsen aus den Kadavern, ohne sie vorher zu kontrollieren. Forschende vermuten, dass sich das änderte, als Cordyceps-Urahnen versuchten, Ameisen zu befallen. Im Gegensatz zu den Käfern waren die in großen Gruppen unterwegs und passten sich schnell dem neuen Feind an. Sie entwickelten etwa eine Art Hygiene-Regime, indem sie sich gegenseitig putzten, um die Sporen abzustreifen. Starb dennoch eine Ameise, zerstörten sie den Kadaver oder trugen ihn so weit von ihrer Kolonie weg, dass der Pilz keine weiteren Ameisen infizieren konnte. Der Fungus wiederum passte sich an, indem er lernte, die Insekten zu kontrollieren und sie aus ihrer Kolonie wegzuführen. Weit genug, um sich zu vermehren, und nah genug, dass die neuen Sporen weitere Ameisen als Wirte finden konnten. 

Könnte Cordyceps auch Menschen befallen?

Seine Ameisen-Zombifizierung hat Cordyceps inzwischen zu einem popkulturellen Phänomen gemacht. Gerade ist die zweite Staffel der Serie "The Last of Us" erschienen. Sie basiert auf einem gleichnamigen Videospiel und geht davon aus, dass Cordyceps auch Menschen befällt. Die mutieren dann zu Zombies, die nichts anderes im Sinn haben, als weitere Menschen zu infizieren. Wie realistisch ist das? Die Biologin Ann Mayo von der Longwood-Universität in den USA erforscht Ameisen. "Cordyceps-Pilze sind spezialisiert auf bestimmte Spezies und können deshalb keine Säugetiere befallen", sagt sie in einem Youtube-Video. Manche Pilze, wie Fußpilz oder Hefepilze, griffen zwar auch Menschen an, "aber sie machen aus uns keine Zombies. Damit das passiert, müsste es ein ganz anderer Fungus sein."

Einige Cordyceps-Arten befallen zwar neben Ameisen auch andere Insekten, aber für Menschen ist der Zombiepilz keine Gefahr. Die Ameisen haben sich immerhin angepasst. Sie meiden den Waldboden und die Nähe zu infizierten Kadavern, wo besonders viele Sporen lauern. Und schließlich: Für das ökologische Gleichgewicht sind Cordyceps und seine Zombie-Ameisen wichtig: Sie sorgen dafür, dass die Ameisen im Ökosystem nicht zu dominant werden.