EU-Beschwerde: Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten: Schluss mit der Zerstörung!
Grundschleppnetze fegen den Meeresboden leer – werden aber selbst in Schutzgebieten immer noch erlaubt. NGOs haben nun Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Zu Recht

Grundschleppnetze fegen den Meeresboden leer – werden aber selbst in Schutzgebieten immer noch erlaubt. NGOs haben nun Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Zu Recht
Stellen Sie sich vor, jemand fährt mit einem Bulldozer durch ein Moorgebiet, das unter Naturschutz steht. Immer und immer wieder. Natürlich nicht einfach so. Sondern, sagen wir, um ein bisschen Torf abzubauen. Grundschleppnetzfischerei ist ähnlich zerstörerisch. Und trotzdem erlaubt – sogar in einigen Teilen der streng geschützten Nationalparks im deutschen Wattenmeer.
Dabei ziehen Trawler Netzgeschirre über den Meeresgrund, um Bodenfische und Krabben zu fangen. Was Umwelt- und Naturschutzorganisationen seit vielen Jahren kritisieren: Neben den sogenannten Zielarten sterben weitere Tiere, die den Netzen nicht entkommen können. Nicht nur tonnenweise Krebse, Seesterne, Schnecken – auch teils streng geschützte Meeressäuger enden als "Beifang".
Zudem wird der Meeresboden massiv geschädigt. Vor allem die Scherbretter an den beiden Seiten der Netzöffnung pflügen das Sediment regelrecht um. Und bei der Zersetzung der aufgewirbelten organischen Stoffe durch Mikroben entstehen große Mengen Kohlenstoffdioxid – was den Klimawandel befeuert.
Kurzum: Die Fangmethode ist ineffizient – und etwa so zerstörerisch wie die Dynamitfischerei. Dabei ist sie nur das i-Tüpfelchen unter zahlreichen weiteren Stressfaktoren, denen die Meere und ihre Lebewesen ausgesetzt sind: Lärm und Dreck durch Schifffahrt, militärische Aktivitäten, Baggerarbeiten, Arbeiten an Windparks, Erdöl- und Erdgasförderung. Es ist keine Übertreibung, Nord- und Ostsee Industriegebiete zu nennen.
© Thünen-Institut für Ostseefischerei
Umso wichtiger ist konsequenter Schutz vor der destruktivsten Form der Fischerei. Doch den gibt es vorerst nur auf dem Papier: In 85 Prozent der deutschen Natura-2000-Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee wird nach Angabe von Umweltorganisationen derzeit mit Grundschleppnetzen gefischt. Also in Schutzgebieten von europäischem Rang, eigentlich gedacht als sichere Zufluchtsorte für die Tier- und Pflanzenwelt. Allein im Nationalpark vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste wurden demnach zwischen 2020 und 2024 jedes Jahr mehr als 32.800 Stunden Schleppnetze über den Meeresgrund geschleift.
Nun hat eine Koalition europäischer NGOs, darunter die Deutsche Umwelthilfe, Beschwerde gegen Deutschland, Frankreich und Italien bei der EU-Kommission eingereicht. Das Ziel: ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die genannten Länder und eine Ahndung der Verstöße gegen nationales und europäisches Recht durch den Europäischen Gerichtshof.
Einmal mehr könnte sich nun erweisen, dass Europa beim Naturschutz schon weiter ist als viele seiner Mitgliedsländer, darunter Deutschland. Denn laut dem gemeinsam beschlossenen EU-Meeresaktionsplan sollte die Grundschleppnetzfischerei in allen Natura-2000-Gebieten schon seit März 2024 verboten sein – und in allen übrigen Meeresschutzgebieten bis zum Jahr 2030.
Immerhin fünf Jahre haben Deutschland, Frankreich und Italien nun Zeit, die Bulldozer des Meeresgrundes aus ihren Schutzgebieten zu verbannen. Und zu zeigen, dass es ihnen Ernst ist mit dem Schutz der Meere.