Auch aufgrund des möglichen Chrome-Verkaufs? Google beerdigt Cookie-Aus

Google wird Third Party Cookies weiterhin in Chrome ausspielen – mit einer Ausnahme. Jahrelange Vorbereitungen auf das Ende sind damit zur vergeblichen Liebesmüh verkommen. Die Zukunft der Privacy Sandbox scheint ungewiss, die der Zugehörigkeit von Chrome zu Google aber auch.

Apr 24, 2025 - 12:10
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Auch aufgrund des möglichen Chrome-Verkaufs? Google beerdigt Cookie-Aus

Jetzt ist es also ganz deutlich, Google wird im eigenen Browser Chrome auch künftig weiterhin Third Party Cookies anzeigen. 2020 schockte Google die Werbebranche, als das Unternehmen ankündigte, ab 2022 keine Third Party Cookies mehr in Chrome zu unterstützen. Ab dann sollten Werbetreibende, Publisher und Co. auf Alternativlösungen setzen. Doch die Deadline wurde immer wieder verschoben, weil das gesamte Werbeökosystem mehr Zeit benötigte, um sich umzustellen. Zuletzt war das Ende der Third Party Cookies in Chrome auf 2025 verschoben worden, doch schon im Sommer 2024 kündigte Google an, nicht an diesem Ende festhalten zu wollen. Allerdings sollten User die Kontrolle über das Tracking übernehmen. Doch kürzlich erklärte Anthony Chavez, Googles VP für die Privacy Sandbox, in einem Blog Post:

[…] [W]e’ve made the decision to maintain our current approach to offering users third-party cookie choice in Chrome, and will not be rolling out a new standalone prompt for third-party cookies. Users can continue to choose the best option for themselves in Chrome’s Privacy and Security Settings.

Die Branche dürfte zum Teil aufatmen, da sich Werbetreibende weiterhin auf die Cookies als Targeting-Basis verlassen können. Andererseits könnten jene verärgert sein, die viel Zeit und Geld in die Entwicklung von alternativen Lösungen, etwa über die Privacy Sandbox, gesteckt haben. Die Privacy Sandbox Googles nimmt ab jetzt eine untergeordnete Rolle ein und muss ihren Platz im Ökosystem neu evaluieren. Derweil könnten User von Googles Entscheidung, auf einen Browser mit Third Party Cookies zu setzen, enttäuscht sein. Immerhin bieten andere Browser per Default an, diese Cookies zu blockieren. Eine ähnliche Option gibt es immerhin im Incognito-Modus. Vielleicht hat Google aber auch schon einen etwaigen Verkauf von Chrome im Hinterkopf gehabt, als diese Ankündigung veröffentlicht wurde.


Kein Cookie-Aus bei Google –
so reagiert die Branche

© sarah b – Unsplash (Veränderungen vorgenommen, dupliziert)


Cookie-Aus bei Chrome passé: Alternativlösungen nicht umsonst entwickelt

Googles Anthony Chavez zählt unterschiedliche Ansichten von Advertisern, Publishern, Regulator:innen und Entwickler:innen zu den Gründen, die eine klare Weiterentwicklung von Alternativlösungen zum Einsatz von Third Party Cookies erschweren. Über Jahre hinweg wurden zwar einige Optionen wie Topics entwickelt und erprobt. Doch zu einer belastbaren Lösung für alle kam es noch nicht. Schließlich haben verschiedene Unternehmen auch mit Alternativen unterschiedlicher Fasson gearbeitet, etwa ID-Ansätzen. Jetzt, da der Verbleib der Third Party Cookies bei Chrome endgültig beschlossen ist, kommen viele Folgeentwicklungen auf die Branche zu. Zum einen wird die Privacy Sandbox womöglich an Relevanz verlieren. Chavez schrieb:

[…] In light of this update, we understand that the Privacy Sandbox APIs may have a different role to play in supporting the ecosystem. We’ll engage with the industry to gather feedback and share an updated roadmap for these technologies, including our future areas of investment, in the coming months […].

Doch all die Arbeit an Alternativen ist nicht vergebens, auch wenn die Cookies nun weiterhin als Tracking-Element genutzt werden können. So sagte uns Stephan Jäckel, Geschäftsführer bei emetriq:

Googles Rückzieher beim angekündigten User-Prompt für Third-Party-Cookies in Chrome ist kein Zeichen der Entwarnung – sondern ein Beleg dafür, wie schwierig der Umbau des digitalen Werbemarkts tatsächlich ist. Ersatzlösungen wie die Privacy Sandbox sind noch nicht einsatzbereit -vor allem nicht als skalierbare Antwort auf die Herausforderungen des Open Webs. Die Entscheidung zeigt: Wer auf den nächsten Plattformschritt wartet, statt eigene Strategien zu entwickeln, bleibt abhängig. Wir bei emetriq setzen bewusst nicht auf einzelne Lösungen, sondern auf ein modulares, signal-agnostisches Setup. Unser Ansatz kombiniert verschiedene ID- und Kontextsignale – darunter Cookie-IDs, Login-basierte IDs, alternative ID-Lösungen und modellierte anonyme Zielgruppen ganz ohne IDs. So schaffen wir technologische Unabhängigkeit – heute schon, und nicht erst morgen. Googles Entscheidung ändert nichts an unserem Ziel: Das Open Web wettbewerbsfähig zu halten. Dazu gehört, technologische Abhängigkeiten zu hinterfragen – und konkrete Alternativen marktfähig zu machen. Auch wir leisten dazu unseren Beitrag.

Einzelne Player haben die Möglichkeit, sich im differenzierten Werbeökosystem mit speziellen Lösungen zu behaupten; gerade, wenn diese auch unabhängig von Chrome funktionieren. Frazer Locke, SVP International Sales bei TripleLift, meinte:

Die Entscheidung von Google kommt wenig überraschend. Seit der Ankündigung im Jahr 2020 gab es immer wieder Verzögerungen sowie Bedenken aus der Adtech-Branche – insbesondere mit Blick auf mögliche negative Auswirkungen auf die Nutzererfahrung und die Werbeeinnahmen. Für Tech-Unternehmen, die bereits in cookielose Targeting-Lösungen investiert haben, mag das frustrierend sein. Ihre Arbeit war jedoch nicht umsonst: Diese Lösungen ermöglichen es Unternehmen, flexibel auf Cookie-Beschränkungen zu reagieren und – wo es erlaubt ist – weiterhin wertvolle Erkenntnisse aus First- und Third-Party-Daten zu gewinnen. Wir bleiben zuversichtlich. Die Nutzererfahrung in Chrome wird sich voraussichtlich kaum negativ auf technologische Entwicklungen auswirken. Gleichzeitig bietet sie den Usern mehr Kontrolle über ihre Privatsphäre – indem sie selbst entscheiden können, wie Cookies eingesetzt werden.

User-Kontrolle soll Datenschutz fördern

Die User können indes mehr Kontrolle über den Datenschutz im Browser-Kontext ausüben. Entweder sie nutzen Alternativen wie Safari oder Firefox – Chrome hat allerdings weltweit noch immer einen Marktanteil von über 66 Prozent, so Statcounter – oder sie nutzen Zusatzoptionen wie den Incognito-Modus Chromes. Dieser blockiert Third Party Cookies per Default und soll ab dem dritten Quartal 2025 eine IP Protection bieten. Zudem haben User die Option, über die Einstellungen im Chrome Browser Cookies zu blockieren, zuzulassen und zu verwalten. Das kann aber dazu führen, dass nicht alle Funktionen auf Websites problemlos ausgeführt werden.

Überhaupt möchte Google Chrome als sicheren Browser weiterentwickeln, ohne dabei die Advertiser zu verschrecken. Dabei hätte die Unabhängigkeit von Third Party Cookies Google womöglich sogar in die Karten spielen können, sofern sich Alternativlösungen aus der Sandbox mit klarem Fokus auf Googles Systeme umfassend durchgesetzt hätten. Mit der Wahrung des Status quo in Sachen Third Party Cookies verlässt sich Google auf eine Konsistenz im Werbemarkt, die vielen Advertisern zumindest kurzfristig zugutekommen dürfte.

Zudem könnte noch ein anderer Gedanke dafür sorgen, dass Google derzeit keine ganz großen Veränderungen für Chrome vorsieht: In den USA steht die Alphabet-Tochter nach der Zuschreibung eines Monopolstatus im Search-Ad-Markt vor etwaigen juristischen Konsequenzen, die sich aus illegitimer Marktmachtsicherung ergeben könnten. Im Raum steht die Abspaltung von Chrome. In den Vereinigten Staaten wird aktuell vor Gericht darüber verhandelt, ob es dazu kommt. Laut Bloomberg soll das KI-Unternehmen OpenAI bereits Interesse bekundet haben.