Staatsanleihen für mehr als sechs Milliarden Dollar tokenisiert

Traditionelle Finanzprodukte zu tokenisieren gilt als eine der stärksten Anwendungen von Blockchains. Das passiert nun - und eine globale Finanzinstitution beobachtet die Entwicklung nicht ohne Sorge.

Apr 24, 2025 - 17:46
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Staatsanleihen für mehr als sechs Milliarden Dollar tokenisiert

Traditionelle Finanzprodukte zu tokenisieren gilt als eine der stärksten Anwendungen von Blockchains. Das passiert nun – und eine globale Finanzinstitution beobachtet die Entwicklung nicht ohne Sorge.

Die Staatsanleihe ist das Graubrot der Finanzen: unspektakulär, aber sättigend. Mit niedrigen Zinsen, aber hoher Sicherheit bildet sie eine feste Säule im Portfolio von Privatanlegern und Institutionen.

Nun scheint die Staatsanleihe langsam, aber sicher als Token auf der Blockchain anzukommen. Kürzlich erreichte diese Entwicklung einen Meilenstein: Staatsanleihen im Umfang von mehr als sechs Milliarden Dollar wurden tokenisiert. Anfang des Jahres waren es noch vier Milliarden. Die Bewegung nimmt sichtbar Fahrt auf.

Tokenisierte US-Staatsanleihen nach RWA.xyz

Hinter dieser Welle stehen oft relativ traditionelle Finanzinstitutionen wie BlackRock, Franklin Templeton und Ondo Finance. BlackRocks „BUIDL“ ist mit fast 2,5 Milliarden Dollar deutlich führend, gefolgt von Franklin Templetons BENJI mit 700 Millionen, Superstates USTB mit 650 Millionen, Ondos USDY mit 586 und Circles USYC mit 491 Millionen Dollar. Insgesamt gibt es bereits eine verwirrende Vielzahl an Anbietern.

So gut wie keine Rolle spielen dagegen nicht-amerikanische Staatsanleihen. Hier ist allenfalls Spikos EUTBL zu nennen, der derzeit rund 163 Millionen Dollar in Staatsanleihen der Eurozone hält.

Technisch gesehen laufen die allermeisten Staatsanleihen auf Ethereum. Von den sechs Milliarden Dollar in US-Treasury-Token sitzen 4,5 Milliarden auf Ethereum, der Rest verteilt sich auf Stellar, Solana, Arbitrum, Avalanche und eine Vielzahl kleiner Blockchains oder Rollups.

Verteilung der Marktkapitalisierung der Staatsanleihen auf Blockchains nach RWA.xyz

Staatsanleihen bilden den Kern der „RWAs“, was die Abkürzung für „Real World Assets“ meint. RWAs bezeichnen klassische Finanzinstrumente wie Anleihen, Kredite oder Aktien, die eben als Token auf einer Blockchain landen.

Durch RWAs können „Dezentrale Börsen zum Mainstream werden“

Mit RWAs beschäftigt sich auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BiZ) in einem kürzlich erschienenen Paper. Die „Zentralbank der Zentralbanken“ widmet sich dabei vor allem der Verbindung von traditionellen Finanzen (TradFi) und dezentralen Finanzen (DeFi).

Weil sich diese Verbindung mittlerweile „vertieft“ habe, fragen die Autoren des Papers, welche Risiken dies mit sich bringt und welche Standards zu setzen sind. DeFi, erklärt das Papier, „ahmt die Funktionen von Mittelsmännern in TradFi nach“, spiele aber bisher „nur eine geringe bis gar keine Rolle dabei, die Bedürfnisse der Realwirtschaft zu finanzieren. Kein Haushalt kann auf DeFi-Protokolle setzen, um eine Hypothek aufzunehmen und ein Haus zu kaufen, kein Unternehmen kann Risiken der echten Welt durch eine DEX hedgen …“. Dies mag sich in Zukunft ändern, doch bisher sei DeFi „ausschließlich selbstreferenziell, indem es das Krypto-Ökosystem bedient, ohne seine Dienstleistung in die Realwirtschaft hinauszuführen.“

Die bisher dünne Verbindung zwischen DeFi und dem traditionellen Finanzwesen sowie der Realwirtschaft wurde aber in den vergangenen Jahren immer stärker. Eine wichtige Rolle spielt dabei „die Tokenisierung von Real-World Assets“. Wenn in Zukunft immer mehr traditionelle Assets tokenisiert und im DeFi-Universum gehandelt werden – was wahrscheinlich sei – „wird die selbstreferenzielle Natur von DeFi der Vergangenheit angehören.“ Eine immer weitere Gruppe von Institutionen „kann beginnen, teilzunehmen, und Teile der Infrastruktur, die heute DeFi ausmacht, etwa Dezentrale Börsen (DEXs), werden zum Mainstream werden.“

Wenn man zu tief in ein Loch schaut, schaut das Loch zurück

RWAs, wie eben Staatsanleihen, können also DeFi mit TradFi und der Realwirtschaft verbinden. Für die BiZ ist das eine eher besorgniserregende Aussicht, die nach regulatorischer Zuwendung verlangt. Man müsse dafür sorgen, „dass die Risiken, die durch Krypto und DeFi generiert werden, nicht in essenzielle Teile von TradFi und in die Realwirtschaft hinüber schwappen“. Finanzinstitutionen, die sich entscheiden, mit dem Krypto-Ökosystem zu interagieren, sollten diese Risiken penibel einschätzen.

Doch auch Krypto-User haben Grund, die Entwicklung mit Misstrauen zu beäugen. Denn so, wie RWAs Krypto ins traditionelle Finanzwesen bringen, bringen sie die Auflagen des traditionellen Finanzwesens zu Krypto. Kein RWA bietet die Autonomie und Freiheit, wie sie für Krypto-Token üblich ist. Stattdessen sind die tokenisierten Staatsanleihen verifizierten Anlegern vorbehalten, in der Regel qualifizierten oder akkreditierten Investoren, und die Token können nur an User auf eine Whitelist überwiesen werden. Dies ist nicht nur aus idealistischen Gründen ein Desaster, sondern wird auch die Integration in DeFi-Protokolle erheblich verlangsamen, wenn nicht komplett behindern.

Mit sechs Milliarden Dollar haben die tokenisierten Staatsanleihen zwar einen kleinen Meilenstein erreicht. Die Summe ist aber eher ein Tropfen im Ozean der Märkte für Anleihen, noch längst nicht auf dem Niveau, dass sich Institutionen Sorgen machen müssen. Noch kleiner sind die Sparten der tokenisierten Aktien (370 Millionen Dollar) oder der klassischen Fonds (447 Millionen Dollar).

Mehr Kapital ist in den tokenisierten Rohstoffen, nämlich fast 1,5 Milliarden Dollar. Diese meinen aber vor allem die Gold-Token von Paxos und Tether, die, immerhin, frei auf Uniswap und anderen Börsen zu handeln sind.