20 Jahre "GNTM": Was ist das Anti-Aging-Geheimnis von Heidis Show?

Wie sich Heidi Klum 20 Jahre lang mit "GNTM" im Showbiz behaupten konnte, wie die Show uns Frauen geprägt hat und warum die Siegerin der 20. Staffel längst feststeht

Als Heidi Klum im Januar 2006 erstmals auf den deutschen TV-Bildschirmen auftauchte, um das nächste deutsche Topmodel zu suchen, war sie 31 und hatte gerade ihr erstes Kind bekommen, Leni. Ich saß im Deutsch-LK, quälte mich mit Gedichtinterpretationen herum. In den Pausen redeten ALLE über diese neue Castingshow. Auch die Jungs. Wir trafen uns donnerstags zum Erdbeersekt-Trinken, fieberten mit der 16-jährigen Lena Gercke und träumten heimlich selbst davon, unser Gesicht irgendwann auch auf einem Magazincover zu sehen. Und wir lachten über fiese Jurykommentare. Bodyshaming galt damals noch als gute Unterhaltung. Zum Glück standen wir ja nicht selbst vor der Jury.

Galt damals noch als gute Unterhaltung: Bodyshaming

 "Sie hat sich schlichtweg verdoppelt", schimpfte Jurymitglied Thomas Rath in einer frühen Staffeln über eine Bewerberin mit Beinen bis zum Himmel. Auf Bewerbungsfotos sei sie dünner gewesen. "Es ist natürlich nicht gut, dass du jetzt so zugelegt hast", so Rath. "Du bist ja ganz schön drall geworden." Auch Heidi runzelte die Stirn. 

Als heranwachsende Zuschauerin blieb vor allem hängen: Wenn selbst die zu dick ist, was bin dann ich? Kein Wunder also, dass eine IZI-Studie ergab, "GNTM" könne dazu beitragen, dass Mädchen eine Essstörung entwickeln und die Show insgesamt eine zerstörerische Wirkung auf Betroffene hat. Vor allem dann, wenn Szenen auftauchen, in denen Heidi Klum den Kandidat:innen etwa zurief, sie sollen ihren Bauch einziehen, weil sonst alles rausfällt. 

"GNTM" hat nochmal die Kurve gekriegt

Heute, 20 Jahre später, ist alles anders. Dem Erdbeersekt habe ich mittlerweile abgeschworen, "GNTM" schaue ich – erstaunlicherweise – immer noch. Oder besser gesagt: wieder. Vielleicht, weil heute mehr denn je der Spaß im Vordergrund steht. Außerdem lautet das Motto heute her: Bauch raus. 
Naja, fast. In jedem Fall ist wieder ordentlich Wumms in der Bude gekommen, seit sich Heidi Diversity auf die Fahne geschrieben hat und auf meinungsstarke, laute Gastjuror:innen wie Designerin Marina Hoermanseder setzt statt sexistische "Prachtkerle" wie Philipp Plein. 2021 gewann bereits Trans-Model Alex, 2022 kämpften Best Ager um den Titel, 2023 holte Curvy Model Vivien ihn. Zuletzt kamen Männer dazu. 

Die Presse liebt es "GNTM" zu verreißen 

Herrlich auch: Heidis Mut zum Trash, wenn sie etwa gemeinsam mit Gatte Tom am Klavier im Live-Finale höchstselbst den Titelsong zum Besten gibt. Die deutsche Presse fällt sowieso jedes Jahr hingebungsvoll über Heidi und "GNTM" her. Früher wegen der Schönheitsideale, die dort vertreten wurden und auch immer wieder wegen Heidis Moderationskünste, über die Spiegel-Journalistin Anja Rützel einmal resümierte: "Schlimm, dreist und dilettantisch wie immer". Zwanzig Jahre "GNTM", 20 Jahre Hate-Watch. Ich bin da genügsamer und lasse mich gerne von Heidi in ihre (Schein-)Welt entführen. Lasse mir von verrückten Catwalk-Trainern zeigen, wie ich es hinkriege, dass meine "Handetasche lebendig" wird. Kann ja nicht schaden. 

Kritik? Lässt Heidi an sich abprallen

Heidi lässt Kritik auch sowieso nicht wirklich an sich heran. Wenn sie Lust auf ein Feature mit Snoop Dogg hat und den Titelsong selbst beisteuern will, macht sie das. Wenn sie ihre Familie bei der Arbeit um sich haben möchte, holt sie Leni, Bill und Tom in ihre Jury. 

Wie divers nun die neue Staffel ist? Na ja, geht so. Auf den ersten Blick sieht man überwiegend junge schlanke Mädels. Das erste Curvy Model bekommt einen langen Einspieler, fliegt aber direkt raus. Ähnliches blüht einer Best-Agerin. Immerhin: Mittwochs gibt es jetzt eigenen Männerfolgen. Im Einspieler wimmelt er vor Sixpacks, Bierbäuche wurden nicht gesichtet. 

Der "Klumlitz"-Clan ist der wahre Sieger

Der wahre Gewinner der neuen Staffel steht sowieso schon fast: Leni, die als Gast-Jurorin gleich in Folge eins mit aussieben darf – obwohl sie selbst nur 1,65 ist und eine üppige Oberweite hat. 2006 hätte auch sie nicht den Hauch einer Chance gehabt und vielleicht vor dem Fernseher – wie so viele andere junge Frauen – an sich selbst gezweifelt. 

Heute hat sie zusammen mit ihrer Mutter das Sagen und bringt die Sicht der Gen Z mit in die Show ein. Falls sie eines Tages Heidis Thron übernimmt, spricht nichts gegen weitere 20 Staffeln, die uns mitnehmen nach L.A., zu spektakulären Shootings, auf Catwalks und zum Umstyling ... Ein bisschen Glamour und Zerstreuung als Narkotikum gegen die allgemeine Krisen- und Zukunftsangst. Dazu passt vielleicht, dass in der neuen Staffel auffällig viele Bewerber:innen nicht direkt von einer Modelkarriere träumen, sondern von einem neuen Leben. 

2045 würde ich es, kurz vor der Rente, dann vielleicht auch nochmal wagen: als rothaariges Petite, Curvy UND Best-Ager-Model könnten meine Chancen doch kaum besser sein?!