Migräne und Co.: Warum es sich lohnt, ein Kopfschmerztagebuch zu führen – und wie es geht
Gängige Kopfschmerzarten werden allein anhand von Symptomen diagnostiziert. Ein Kopfschmerztagebuch, in dem Beschwerden und Lebensumstände notiert werden, ist hierfür sehr hilfreich

Gängige Kopfschmerzarten werden allein anhand von Symptomen diagnostiziert. Ein Kopfschmerztagebuch, in dem Beschwerden und Lebensumstände notiert werden, ist hierfür sehr hilfreich
Bei manchen beginnen sie schleichend, bei anderen wie ein Donnerschlag: wiederkehrende Kopfschmerzen, von drückend und ziehend bis heftig hämmernd und pochend. Forschende haben inzwischen mehr als 300 unterschiedliche Kopfschmerzarten identifiziert.
Die häufigsten sind Migräne und Spannungskopfschmerzen. Sie entstehen durch physiologische Veränderungen im Gehirn und werden durch Überlastung verstärkt. Andere Kopfschmerzarten sind Folge einer Erkrankung. Je nach Ursache ist eine andere Therapie notwendig und sinnvoll. Allerdings gibt es bis heute keine zuverlässige Messmethode und keinen Bluttest, mit dem sich feststellen ließe, um welche Form es sich handelt.
Wie findet man also heraus, was den Kopfschmerz auslöst? Und wie kann man ihn verhindern? Um die Schmerzen einordnen und die richtige Therapie wählen zu können, empfehlen Fachleute, ein Kopfschmerztagebuch oder einen Kopfschmerzkalender zu führen. Es ist für Ärztinnen und Ärzte sogar das wichtigste Diagnoseinstrument bei Kopfschmerzen und Migräne. Deshalb ist es ratsam, die (oft lange) Wartezeit auf den Facharzttermin zu nutzen, um vor dem ersten Arztbesuch mit den Aufzeichnungen zu beginnen.
Mögliche Auslöser sollten im Kopfschmerztagebuch festgehalten werden
Das Prinzip ist dabei immer das gleiche: Jede Schmerzattacke wird in all ihren Details erfasst. Es gilt, die Symptome genau zu beobachten und zu beschreiben. Zieht es in der Stirn oder drückt es am Hinterkopf? Pocht der Schmerz einseitig hinter dem Auge oder umspannt er den gesamten Schädel? Gibt es migränetypische Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Sehstörungen, Licht- oder Geräuschempfindlichkeit? Verstärkt sich der Schmerz bei Anstrengung oder durch Kopfschütteln?
Neben Datum, Art, Stärke und Dauer des Schmerzes sollten Medikamente sowie mögliche Auslöser, etwa Stress, Schlafverhalten, Sport, Menstruation, Infektionen, Rauchen, Kaffeekonsum oder Art und Zeitpunkt von Mahlzeiten im Kopfschmerztagebuch festgehalten werden.
Ein Kopfschmerzkalender hilft, Schmerzmittel zu reduzieren
Die Dokumentation erleichtert Ärztinnen und Ärzten die Diagnose. Denn je genauer und umfassender das Bild des Schmerzes ist, desto leichter kann ein Mediziner die passende Therapie festlegen. Darüber hinaus wird empfohlen, im Kopfschmerztagebuch auch Schönes festzuhalten – zum Beispiel, wenn man etwas gemacht hat, das wegen der Schmerzen lange nicht möglich war. So beschäftigt man sich nicht nur mit der Pein.
Inzwischen haben mehrere Studien die Wirksamkeit von Kopfschmerzkalendern nachgewiesen. Sie zeigen eine Reduktion der Kopfschmerztage und eine verminderte Einnahme von Medikamenten. Letzteres ist vor allem deshalb wichtig, weil Schmerzmittel nicht dauerhaft an mehr als an zehn Tagen im Monat eingenommen werden sollten. Andernfalls tritt ein Gewöhnungseffekt ein, der die Mittel nicht nur unwirksam werden lässt, sondern die Kopfschmerzen sogar verschlimmert ("Medikamentenübergebrauchskopfschmerz").
Zum Download: Der Kopfschmerzkalender der DMKG
Doch wo findet man einen passenden Kopfschmerzkalender? Vorlagen gibt es im Internet zum Selberausdrucken, zum Beispiel von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (Link).
Noch praktischer sind entsprechende Smartphone-Apps – oft kostenlos und von Krankenkassen und Kliniken entwickelt. In den meisten Apps lassen sich statistische Auswertungen und Grafiken zum Krankheitsverlauf erstellen. In der "Migräne-App" der Schmerzklinik Kiel etwa können Nutzer herausfinden, unter welcher Art von Kopfschmerz sie leiden und wie hoch ihr Risiko für chronischen Kopfschmerz oder Migräne ist. Zudem finden sie einen Schnelltest zur Bestimmung des optimalen Zeitpunktes für die Einnahme bestimmter Akutmedikamente.
Apps schneiden dabei sogar um einiges besser ab als Papierkalender. So hatten App-Nutzer in Studien aus Kiel und den USA schon nach einigen Wochen bis zu neun Tage weniger Kopfschmerzen pro Monat als zuvor. Studienteilnehmer berichteten, dass die App ihnen helfe, den vom Arzt erstellten Therapieplan und die Maßnahmen zur Kopfschmerzreduktion einzuhalten. Ärzte wiederum können anhand des Tagebuchs überprüfen, ob eine Behandlung wirkt und beispielsweise Migränetage tatsächlich weniger werden.
Manche Apps bieten Entspannungsübungen zur Schmerzlinderung bei Migräne an
Einige Kopfschmerztagebuch-Apps bieten außerdem Zusatzfunktionen wie Entspannungsverfahren, Erinnerungen an Pausen, Sportübungen oder regelmäßige Schlafenszeiten an; sowie Wissen rund um Kopfschmerzen und Kontakt zu Selbsthilfegruppen oder Livechats. Speziell die in manchen Apps enthaltenen Programme zu Progressiver Muskelrelaxation oder Autogenem Training können bei regelmäßiger Anwendung nachweislich die Kopfschmerztage reduzieren.
Ein Manko haben einige Tagebuch-Apps jedoch: Die sensiblen Gesundheitsdaten sind nicht immer gut geschützt. Manche Anbieter geben sie an Dritte weiter oder werten sie aus, um ihren Service zu verbessern. Idealerweise sollten persönliche Informationen aber nur lokal auf dem Smartphone gespeichert oder zumindest ausschließlich in anonymisierter, verschlüsselter Form übermittelt werden. Wer sichergehen will, sollte sich die Datenschutzrichtlinien der jeweiligen App durchlesen. Die "Migräne-App" der Schmerzklinik Kiel und die App "Headache Hurts" garantieren, keine Daten an Dritte weiterzugeben.
Ob digital oder doch lieber analog: Für Menschen, die unter wiederkehrenden Kopfschmerzen leiden, kann es sich auf jeden Fall lohnen, ein Tagebuch einmal auszuprobieren – und den eigenen Schmerzen nachzuspüren.