Viel Gefühl und KI: »21 Tage Stille« erinnert an die Toten im Mittelmeer

Wie findet man einen Umgang mit der Tragödie, die sich auf dem gefährlichen Fluchtweg im Mittelmeer abspielt? Der Verein zur Seenotrettung Sea-Eye e.V. hat mit der Agentur Thjnk und Partnern eine starke Antwort gefunden, die sich gleichzeitig ...

Feb 28, 2025 - 17:29
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Viel Gefühl und KI: »21 Tage Stille« erinnert an die Toten im Mittelmeer

Wie findet man einen Umgang mit der Tragödie, die sich auf dem gefährlichen Fluchtweg im Mittelmeer abspielt? Der Verein zur Seenotrettung Sea-Eye e.V. hat mit der Agentur Thjnk und Partnern eine starke Antwort gefunden, die sich gleichzeitig gegen die aktuelle Stimmung im Land stemmt.

Im September ist es 10 Jahre her, dass das Bild des kleinen Alan Kurdi die Menschen erschütterte. Gerade mal drei Jahre  alt ist der kleine syrische Junge geworden, dessen Leichnam an den Strand nahe Bodrum gespült wurde.

Damals hoffte man, dass diese Tragödie dazu führen würde, dass spätestens jetzt die Fluchtrouten sicherer werden. Doch es hat sich nichts getan. Außer, dass die Menschen sich an die schrecklichen Nachrichten gewöhnt haben, die regelmäßig von der gefährlichsten Fluchtroute der Welt zu uns kommen.

Umso wichtiger ist es, den Blick auf diese inhumane Situation zu lenken. Gerade auch in der aktuellen politischen Lage.

Im Münchner Gasteig, Europas größtem Kulturzentrum, machen das jetzt die zivile Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V. mithilfe der Kreativagentur thjnk, Seven.One AdFactory und dem Kulturverein Fat Cat.

Und das in einem »Raum der Stille«, mit dem sie schaffen, eine Form für das Leid zu finden.

Ins Meer hinab

»21 Tage Stille« haben die Kreativen ihre Installation genannt, die in 30.411 Schweigeminuten an die verlorenen Leben erinnert. Eine Minute für jede(n) der 30.411 Menschen, die seit 2014 auf der Flucht über das Mittelmeer ertrunken sind oder als vermisst gelten. Und deren Dunkelziffer noch viel höher ist.

Für deren Schicksal finden sie die richtigen Bilder. Und das in Form einer in Echtzeit generierten Unterwasser-Animation, die mithilfe künstlicher Intelligenz in jeweils einminütigen Videos von einem der Schicksale erzählt und sich dabei den Lichtverhältnissen in München anpasst.

Die Animationen führen weit unter die Wasseroberfläche, man hört die Wellen rauschen, dazu steigen Luftblasen auf und fällt das Licht in die Tiefe. In dieses unendlich scheinende Blaugrau, das für so viele zum Grab wurde.

Zu ihnen gehört der 16-jährige Zainad Fares, dessen Boot am 30.5.2023 vor Mykonos auf dem Weg nach Italien gesunken ist. 30 Meter tief fand man seinen Körper im Schiffswrack. Für ihn wird um eine Minute Stille gebeten. Ganz so wie für das unbekannte Menschenleben, das am 31.8.2014 ertrank, kurz nachdem es mit einem Schlauchboot an der libyschen Küste abgelegt hatte. Oder für den 20-jährigen Mokhlesur Rahman, der auf dem Weg nach Italien ertrank, 40 Minuten von der libyschen Küste entfernt.

»Aufruf an unsere Menschlichkeit«

Doch man muss nicht im Münchner Gasteig sein, um den Verstorbenen zu gedenken. Denn man kann den »Raum der Stille« auch digital betreten. Per Livestream auf der Website 21TageStille.de, die von der Agentur loved erstellt wurde.

Vom 24. Februar bis zum 17. März 2025 ist der »Raum der Stille« zugänglich, 30.411 Schweigeminuten lang, heißt 21 Tage.

»Gerade angesichts der aktuellen politischen Entwicklung ist die Symbolkraft von “21 Tage Stille” wichtiger denn je. Das Flüchtlingssterben im Mittelmeer ist nicht nur eine Statistik, sondern eine humanitäre Krise, die uns alle betrifft,« sagt Hans-Peter Sporer, CCO thjnk. »Hinter jeder Zahl steht ein Mensch mit Träumen, Hoffnungen und einer Geschichte. Jeder einzelne Verstorbene oder Vermisste, dem wir eine Gedenkminute widmen, ist ein Aufruf an unsere Menschlichkeit und unsere Verantwortung, sichere Fluchtwege zu schaffen und die Ursachen von Flucht zu bekämpfen.«

Für sicherere Fluchtwege sorgt Sea-Eye e.V. seit der Verein 2015 in Regensburg gegründet wurde und hat bis heute mehr als 18.000 Menschen gerettet. An Land und auf See sind mehr als 1.000 Ehren- und Hauptamtliche aktiv und es wird zu Spenden aufgerufen.

Der »Raum der Stille« ist ein Gemeinschaftsprojekt. Die Hamburger Kreativagentur loved entwickelte die Website samt Livestream, thjnk übernahm die crossmediale Kampagne, der Kreativ-Vermarter Seven.One AdFactory unterstützt im TV. Für die 30.411 individuellen Animationen sind die ungarischen Spezialist:innen von Umbrella zuständig gewesen und Konstruktion und Bau des Gedenkraums samt LED-Leinwand übernahm TC-Showtechnik.