Trumps Pharmapläne: Werden bei uns Medikamente jetzt teurer, Herr Hecken?

US-Präsident Trump will für niedrigere Medikamentenpreise in den USA sorgen. Werden Arzneimittel bei uns deshalb teurer? Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss Josef Hecken erklärt, warum er das für Angstmache hält

Mai 16, 2025 - 19:24
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Trumps Pharmapläne: Werden bei uns Medikamente jetzt teurer, Herr Hecken?

US-Präsident Trump will für niedrigere Medikamentenpreise in den USA sorgen. Werden Arzneimittel bei uns deshalb teurer? Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss Josef Hecken erklärt, warum er das für Angstmache hält

US-Präsident Donald Trump legt sich mit der Pharmaindustrie an und will die Arzneimittelpreise in den USA drastisch drücken. Was halten Sie davon?
JOSEF HECKEN: Was Trump anstrebt, sind realistischere Preise. Er will weg vom jetzigen System, in dem die pharmazeutischen Unternehmen nach Gusto ihre Preise frei gestalten. Das ist erst mal ein vernünftiger Schritt, um das sehr rudimentäre öffentliche US-Gesundheitssystem finanziell etwas zu stabilisieren. Es würde außerdem die Situation der sehr vielen Selbstzahler in den Vereinigten Staaten verbessern, die im Extremfall ihre Häuser verkaufen müssen, um ein Krebsmedikament bezahlen zu können. Vom Ansatz her ist die Idee also vernünftig.

In seiner ersten Amtszeit hat er einen ähnlichen Vorstoß gemacht und ist von einem Gericht ausgebremst worden. 
Die Kritik war damals, dass der Zusatznutzen eines Medikaments überhaupt keine Rolle spielen sollte und dass der Vorschlag zu schematisch ist. Maßstab für die US-Medikamentenpreise sollte einfach das Land in der Welt mit dem günstigsten Preis sein. 

Josef Hecken
Josef Hecken ist seit 2012 Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), des obersten Gremiums von Ärzten und Kassen, das eine wichtige Rolle in der Preisfestsetzung von neuen Medikamenten spielt.
© Svea Pietschmann/G-BA

Das klingt aber doch jetzt ganz ähnlich.
Nach bisherigen Informationen sollen die Preise in Europa und Japan herangezogen und der niedrigste Preis zugrunde gelegt werden. Inwieweit sich das von dem Ursprungsvorschlag unterscheidet, weiß ich nicht. Auch nicht, ob das Vorgehen in den USA gerichtsfest wäre. Die Japaner aber machen es ähnlich, sie nehmen die deutschen Medikamentenpreise und legen darauf noch einen Abschlag fest. So sparen sie sich eine eigene Nutzenbewertung. Also nach japanischem Rechtssystem scheint das möglich zu sein. 

Warum sind die Medikamentenpreise in Europa überhaupt niedriger?
Deutschland hat sich vor 13 Jahren entschieden, die Preissetzung bei Medikamenten neu zu regeln. Seit Einführung des Gesetzes (AMNOG) müssen Pharmafirmen nachweisen, dass ihr patentgeschütztes Medikament besser ist als ein etabliertes. Der Preis orientiert sich am Zusatznutzen. Nur im ersten halben Jahr können die Pharmaunternehmen den Preis für ihr Präparat frei bestimmen. Danach verhandeln sie mit den Kassen auf Basis der Nutzenbewertung des G-BA einen Preis, den die Kassen dann erstatten. In Europa sind wir jetzt auf dem Weg zu einer einheitlichen Nutzenbewertung mit nationaler, kaufkraftbereinigter Preisgestaltung. Dieser Mechanismus verhindert Fantasiepreise. Der frühere US-Präsident Barack Obama hat übrigens versucht, dieses Bewertungssystem in den USA zu etablieren, ist aber damit am Widerstand der Pharmalobby gescheitert. 

Trump behauptet, dass die Medikamentenpreise in den USA 30 bis 80 Prozent höher seien. Stimmt das denn überhaupt? 
Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nicht, wie diese Zahlen gerechnet wurden. 

Die Pharmaindustrie warnt nun davor, dass niedrige US-Preise bedeuten würden, dass sich in Europa die Medikamente verteuern. Was ist da dran? 
Die Pharmaindustrie hat in den USA eine sehr komfortable Marktposition, es ist ein bisschen wie im Schlaraffenland. Sie können hier bei einer kleinen Klientel, die es sich finanziell leisten kann, gigantische Preise verlangen und damit ihre Gewinne maximieren. Das würden sie natürlich gerne beibehalten, also wehren sie sich. 

Dass die Preise aber in Europa steigen, wenn sie in den USA sinken sollten, ist Spekulation und Angstmache. Ich glaube es nicht. Die Zahlungsfähigkeit unserer Systeme ist begrenzt. Es gibt das AMNOG-Verfahren, also der Preis folgt dem Nutzen. Es ist ja auch nicht so, dass die Pharmaindustrie die Preise in den USA senkt, wenn sie hohe Preise in Europa erzielt. Ausgeblendet wird auch: In Deutschland und Europa werden für einige patentgeschützte Arzneimittel sehr hohe Preise bezahlt. Trumps Vorwurf, wir seien alle Trittbrettfahrer, trifft nicht zu. Das zeigen schon die Zahlen: In den Vereinigten Staaten werden nur 12 Prozent der Gesundheitsausgaben in den Versicherungssystemen für Arzneimittel ausgegeben. In Deutschland sind es 19 Prozent der GKV-Ausgaben, das sind 60 Mrd. Euro, die in dem Bereich der Arzneimittel fließen, überwiegend in patentgeschützte, innovative Therapien.

Es gibt auch die Sorge, dass die Pharmakonzerne aus Märkten herausgehen, in denen die Arzneipreise niedrig sind, damit sie sich die Preise in den USA nicht verderben – vorausgesetzt, Trumps Konzept wird Realität. 
Da müssen wir uns keine Sorgen machen. Deutschland ist ein sehr großer Markt. Wir haben die höchste Durchdringungsrate der von der EMA (Europäischen Arzneimittel-Agentur) zugelassenen teuren Produkte. Bei den Orphan Drugs, also den Medikamenten zur Behandlung seltener Erkrankungen, die sehr teuer sind, haben wir 89 Prozent nach 45 Tagen im deutschen Markt. Bei den Onkologika, den Krebsbehandlungen, sind 96 Prozent nach 45 Tagen im Markt und das zu relativ hohen Preisen. 

Deshalb steigen bei uns auch trotz AMNOG, also trotz Nutzenbewertung, die Arzneimittelausgaben jedes Jahr zweistellig. Während wir im Mittel in der gesetzlichen Krankenversicherung Preissteigerungen von 6 bis 7 Prozent haben, sind es bei den Arzneimitteln eher 10 Prozent. Genau deshalb wird auch bei uns versucht, die Ausgaben zu senken. Das gelingt derzeit nicht effektiv genug, weil die Firmen dann auch ganz klare Ansagen machen: Wenn ihr nicht bereit seid, einen bestimmten Mindestbetrag zu bezahlen, gehen wir aus dem Markt. Das wollen wir vermeiden.

Trump wirft uns vor, ein sozialistisches Gesundheitssystem zu haben. 
Trump kennt den Unterschied zwischen solidarischem System und sozialistischem System offenbar nicht. Wir haben ein duales System, das für jeden Krankenversicherungsschutz bietet, egal ob man in der privaten oder in der solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung ist. Jeder muss sich krankenversichern. Preisverhandlung auf Basis des nachgewiesenen Zusatznutzens gelten für gesetzliche wie private Versicherungen in Deutschland. Wir lassen uns die Preise nicht ohne Rücksicht auf den Mehrwert neuer Arzneimittel diktieren, sondern der Zusatznutzen wird bewertet und auf dieser Basis werden Preisverhandlungen geführt. Das ist das Gegenteil von Sozialismus und staatlich diktierten Preisen. Trump selbst will jetzt den Preis des Landes mit dem billigsten Medikamentenpreis nutzen. Das klingt für mich eher nach sozialistischer Planwirtschaft.