Zerstörungslust [Gesundheits-Check]

An verschiedenen Stellen im Blog hatte ich bereits kurz auf das Buch “Dennoch sprechen wir miteinander” von Stephan Lamby hingewiesen. Er berichtet darin u.a. von Leuten, die sagen, ihnen sei klar, dass Milei verrückt sei, aber man solle ihn mal machen lassen, weil alles andere nichts geholfen habe. Für Herbst 2025 ist das Buch “Zerstörungslust”…

Mai 1, 2025 - 12:12
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Zerstörungslust [Gesundheits-Check]

An verschiedenen Stellen im Blog hatte ich bereits kurz auf das Buch “Dennoch sprechen wir miteinander” von Stephan Lamby hingewiesen. Er berichtet darin u.a. von Leuten, die sagen, ihnen sei klar, dass Milei verrückt sei, aber man solle ihn mal machen lassen, weil alles andere nichts geholfen habe.

Für Herbst 2025 ist das Buch “Zerstörungslust” von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey angekündigt. Im Verlagstext heißt es über die systemkritische Haltung der Fans von Trump, Milei & Co.:

“Im Kern richtet sich diese Revolte gegen die Blockade liberaler Gesellschaften, die ihre Versprechen auf Aufstieg und Emanzipation nicht mehr einlösen. In diesem Sinne geht es Trump, Musk, Weidel und ihren Anhänger:innen, schließen die beiden mit Erich Fromm, um die Zerstörung der Welt als letzten, verzweifelten Versuch, sich davor zu retten, von ihr zermalmt zu werden.”

Es ist eine Zerstörungslust aus subjektiv empfundener Notwehr, „der Griff nach der Notbremse”, um einen anderen, schon etwas älteren Buchtitel von Wolfgang Kraushaar über Protestmotive zu zitieren. Das Aufwachen aus der Betäubung des „donnernden Lebens“ ist mitunter ein wütendes Aufwachen. Das kann konstruktiv und destruktiv ausgehen.

„Macht kaputt, was euch kaputt macht“, hat 1970 die Gruppe „Ton Steine Scherben“ gesungen, damals, als das Hoffen noch modern und die Zukunft besser war. Oder auch nicht, weil das, was wir gerade erleben, ja die Zukunft von damals ist.

Diese „Zerstörungslust“ aus Verzweiflung an den gebrochenen Versprechen der neoliberalen Ära, trotz aller Proteste, trotz aller gesellschaftswissenschaftlicher Kritik, trotz aller offenkundigen himmelschreienden Probleme vom Pflegenotstand bis zum – in praktisch allen westlichen Industrieländern beobachtbaren – Mangel an bezahlbarem Wohnraum, ist jedoch eine andere Zerstörungslust als die der Trumps, Musks und Mileis. Ihnen geht es nicht um die Verbesserung des alltäglichen Lebens der berühmten „kleinen Leute“, sondern die Verabsolutierung ihrer eigenen Freiheit, ihre Befreiung aus den Fesseln der demokratischen Einhegungen, der institutionalisierten Machtbalancen, oder wie sie sagen, des „tiefen Staats“. Die seinerzeit von Lisa Herzog getroffene Feststellung, „Freiheit gehört nicht nur den Reichen“, um noch einen programmatischen Buchtitel zu bemühen, beantworten sie mit einem ungenierten „Doch!“.

Uns, den „kleinen Leuten“, wollen sie ihren ungehemmten Egoismus „solutionistisch“ schmackhaft machen, nach dem Motto, lasst uns mal machen, wir lösen mit unseren disruptiven Tech-Innovationen alle Probleme der Menschheit, und sei es, auf eure Kosten, falls ihr nicht mitkommt. In dieser elitären, antidemokratischen Haltung treffen sie sich mit den ideologisch ganz anders orientierten Höckes dieser Welt, die ihr Programm ebenfalls um jeden Preis durchsetzen wollen, „auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind“, den Weg der Auserwählten mitzugehen.

Heute am 1. Mai ist ein Gegenprogramm aufgerufen, das Engagement dafür, das Leben für alle besser zu machen, gemeinsam, nicht durch einen angeblich benevolenten Führer. Allerdings heißt das auch, die Verantwortung nicht abzugeben und sich auf bloß destruktiven Protest gegen „das System“ zu beschränken. Ob die neue Regierung zu solcher Mitmachverantwortung einlädt, nach dem Motto „Tu was!“? Sie müsste dazu „mehr Demokratie wagen“.