tacct: Wenn das Kryptowertpapier endlich spannend wird

Letzte Woche hatten Kryptowertpapiere einen großen Moment: Das Drohnen- und Waffen-Startup Donaustahl gibt eine Anleihe als Kryptowertpapier heraus, während die tacct-Plattform, die diese vermittelt, eine Finanzierungsplattform für europäische Rüstungs-Startups eröffnet.

Apr 7, 2025 - 15:05
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tacct: Wenn das Kryptowertpapier endlich spannend wird

Letzte Woche hatten Kryptowertpapiere einen großen Moment: Das Drohnen- und Waffen-Startup Donaustahl gibt eine Anleihe als Kryptowertpapier heraus, während die tacct-Plattform, die diese vermittelt, eine Finanzierungsplattform für europäische Rüstungs-Startups eröffnet.

Wer hätte gedacht, dass Rüstung und Krypto einmal eine Partnerschaft eingehen? Dass das deutsche Kryptowertpapier nach eWPG womöglich zu dem Finanzinstrument wird, das nötig war, um Startups der europäischen Verteidigung zu finanzieren? Dass Krypto, um die Sache nur etwas aufzublasen, zur Säule der europäischen Verteidigung wird?

In der vergangenen Woche ging die App “tacct” von ecrop live. Der Start ist eine dreifache Premiere:

  • Das bayerische Rüstungs-Startup Donaustahl wird über tacct seine lang erwartete Anleihe als Kryptowertpapier herausgeben,
  • tacct bietet eine vollintegrierte digitale Plattform, über die man in europäische Rüstungsstartups investieren kann, und
  • mit OmniPersona startet ecrop eine App für eine übertragbare Identitäts-Verifizierung von Kunden. Diese könnte das lange fällige Gerüst werden, um Kryptowertpapiere interoperabel zu machen.

Anders gesagt: Kryptowertpapiere, diese etwas verkopfte, bürokratische deutsche Version der Token, werden interessant. Aber fangen wir am Anfang an.

Um mehr zu erfahren, haben wir ein Interview mit Donaustahl-CEO Stefan Thumann und Michael Stoussavljewitsch vom Technologiedienstleister ecrop bzw. dessen Mutterunternehmen Youki geführt.

Was Rüstungs- und Kryptostartups gemeinsam haben

Die Donaustahl GmbH ist ein Rüstungs-Startup aus der Nähe von Passau, das durch ein geschicktes Social-Media-Marketing mit kernigem Humor bekannt wurde. Donaustahl stellt hochskalierbare FPV-Drohnen, Elektronik und Wirkmittel her, wie sie in der Ukraine in großer Zahl zum Einsatz kommen und als technischer Gamechanger dieses Krieges gelten.

Stefan Thumann in der Ukraine. Bildrechte bei Donaustahl GmbH, für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

“Wir sind ein altmodisches Unternehmen in einer besonderen Branche”, sagt CEO Stefan Thumann, “wir bauen Deutschlands erste bewaffnete Kampfdrohnen.” Donaustahl ziehe “die Lehren, die die Ukrainer im aktuellen Gefecht erfahren, münzt sie in ein Produkt um und macht das in hoher Qualität massenfähig, mit den guten, konservativen Qualitäten des deutschen Mittelstands.”

Dabei aber steht Donaustahl vor einem Problem, das manche Krypto-Startups nur zu gut kennen: Die Banker zieren sich. “Kredite von Hausbanken sind in unserer Branche so gut wie unmöglich zu bekommen. Banken haben Statute, dass keine Kriegswaffen finanziert werden, Investoren folgen ESG-Kriterien, die ebenfalls keine Waffen erlauben.”

Nach langen Gesprächen mit Anwälten, Beratern und auch Michael Stoussavljewitsch aus dem nahen Amberg entschied sich Thumann dafür, eine Anleihe als Kryptowertpapier herauszugeben. “Das ist für uns die einfachste, schnellste Methode, selbst Geld einzuholen bei unserer Community.”

Vorteile des Kryptowertpapiers

Er habe, erzählt Stefan, gute Angebote von amerikanischen Risikokapitalgebern erhalten, die den europäischen Rüstungsmarkt für sich entdeckt haben. “Das Geld wäre verfügbar, aber ich bin Patriot. Ich will kein Geld von Anlegern bekommen, die aus dem Umfeld von JD Vance oder Peter Thiel kommen.”

Deutsche Risikokapitalgeber haben sehr viel weniger tiefe Taschen und sind viel vorsichtiger. Also versucht Stefan nun, das notwendige Kapital per Krypto-Anleihe selbst aufzutreiben. Das Interesse der Leute, ist er sicher, ist da. Dass eine Anleihe zudem das Eigenkapital seiner Firma erhöht, anstatt wie ein Darlehen als Passiva in die Bilanz zu fließen, ist ein weiterer Vorteil.

Natürlich gibt es auch alternative Möglichkeiten. Crowdfunding, Mittelstandsanleihen, GmbH-Beteiligungen. Aber sie alle sind, meint Thumann, teurer, langsamer und aufwendiger als eine Anleihe als Kryptowertpapier.

“Technisch ist das hocheffizient”, erklärt Michael, “man kann sehr kleinteilig und extrem schnell emittieren. Man braucht auch keine Depotbank, die zwischen dem Emittenten und den Anlegern steht, und keinen Zentralverwahrer. Die Kunden verwalten die Anleihen in ihrer eigenen App.”

“Das Kryptowertpapier gibt uns auch Möglichkeiten zur Kontrolle, die wir sonst nicht hätten,” ergänzt Stefan, “wir können etwa unsere Investoren nach Herkunft filtern. Ich will keine chinesischen, iranischen, amerikanischen oder russischen Investoren haben, und nun kann ich sie ausschließen.” Selbst auf dem Zweitmarkt, sagt Michael, könne man einem Übertrag die Zustimmung verweigern.

500.000 Flight Controller pro Jahr

Made in Germany ist für Donaustahl nicht nur beim Kapital Gebot. Das Startup beansprucht, FPW-Quadcopter, wie sie in der Ukraine zum Einsatz kommen, komplett in Deutschland herzustellen.

“Wir wollen die ganze Lieferkette mit deutschen Mittelständlern abdecken. In unseren Drohnen sollen keine chinesischen oder amerikanischen Bauteile stecken. Selbst der Flight Controller wird in Deutschland gefertigt. Das können wir bereits heute auf eine Kapazität von 500.000 Stück im Jahr skalieren.”

Gestell einer Kampfdrohne. Bildrechte bei Donaustahl GmbH, für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

Nun steht das Startup aber vor mehreren Herausforderungen: Erstens muss es den Startup-Modus verlassen und zum richtigen Produktionsunternehmen werden, mit Hauptquartier und so weiter. Zweitens brauchen die Drohnen auch Gefechtsköpfe samt Bundeswehr-konformem Zündsystem, für die Donaustahl ebenfalls eine Lieferkette aufbauen und skalieren muss. Drittens wird es neuartige Waffensysteme, etwa einen Granatwerfer für Drohnen, entwickeln und produzieren.

All das wird Geld kosten. Daher plant das Startup, bis zu acht Millionen Euro einzuholen. Dafür setzt es auf die Krypto-Anleihe, die von ecrop technisch verwaltet wird.

Leider auf einer privaten Blockchain

ecrop gibt dabei nicht nur die App tacct heraus, auf der man die Anleihe zeichnen kann, sondern übernimmt auch die Funktion des Kryptowertpapierregisterführers.

Das Amberger Unternehmen ist der zentrale Akteur bei der Herausgabe von Kryptowertpapieren nach eWPG: Es führt ein dezentrales Register – eine Blockchain – in dem die elektronischen Wertpapiere als Token gespeichert und übertragen werden.

Während andere Kryptowertpapierregisterführer wie Cashlink eine öffentliche Blockchain benutzen, verwendet ecrop eine private Version von Ethereum. Die Gründe, die Michael dafür nennt, sind leider allzu plausibel: “Zunächst einmal gibt es eine Regel, dass man mit einer öffentlichen Chain in eine Risikoklasse fällt, in der Finanzinstitute nach Basel III Kryptoassets zu 100 Prozent decken müssen. Das ist teuer und skaliert schlecht. Wir finden die Regel nicht gut, aber sie existiert nun mal.”

Das eWPG schreibt vor, dass Kryptowertpapierregisterführer in der Lage sein müssen, Transaktionen rückgängig zu machen. Dies wäre durch einen Smart Contract möglich, aber auch aufwändig, während ecrop bei Bedarf Korrekturen an Transaktionen vornehmen kann, ohne die Unveränderlichkeit des Ledgers zu beeinträchtigen. Dies geschieht durch die Eintragung von Korrekturbuchungen, die die ursprüngliche Transaktion referenzieren und somit rückgängig machen.

Dieses Setup hat einen regulatorischen Vorteil: Wer eine Lizenz hat, Kryptowertpapierregisterführer zu sein, hat noch keine Lizenz, auch Kryptowerte zu verwahren. Das wird seit Einführung der MICAR unterteilt: in eine “Kryptoverwahrung” nach MICAR wie bei Bitcoin, Ether und so weiter, sowie die “Qualifizierte Verwahrung” nach KWG, also der Sicherung der Schlüssel zum Zugang zu Kryptowertpapieren.

ecrop ermöglicht den Kunden, die Schlüssel auf dem eigenen Smartphone zu speichern, aber die Wallets, falls die Kunde die Schlüssel verlieren, über einen erneuten KYC-Prozess wieder herzustellen. Es spart sich also eine Lizenz bzw. einen Mittelsmann.

Das klingt alles nicht mehr wirklich nach dem, wofür Kryptowährungen eigentlich stehen – aber es ist praktisch und erfüllt an dieser Stelle einen Zweck. “Ich bin ein altmodischer Unternehmer”, meint Stefan, “ich habe mit Krypto nicht wirklich etwas zu tun, und die meisten Anleger wollen das Wort lieber nicht hören.”

20 weitere Rüstungs-Kryptowertpapiere in der Pipeline

Die Anleihe von Donaustahl wird umsatzabhängig mit bis zu 8,4 Prozent jährlich verzinst. Investoren können sich durch die Zinsen so einen Teil der künftigen Steuern und Schulden zurückholen, mit denen sie per “Sondervermögen” nun die Aufrüstung finanzieren.

Denn die Bundeswehr lehnt zwar bisher bewaffnete Drohnen ab – “aus einem dummen deutschen Grund mit drei Buchstaben,” meint Stefan, “nämlich der SPD” – aber dies wird sich vermutlich künftig ändern und Donaustahl wird sehr wahrscheinlich Drohnen an die Bundeswehr verkaufen.

Aber Donaustahl ist dabei nur die erste und prominenteste Anleihe, die Investoren auf tacct zeichnen können. Die App fungiert als Plattform für die Finanzierung europäischer Rüstungs-Startups.

“Wir haben bereits 20 Firmen in der Pipeline. Es gibt derzeit unfassbar viele Startups, die etwas für die Rüstung produzieren, aber Probleme mit der Bank haben,” erzählt Michael. Bei den meisten geht es um Drohnen, sowohl zu Luft als auch zu Wasser, und oft um einzelne Bauteile, wie Halbleiter oder Munition, aber auch um Software und KI-Systeme.

“Wir haben bereits fast 2.000 Anmeldungen nach nur zwei Tagen,” freut sich Michael, “das hätte Donaustahl auf dem normalen Weg einer Anlagevermittlung, wie über eine Bank in Passau, gar nicht managen können. Wir erschließen den Startups damit einen neuen Kapitalmarkt, Kryptowertpapiere sind dabei extrem hilfreich.”

Neben den Anleihen wird es auch Aktien als Kryptowertpapier geben. Diese sind durch das Ende 2023 in Kraft getretene Zukunftsfinanzierungsgesetz möglich; sie können dann auf Marktplätzen wie 21.x, das eine Lizenz hat, aber noch nicht operiert, gelistet und damit auch gehandelt werden.

“Die Emittenten solcher Aktien können etwa ihren eigenen Anteilen Mehrfachstimmrechte geben, so dass sie die Mehrheit der Aktien verkaufen können, ohne das gesamte Stimmrecht abzugeben. Solche kleinen Vorteile machen Kryptowertpapiere so attraktiv.”

Der Missing Link

Neben der Donaustahl-Anleihe und der tacct-App ging letzte Woche auch OmniPersona von ecrop live. Diese App erlaubt es, seine KYC-Verifizierung auch für andere Apps oder Plattformen zu verwenden.

Man verifiziert sich in der App per PostIdent und hinterlegt seine Bankverbindung. Danach kann man sich mit seinem Account bei tacct einloggen. Wenn man dort ein Kryptowertpapier kauft, wird die Zahlung automatisch vom bei OmniPersona hinterlegten Bankkonto abgebucht. Bisher gilt dies nur bei tacct, aber es spricht nichts dagegen, seine Identität auch für andere Plattformen zu verwenden, auch im Kosmos anderer Kryptowertpapierregisterführer wie Cashlink.

Wenn es so gut läuft, wie geplant, könnte OmniPersona eines der größten Probleme der Kryptowertpapiere lösen. Denn bisher muss man sich für jede Plattform – bei jedem Emittenten – erneut verifizieren, was neben der datenschutztechnischen Probleme vor allem viel Zeit und Mühe kostet.

Wenn man sich stattdessen einfach mit einer App einloggt, würde dies Kryptowertpapiere für viele Anleger vermutlich sehr viel attraktiver machen. OmniPersona würde im Universum der Kryptowertpapiere dann eine ähnliche Rolle einnehmen, wie eine Wallet im Web3 – im Grunde genommen ist sie das auch.

Bald auch mit Bitcoin?

Wenn OmniPersona die KYC-Verifizierung “passportet”, also plattformübergreifend gültig macht, und man Kryptowertpapiere einmal auf Plattformen wie 21.x handeln kann, würde sich tatsächlich ein deutsch-europäisches Ökosystem bilden.

Ein solches Ökosystem würde das Web3 auf regulatorisch konforme Weise nachbilden. Es würde die revolutionären Aspekte von Krypto amputieren, aber technisch doch vieles einfacher und effizienter machen und einige Mittelsmänner ausschalten.

Ein Ärgernis dabei sind noch die Banken und Überweisungen. Ein digitaler Euro würde alles “brutal” einfacher machen, meint Michael. “Wir können schon jetzt alles digital machen. Aber wenn es zur Zahlung kommt, muss ich einen Dienstleister einbinden, mit einer Einzugsermächtigung, und dasselbe haben wir bei der Auszahlung von Zinsen. Mit einem digitalen Euro wäre das alles viel unkomplizierter, schneller und günstiger.”

Eine Alternative wären Stablecoins, die ähnlich gut funktionieren. Aber derzeit ist ecrop vor allem dabei, andere Zahlungsmittel zu integrieren – nämlich Bitcoin und andere Kryptowährungen. Auch sie würden vieles einfacher machen, und damit könnte ausgerechnet das deutsche Kryptowertpapier nach eWPG dazu beitragen, Bitcoin hierzulande attraktiver zu machen.