Journal Freitag, 11. April 2025 – Bemühen um Entspannung fürs Wochenende

Verschlafen! Ich hatte vergessen, den Wecker zu stellen, und war nach zweitem Klogang um fünf nochmal tief eingeschlafen. Herr Kaltmamsell weckte mich freundlich nur wenige Minuten nach meiner üblichen Aufstehzeit. Ein sonniger Morgen, mein Stoffwechsel entschied sich dennoch für Tagesstimmung traurig. Immer wieder denke ich an die mood organ, die Stimmungsorgel in Philip K. Dicks […]

Apr 12, 2025 - 07:42
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Journal Freitag, 11. April 2025 – Bemühen um Entspannung fürs Wochenende

Verschlafen! Ich hatte vergessen, den Wecker zu stellen, und war nach zweitem Klogang um fünf nochmal tief eingeschlafen. Herr Kaltmamsell weckte mich freundlich nur wenige Minuten nach meiner üblichen Aufstehzeit.

Ein sonniger Morgen, mein Stoffwechsel entschied sich dennoch für Tagesstimmung traurig. Immer wieder denke ich an die mood organ, die Stimmungsorgel in Philip K. Dicks Roman Do Androids Dream of Electric Sheep?, an der sich die Frau des Protagonisten morgens aussucht, wie sie sich heute fühlen will. Und die in der Verfilmung Blade Runner nicht vorkommt. Falls Sie die Romanvorlage noch nicht gelesen haben, empfehle ich sie hiermit. Wenn auch wirklich nicht zur Erheiterung.

Von Morgensonne beschienene schlickte Altbau-Fassade, davor kahle Bäume, darunter ein neongrün blühender Ahorn, dahinter ein Stück blauer Himmel

Nähmaschinenfabrik Strobel an der Heimeranstraße.

Auf dem Weg in die Arbeit war es weiterhin Handschuh-kalt – ich mag aber auch besonders emfindliche Zuckerpüppchen-von-Tifus-Finger haben.

Am Arbeitsplatz wurde ich stärker gefordert als erwartet, konnte mich zum Ausgleich nützlich fühlen.

In strahlender Sonne, aber mit zugeknöpfter Jacke ging ich nach Mittagscappuccino bei Nachbars auf eine Besorgung: Über einen Umweg zur Bewegung kauft ich frische Briefmarken, um weiterhin regelmäßig Postkarten verschicken zu können.

Mittagessen: Granatapfelkerne (jajaja, die Saison ist in Europa lang um, guilty pleasure aus Peru), Quark mit Joghurt.

Am Nachmittag nochmal einiges weggeschafft, pünktlicher Feierabend. Spaziergang zu Besorgungen; jetzt wärmte der Sonnenschein, meine Jacke wurde mir zu warm. Freitagsfleisch beim Vollcorner, Bargeld in meiner Sparda-Filiale (mittlerweile nur noch alle zwei Monate nötig, und dann nur jeweils 200 Euro), vergebliche Suche nach Gästeseifen in einer Parfumerie (werde eine beim nächsten Hotel-Aufenthalt mitnehmen), Molkereiprodukte im Alnatura.

Daheim freute ich mich über eine lange Yoga-Folge; in ihrem ersten 30-Tage-Programm vor zehn Jahren verspricht Adriene noch regelmäßig, wenn man nur lang genug dranbleibe, könne man die Übungen irgendwann so gut wie sie. Was halt nicht stimmt (ich werde in diesem Leben nie beim herabschauenden Hund die Fersen am Boden haben, schließlich musste ich über die Jahrzehnte das Ziel aufgegeben, sie bei einer Hocke dort zu lassen – Körper sind verschieden) und was sie später auch nicht mehr tut.

Jetzt aber Wochenendfeiern: Zur Orangenvernichtung (bald haben wir die zehn Kilo durch) Tequila Sunrise, dann Kuh auf Wiese (Entrecôte mit einer nochmaligen Ernteanteil-Lieferung Kohlröschen und Ernteanteil-Ruccola) mit südafrikanischem Rotwein Owl Post.

Aufsicht auf gedeckten Tisch mit grünen Platzsets, darauf ein großer Glasteller mit gebratenem Fleisch, gebratenen Kohlröschen, Ruccola, rechts daneben eine blaue Serviette mit Messer und Gabel, dahinter gefülltes Rotweinglas, Rotweinflasche, kleine Fläschchen Olivenöl und dunkler Essig

Abendessenstisch in Tageslicht!

Nachtisch Speiseeis. Ich näherte mich einer Näherung von Entspannung.

Vor dem Start einer neuen Lektüre recherchierte ich dem eben gelesenen The Last of her Kind von Sigrid Nunez hinterher. Aha, 2006 erschienen, also zehn Jahre nach ihrem Erstling A Feather in the Breath of God, das mir so sehr gefallen hatte (dazwischen veröffentlichte sie drei weitere Romane). Und statt Lesezirkel-Diskussion las ich Rezensionen, um zu sehen, ob andere die Handlung ähnlich richtungsslos (-arm) fanden wie ich (selbst die Erzählmotivation – Erinnerungen festhalten für Georgettes Kinder – kommt erst im letzten Viertel des Buchs).

Hier eine Besprechung aus Veröffentlichungszeit von Megan Marshall:
“Something Happening Here”.
Sie kritisiert unter anderem fehlende Erzählökonomie (ja) und spricht mir aus dem Herzen mit:

Nunez has chosen to tell her story in the style of a memoir, and in this role Georgette must be faulted for a certain degree of self-indulgence. She goes on about pill-popping at exam time and a bad acid trip, forgetting that no one but the partaker can find such tales of interest

Die Besprechung von Alex Clark einer Neuauflage von 2016 im Guardian unterstreicht etwas, was auch mir gut gefallen hat:
“The Last of Her Kind by Sigrid Nunez review – enormously absorbing”.

Rather than making her chief characters strained emblems, Nunez imbues them with considerable complexity and nuance. The narrator, George or Georgette – her name itself is unstable and problematic to her – does not conform to the stereotype of an escapee from a troubled, impoverished and violent background; arriving at college in New York in 1968, she does not bury herself in work, determined to succeed at all costs. Rather, she flunks out, rejects her briefly held attachment to student politics and immerses herself in the world of women’s magazines.

Aber auch Clark bemängelt, dass manche Erklärungen und Schilderungen unnötig ausufern.

Im Bett begann ich meine nächste Lektüre: Jenny Erpenbeck, Aller Tage Abend.

§

Vielleicht haben Sie von den 20 Regeln bei Tyrannei von Timothy Snyder gehört. Vielleich mögen Sie sich diese John Lithgow vorlesen lassen.

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https://youtu.be/cXR5HLodsT8?si=nO_JP-shO2XboXi1

(Wobei “8. Stand out” gefährlich ist: Besonders Realitätsleugner*innen und Demokratiefeinde beanspruchen für sich, eben nicht mit dem Mainstream zu laufen.)