Gender Leisure Gap: Frauen brauchen dringend mehr "sinnlose" Freizeit!

Frauen haben pro Tag 38 Minuten weniger Freizeit als Männer. Selbst, wenn sie allein zu Hause sind, nutzen viele diese Zeit nicht für sich selbst. Warum gilt "sinnlose" Me-Time für Mütter fast schon als anrüchig? Wie schaffen wir es, mehr Zeit für uns einzufordern?

Mär 12, 2025 - 21:01
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Gender Leisure Gap: Frauen brauchen dringend mehr "sinnlose" Freizeit!

Frauen haben pro Tag 38 Minuten weniger Freizeit als Männer. Selbst, wenn sie allein zu Hause sind, nutzen viele diese Zeit nicht für sich selbst. Warum gilt "sinnlose" Me-Time für Mütter fast schon als anrüchig? Wie schaffen wir es, mehr Zeit für uns einzufordern?

"Wer kennt das nicht? Mama hat den ganzen Tag organisiert, gekocht und alle versorgt. Papa kommt von der Arbeit und entspannt auf dem Sofa, während Mama noch das Abendbrot richtet – oder er kommt direkt etwas später nach Hause, weil er noch zum Sport geht“, schildert die Vereinbarkeitsmanagerin Katrin Fuchs eine typische Szene in vielen Familien. Fuchs berät Eltern bei der besseren Aufteilung von Care-Arbeit und warnt in BRIGITTE angesichts der sogenannten Gender Leisure Gap: Freizeit ist entscheidend für die mentale Gesundheit – und Frauen müssen dringend mehr davon einfordern! Vor allem, wenn sie neben der ganzen unbezahlten Care-Arbeit auch noch berufstätig sind. 

Tut gut: "Sinnlose" Me-Time statt Selbstoptimierung 

Schuld ist, klar, mal wieder das Patriarchat, das Rollenerwartungen schafft, die Frauen primär als Verantwortliche für Haushalt, Kinder und Pflege sehen. TikTokerin Paige Turner (@sheisapaigeturner), deren Videos über den Gender Leisure Gap (zu Dt.: "Freizeitlücke") gerade viral gehen, kritisiert, dass Mütter ihre Zeit oft nicht sich selbst, sondern Hausarbeit oder Kindern widmen. Väter hingegen nutzen ihre Freizeit ungeniert für sich. 

Auch ich fühle mich sofort ertappt: Wenn mein Sohn abends schläft, geht's für mich im Haushalt oft erst richtig los. Vor Schlafen bleiben mir oft nur ein paar Minuten "Mordlust" (ja, der Podcast) als Me-Time. 
Laut der aktuellen Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamts verbringen Männer täglich 1:25 Stunden mit Sport, Hobbys, Spielen. Frauen nur 1:01 Stunden. Für Medienkonsum nutzen Männer 3:03 Stunden, Frauen bloß 2:49 Stunden. Frauen haben somit täglich durchschnittlich 38 Minuten weniger Freizeit. 

Das ist vor allem auf die traditionelle Rollenverteilung zurückzuführen: Frauen kümmern sich immer noch mehr um den Haushalt, die Kinder und pflegebedürftige Angehörige. Dadurch fehlt ihnen die Zeit und auch die Kraft für Erholung und Selbstverwirklichung. Doch warum fällt es vielen Frauen so schwer, einfach mal die Füße hoch zu legen? 

Voll okay: Das Kind betreuen lassen, um selbst einfach mal nichts zu tun 

"Das Problem beginnt mit unserer Sozialisation", erklärt Katrin Fuchs im Gespräch mit BRIGITTE. "Von klein auf lernen Frauen, sich aufzuopfern und Verantwortung zu übernehmen. Wenn sie es nicht tun, gibt es Kritik." Die Gesellschaft sieht in Müttern die "Alltagsheldinnen", die sich "ganz natürlich" um alles kümmern. Wenn Väter sich beteiligen, wird das als "Hilfe" wahrgenommen, nicht als Selbstverständlichkeit. Mütter, die Me-Time einfordern, werden oft als egoistisch abgestempelt. Und das hat Folgen: "Viele Frauen trauen sich nur, Zeit für sich einzufordern, wenn sie sie für etwas Sinnvolles nutzen – also Sport, Yoga oder Weiterbildung", erklärt die Vereinbarkeitsmanagerin. "Denn das ist gesellschaftlich akzeptiert: Du verbesserst dich ja! Einfach nur entspannen, nichts tun, sich treiben lassen? Das ist für Mütter fast schon ein Tabu."

Kampf gegen die "Freizeitlücke": "Ich sammle Minuten, damit ich auch mal raus kann"

Je mehr eine Frau sich aufopfert, desto normaler wird es für ihr Umfeld. Bei einer Bekannten von mir sieht das so aus: "Unter der Woche sammle ich Minuten, um am Wochenende mal abends rauszukommen. Doch selbst dann kümmere ich mich meist noch um das Kind, bevor ich aus dem Haus gehe, damit es nicht nörgelt und ich ohne schlechtes Gewissen feiern gehen kann.“ Der Partner kann dann ebenfalls entspannen, weil das Kind bereits schläft.

Doch was tun, um diesem Teufelskreis zu entkommen? Zuerst sollten Frauen ihre eigenen Bedürfnisse erkennen, sagt Katrin Fuchs: "'Du hast ein Recht auf Freizeit, die mehr ist als Zeitkonfetti' – das ist ein Begriff aus dem Buch "Alles_Zeit" von Teresa Bücker, der bedeutet, dass Mütter oft Zeit haben, die häufig unterbrochen wird – und nicht erst, wenn alles erledigt ist.“ 

Im nächsten Schritt könne man schauen, welches typische Muster auf einen zutreffe: 

  • Die Perfektionistin – glaubt, dass "gute Mütter" immer präsent sein müssen.
     
  • Die Harmoniebedürftige – will niemandem zur Last fallen und stellt sich selbst hinten an.
     
  • Die Macherin – übernimmt alles, weil sie es "eh schneller und besser kann".

"Statt 'Darf ich?' sollte man 'Ich mache!' sagen", rät Fuchs weiter. "Klare Kommunikation hilft, Grenzen zu setzen und standhaft zu bleiben. Dein Umfeld wird sich anpassen." Es sei übrigens völlig in Ordnung, eine Betreuungsperson zu organisieren – "nur", um mal Zeit für sich zu haben. "Familie ist ein Netzwerk – nicht nur für die Kinderbetreuung, sondern auch für dich. Wenn Großeltern euer Familiensystem entlasten können, dann nutze das gerne. Männer tun das auch."

Und was ist mit dem schlechten Gewissen? 

Und was ist mit dem schlechten Gewissen? Katrin Fuchs rät: "Lass dich nicht verunsichern. Deine Bedürfnisse sind genauso wichtig wie seine." Der Wert einer Mutter hängt nicht vom Grad ihrer Aufopferung ab. Jede Mutter hat das Recht auf ihr eigenes Leben. "Und du bist damit ein sehr gutes Vorbild für deine Kinder, die lernen, dass Selbstfürsorge keine Frage des Geschlechts ist."