"Feinde" auf Dauerschleife: Die Dissonanz im Umgang mit Big Tech
Aus der beliebten Abteilung: Haben Wörter noch eine Bedeutung


Markus Beckedahl auf seinem Blog:
Mit „Wir müssen diese Plattformen wie Feinde behandeln“, gab die britische Journalistin Carole Cadwalladr die Stimmung wieder, die auf dem International Journalism Festival in Perugia auf vielen Panels vorherrschte.
Die früheren „Freunde“ und vor allem Finanziers vieler Medien sind auf einmal unterwürfige Kollaborateure eines autokratischen Regimes geworden - und liefern die passenden Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten dafür.Während sich früher in Perugia verschiedene BigTech-Unternehmen wie Google und Meta immer als große Mäzene profilierten, und vor allem von den zahlreichen US-Journalisten wie ihre besten Freunde behandelt wurden, ist jetzt endgültig Ernüchterung eingetreten. Das ist gut so.

Auf LinkedIn gab es dazu eine Diskussion zwischen mir und Markus Beckedahl:
Markus:
viele Panels wurden aufgezeichnet und stehen schon auf YouTube.
Ich:
Die Videos stehen also beim Feind?
Markus:
aus eigener Erfahrung weiß ich leider, dass das Fediverse dafür noch keine passenden Infrastrukturen hat. Wir müssen aber daran arbeiten, dass wir diese Alternativen im Fediverse oder anderswo, z.B. auf öffentlich-rechtlichen Mediatheken bekommen.
(Bevor jetzt der Hinweis kommt: Ich kenne PeerTube, aber alleine das jährliche Archiv der re:publica-Videos überfordert derzeit leider die Infrastruktur).
Ich:
ActivityPub war gar nicht woran ich gedacht hatte, als ich das schrieb. Mir ging es um die weiter eskalierende verbale Aufrüstung -"Feinde"-, die in einem immer stärker werdenden Kontrast zum eigenen Handeln steht. Hier perfekt manifestiert mit den Videos der Talks auf YouTube, also beim "Feind".
Das ist eine so massive Dissonanz, die seit locker 15 Jahren existiert und einfach nur weiter zunimmt, dass ich mich schon frage, wie ernst eigentlich die eigenen Worte an diesen Stellen genommen werden.
Und die wichtigere, darauf folgende Frage: Wann man mal anfängt konstruktiv an eigenen Wegen zu arbeiten. Statt sich immer nur reaktiv am "Feind" abzuarbeiten - und ihm dann wieder zuzuarbeiten.
Wie wenig bis heute auch zu ActivityPub aus den verbal hochgerüsteten Kreisen kommt, ist aber tatsächlich eine traurige Unterfütterung für meine, ehrlich gesagt, zunehmende Fassungslosigkeit bezüglich dieser ignorierten Dissonanz.
Das Verhalten stellt nicht nur in Frage, wie ernst die eigenen Worte genommen werden sondern auch wie zutreffend sie sind. Immerhin scheint es mindestens eine gegenseitig vorteilhafte Symbiose mit dem "Feind" zu geben.
Das ist im weiteren Sinne auch das Problem mit Feind- oder Krieg-Metaphern und Begrifflichkeiten bei Technologie- oder Wirtschaftsthemen.
Die wahren Erkenntnisse -und zielführende Schlussfolgerungen daraus- liegen in den Nuancen zwischen "es ist die alternativlose Dominanz" (man denke an den GAFA-Unsinn der späten 2010er Jahre) und "es ist der Feind".
Aber werden die YouTube-Videos solcher Talks auf Bluesky, wo sich die Resistance gegenseitig baitet, geteilt?