Anspruch des Betriebsrats auf einen unabhängigen Internetzugang
Darf der Betriebsrat verlangen, dass ihm durch den Arbeitgeber ein unkontrollierter Internet- und Telefonanschluss zur Verfügung gestellt wird? Wer sich mit dem Betriebsverfassungsgesetz beschäftigt hat, dürfte sich diese Frage womöglich schon gestellt haben. Zwischen dem Wunsch nach einem unabhängigen Internetzugang des Betriebsrats und dem Sicherheitsinteresse des Arbeitgebers stehen dabei auch Fragen zum Umfang der Bereitstellungspflicht […]

Darf der Betriebsrat verlangen, dass ihm durch den Arbeitgeber ein unkontrollierter Internet- und Telefonanschluss zur Verfügung gestellt wird? Wer sich mit dem Betriebsverfassungsgesetz beschäftigt hat, dürfte sich diese Frage womöglich schon gestellt haben. Zwischen dem Wunsch nach einem unabhängigen Internetzugang des Betriebsrats und dem Sicherheitsinteresse des Arbeitgebers stehen dabei auch Fragen zum Umfang der Bereitstellungspflicht und zu den konkreten Kontrollmöglichkeiten des Arbeitgebers. Ein Überblick.
Bereitstellungspflicht des Arbeitgebers
Die Frage, ob dem Betriebsrat ein vom Arbeitgeber unabhängiger Internet- und Telefonanschluss zur Verfügung gestellt werden muss, wurzelt im Betriebsverfassungsgesetz. Gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG steht dem Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber ein Anspruch auf die Bereitstellung von Arbeitsmitteln zu, damit er seine betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrnehmen kann.
Konkret heißt es in dieser Vorschrift:
„Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.“
Dieser Anspruch ist jedoch auf das Erforderliche beschränkt. Die zentrale Frage lautet daher: Ist es zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich, dass der Betriebsrat über einen vom Arbeitgeber unabhängigen und unkontrollierten Kommunikationsweg verfügt?
Anspruch auf unkontrollierten Internetzugang?
Mit dieser Frage hatte sich bereits 2016 das Bundesarbeitsgericht zu befassen. Geklagt hatte ein Betriebsrat, der – wie alle anderen Beschäftigten – einen Internetzugang über den Proxy-Server der Konzernmutter erhielt. Dabei wurden standardmäßig User- und IP-Adressen sowie besuchte URLs automatisiert protokolliert. Zudem sperrte der Server bestimmte vom Arbeitgeber definierte Websites. Der Zugang über das Betriebsratsequipment erfolgte über ein einheitliches Passwort (sog. Gruppenaccount). Auch der E-Mail-Verkehr des Betriebsrats lief über das firmeneigene Netzwerk.
Der Betriebsrat befürchtete eine dauerhafte Kontrolle seiner Kommunikation durch den Arbeitgeber. Dies sei der Bearbeitung vertraulicher Anliegen nicht angemessen, weshalb er die Einrichtung eines separaten, uneingeschränkten Internetzugangs sowie eines unabhängigen E-Mail-Verkehrs forderte – jedoch ohne Erfolg.
BAG: Grundsätzlich kein Anspruch auf separaten Anschluss
In seinem Beschluss vom 20.04.2016 (Az. 7 ABR 50/14) stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass § 40 Abs. 2 BetrVG grundsätzlich keinen Anspruch auf einen separaten, vom betrieblichen Netz unabhängigen Internet- oder Telefonanschluss gewährt, solange die bestehenden Kommunikationsmittel dem Betriebsrat eine sachgerechte Ausübung seiner Aufgaben ermöglichen. Die bloß abstrakte Möglichkeit einer unzulässigen Überwachung durch den Arbeitgeber reiche dafür nicht aus.
„Ohne das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte […] kann nicht unterstellt werden, dass ein Arbeitgeber von den technischen Überwachungsmöglichkeiten der Internetnutzung in unzulässiger Weise Gebrauch macht und er insbesondere Inhalte der vom Betriebsrat versandten oder an den Betriebsrat gerichteten E-Mails zur Kenntnis nimmt und ggf. auswertet.“
Abstrakte Befürchtungen der Betriebsratsmitglieder reichen nicht aus, um einen Anspruch zu begründen. Zudem stünde einer Vermutung der missbräuchlichen Überwachung durch den Arbeitgeber der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) entgegen, sowie der Umstand, dass diese gem. § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sogar strafbar sein könnte.
Erst wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kommunikation des Betriebsrats gefährdet oder überwacht wird, könne § 40 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf unabhängige Technik umfassen.
Gruppen-Accounts für Betriebsräte
Trotzdem erkannte das BAG die Gefahr durch eine technischen Kontrollmöglichkeit des Betriebsrates an und bestätigte erneut, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat jedenfalls einen nicht personalisierten Internetzugang zur Verfügung stellen müsse. Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Internetnutzung durch einzelne Mitglieder zurückverfolgt werden kann. So führte das BAG bereits 2012 (Az. 7 ABR 23/11) aus, dass der Arbeitgeber hierzu bspw. Gruppenaccounts bereitstellen sollte. Dies wurde im zugrundeliegenden Sachverhalt im Verfahren 2016 bereits umgesetzt: Die Nutzung wurde zwar weiterhin durch den Arbeitgeber technisch aufgezeichnet, eine personenbezogene Auswertung auf Ebene einzelner Betriebsratsmitglieder war jedoch nicht ohne Weiteres möglich.
Sicherheitsinteresse des Arbeitgebers
Was der Betriebsrat bei seinem Wunsch nach einer unkontrollierten Kommunikationsnutzung außer Acht ließ, war das berechtigte Sicherheitsinteresse des Arbeitgebers. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, den E-Mail- und Internetverkehr über ein geschütztes, technisch abgesichertes Netzwerk abzuwickeln – auch den des Betriebsrats.
Gerade bei sensiblen Informationen, etwa im Rahmen von Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG, liegt es im Interesse beider Seiten, dass diese innerhalb eines gesicherten Systems übertragen werden. Ein unkontrollierter Zugang zum Internet oder ein extern betriebener E-Mail-Server könnten hingegen eine für den Arbeitgeber nicht hinnehmbare Sicherheitslücke darstellen, die sich auf den gesamten Betriebsablauf auswirken könnte.
Auch bei der arbeitgeberseitigen Sperrung einzelner Domains besteht kein pauschaler Anspruch des Betriebsrats auf Umgehung: Hält der Betriebsrat den Zugriff auf eine gesperrte Website für erforderlich, kann er stattdessen einen Anspruch auf Freischaltung nach § 40 Abs. 2 BetrVG geltend machen – ein Vorgehen, bei dem die Interessen beider Parteien abgewogen und hinreichend gewahrt werden sollen.
Praktische Lösung statt Frontenbildung
Zwar hat der Betriebsrat kein generelles Recht auf vollkommen vom Arbeitgeber unabhängige Kommunikationsmittel, dennoch ist eine ungerechtfertigte Kontrolle durch den Arbeitgeber unzulässig. Das Bedürfnis des Betriebsrats nach Unabhängigkeit steht dem Sicherheitsinteresse des Arbeitgebers gegenüber. Um Konflikte zu vermeiden, ist es ratsam, frühzeitig eine einvernehmliche Lösung zu finden, die beide Seiten berücksichtigt. Eine Betriebsvereinbarung, die den Arbeitgeber zur Nichtüberwachung des Betriebsrats verpflichtet, sowie klare Regelungen zum Umgang mit Kommunikationsdaten bieten hierfür eine sinnvolle Grundlage.
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