Ernährung: Vergessenes Superfood? Warum die afrikanische Küche so gesund ist

In der Ernährungsforschung sind traditionelle afrikanische Gerichte ein blinder Fleck. Dabei tun sie dem Körper schon nach kürzester Zeit Gutes, zeigt eine Studie aus Tansania

Apr 3, 2025 - 17:29
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Ernährung: Vergessenes Superfood? Warum die afrikanische Küche so gesund ist

In der Ernährungsforschung sind traditionelle afrikanische Gerichte ein blinder Fleck. Dabei tun sie dem Körper schon nach kürzester Zeit Gutes, zeigt eine Studie aus Tansania

Einen fettigen Burger, salzige Pommes und dazu noch einen süßen Softdrink: Viele Menschen in Industrieländern ernähren sich von stark verarbeiteten, kalorienreichen Lebensmitteln. Das lässt Fettzellen sprießen, treibt die Entzündungswerte in die Höhe, bringt die Darmflora durcheinander und erhöht das Risiko von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Leider sind ausgerechnet unsere ungesunden Lebensmittel ein Exportschlager. In vielen Ländern verdrängen sie zunehmend die gesündere traditionelle Küche. 

Berühmt sind etwa die Vorzüge der ursprünglichen Mittelmeerdiät. Sie ist reich an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fettsäuren, hauptsächlich aus Olivenöl. Dazu werden moderate Mengen an Eiern, Fisch und Milchprodukten aufgetischt, rotes Fleisch gibt es nur selten. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass diese Ernährungsweise die Gesundheit fördert und die Sterblichkeit senkt. Auch die japanische Küche tut dem Körper nachweislich gut. Weniger Aufmerksamkeit schenkten Forschende bislang traditionellen Ernährungsmustern aus anderen Erdteilen, beispielsweise aus Afrika. Dort sind momentan industriell verarbeitete Lebensmittel auf dem Vormarsch – und mit ihnen chronische Erkrankungen. 

Ein Team um Godfrey S. Temba von der KCMC University in Tansania und dem Radboud University Medical Center in den Niederlanden nahm nun die traditionelle Ernährungsweise im Norden Tansanias, nahe dem Kilimandscharo, unter die Lupe. Sie ist reich an Obst, Gemüse, Bohnen, Wurzeln und Knollen, Vollkornprodukten und fermentierten Lebensmitteln. 77 gesunde junge Männer aßen zwei Wochen lang nach einem vorgegebenen Protokoll. Wer sich zuvor eher nach westlichen Mustern ernährt hatte, stellte auf traditionelle Lebensmittel um – und umgekehrt. 

Mbege wird aus Hirse und Bananen gebraut. Die enthaltenen Mikroben und ihre Stoffwechselprodukte fördern die Gesundheit, der Alkoholanteil von ein bis drei Prozent schadet ihr eher
Mbege wird aus Hirse und Bananen gebraut. Die enthaltenen Mikroben und ihre Stoffwechselprodukte fördern die Gesundheit, der Alkoholanteil von ein bis drei Prozent schadet ihr eher
© Mkuu Cultural Tourism

Für die einen gab es beispielsweise Weißbrot, Würstchen, Pommes und Pfannkuchen; für die anderen unter anderem Okra, Bohnen, Avocado oder Porridge mit fermentierter Milch. Eine dritte Gruppe, die normalerweise industriell verarbeitetem Essen zusprach, nahm eine Woche lang täglich ein fermentiertes Getränk aus Bananen und Hirse namens Mbege zu sich. Das Bier wird traditionell vom Volk der Chagga gebraut. Zehn Probanden dienten als Kontrollgruppe; sie aßen weiterhin ihren Gewohnheiten entsprechend. 

Die Forschenden maßen mehrere Gesundheitswerte, sowohl zu Beginn der zweiwöchigen Ernährungsumstellung als auch danach. Eine weitere Untersuchung erfolgte vier Wochen nach Ende des Versuchs. Das Team konzentrierte sich dabei auf Stoffwechselprozesse und die Arbeit des Immunsystems. Außerdem maß es die Konzentration von Entzündungsmarkern im Blut. 

Ein Festmahl für die Darmflora

Die Ergebnisse, die nun in der Fachzeitschrift "Nature Medicine" erschienen, sprachen eine überraschend deutliche Sprache. Nach nur zwei Wochen auf Salz, Zucker, Kohlenhydraten und gesättigten Fettsäuren stiegen bei Männern, die sich vorübergehend von Junkfood ernährten, die Entzündungswerte. Stoffwechselprozesse, die mit chronischen Erkrankungen in Verbindung stehen, veränderten sich, und Zellen des Immunsystems schwächelten im Kampf gegen Krankheitserreger. Umgekehrt wirkten sich sowohl Mbege als auch die regionale Küche vorteilhaft auf die Gesundheit aus. Sie dämpften insbesondere Entzündungsprozesse im Körper. Selbst vier Wochen nach dem Versuch waren mache Messwerte noch nicht auf Ausgangsniveau zurückgekehrt – im Guten wie im Schlechten. 

Ihre gesundheitsfördernde Wirkung entfaltet die traditionelle Ernährungsweise vermutlich auf mehrere Arten. Sie ist reich an Ballaststoffen und Substanzen, die für ihre entzündungshemmende Wirkung bekannt sind. Auch die Mikrobengemeinschaft im Darm profitiert, was wiederum dem ganzen Körper zugute kommt. Die Vorteile für Stoffwechsel und Immunsystem seien wahrscheinlich "auf vorteilhafte Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Nahrungsmitteln und bioaktiven Substanzen zurückzuführen und nicht auf eine einzelne Komponente, wie dies auch bei der Mittelmeerdiät der Fall ist", schreiben die Autoren und Autorinnen. Will heißen: Das Gesamtpaket macht's.

Auch wenn die Zahl der – rein männlichen – Probanden gering und der Studienzeitraum kurz waren, tragen die Forschenden mit ihrer Arbeit dazu bei, eine wichtige Wissenslücke zu schließen. "Afrikanische Bevölkerungsgruppen sind in der ernährungswissenschaftlichen und immunologischen Forschung stark unterrepräsentiert, und es liegen nur wenige Daten über die immunologischen und metabolischen Auswirkungen der traditionellen afrikanischen Ernährung vor", heißt es in der Veröffentlichung. Dabei biete die kulinarische Vielfalt des Kontinents "eine einzigartige Chance, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Lebensmittel die Gesundheit beeinflussen", sagt Quirijn de Mast, Co-Autor der Studie und Internist am Radboud University Medical Center. 

Die Forschenden haben Sorge, dass viele regionale Speisen dem Siegeszug der westlichen Ernährung mit all ihren Nachteilen zum Opfer fallen – und dass den Menschen in afrikanischen Ländern Maßnahmen zur Gesundheitsförderung übergestülpt werden, die auf Europa und die USA zugeschnitten sind. "Die politischen Entscheidungsträger stützen sich häufig auf Erkenntnisse aus dem globalen Norden, die die regionalen Unterschiede in der Ernährung, der Kultur und den Genen nicht berücksichtigen", mahnen sie.