Die AfD muss keinen gewaltsamen Umsturz planen, damit ein Verbot Erfolg hätte

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) behauptet in einem SPIEGEL-Interview – leider unwidersprochen –, ein Verbot der AfD erfordere den Nachweis, dass sie „aktiv, notfalls mit Gewalt, einen Umsturz plant“. Dafür sehe man derzeit keine ausreichenden Belege. Solche Belege braucht es jedoch gar nicht. Parteien können auch unterhalb der Schwelle der Gewaltanwendung verboten werden. Das hat […] The post Die AfD muss keinen gewaltsamen Umsturz planen, damit ein Verbot Erfolg hätte appeared first on Volksverpetzer.

Mai 10, 2025 - 10:53
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Die AfD muss keinen gewaltsamen Umsturz planen, damit ein Verbot Erfolg hätte

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) behauptet in einem SPIEGEL-Interview – leider unwidersprochen –, ein Verbot der AfD erfordere den Nachweis, dass sie „aktiv, notfalls mit Gewalt, einen Umsturz plant“. Dafür sehe man derzeit keine ausreichenden Belege. Solche Belege braucht es jedoch gar nicht. Parteien können auch unterhalb der Schwelle der Gewaltanwendung verboten werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach klargestellt.

Schuster stellt unerreichbare Anforderungen

Innenminister Schuster nennt als möglichen Beleg eines „aggressiv-kämpferischen“ Vorgehens der AfD, wenn etwa der Umsturzplan der Gruppe um Prinz Reuß der Partei „klipp und klar“ zugeordnet werden könnte. Dafür scheine es im Moment keine rechtssicheren Nachweise zu geben.

Wer wie Schuster argumentiert, wird einen Verbotsantrag gegen die AfD wohl nie für Erfolg versprechend halten. Seine Aussagen haben aber auch nichts mit den Maßstäben zu tun, die das Bundesverfassungsgericht für Parteiverbote insbesondere in seiner zweiten NPD-Entscheidung von 2017 entwickelt hat.

Aber von vorn:

Nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes sind Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet gemäß Absatz 4 ausschließlich das Bundesverfassungsgericht.

Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählen drei zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind: die Garantie der Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Dass eine Partei die Beseitigung oder Beeinträchtigung mindestens eines dieser Grundprinzipien anstrebt, reicht jedoch nicht aus. Die betreffende Partei muss auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung „ausgehen“.

Schuster definiert dieses Darauf Ausgehen nun mit dem schon lange in der Debatte herumgeisternden Begriff der „aggressiv-kämpferischen Haltung“. Diese Formulierung stammt aus der Entscheidung zum Verbot der KPD aus dem Jahr 1956. Darin schrieb das Bundesverfassungsgericht:

„Es muß [zu der Zielsetzung] eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen (…)“. Die Formulierung ist nicht besonders glücklich gewählt, weil „kämpferisch“ und „aggressiv“ nicht unbedingt so verstanden wird, wie das Bundesverfassungsgericht es versteht, nämlich wie folgt: „(…) [die Partei] muß planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen (…) [Ihre Absicht muss] so weit in Handlungen (das sind u. U. auch programmatische Reden verantwortlicher Persönlichkeiten) zum Ausdruck kommen, daß sie als planvoll verfolgtes politisches Vorgehen der Partei erkennbar wird.“

Vergangene Verbotsentscheidungen

In seiner zweiten NPD-Entscheidung von 2017 rezipierte das Bundesverfassungsgericht das KPD-Urteil und den Begriff „kämpferisch-aggressiv“ (Rn. 574), um ihn dann aber – zunächst – beiseitezulassen und schlicht zu definieren als „ein planvolles Handeln im Sinne qualifizierter Vorbereitung“. Für ein qualifiziertes planvolles Vorgehen der Partei sei wiederum erforderlich, dass sie kontinuierlich und zielorientiert auf die Verwirklichung eines der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechendes politisches Konzept hinarbeite (Rn. 576 f.).

Im Falle der NPD genügte dem Bundesverfassungsgericht dafür, dass die Partei eine „Vier-Säulen-Strategie“ besaß und sie planmäßig umsetzte (Rn. 856 ff.): den „Kampf um die Köpfe“ (z.B. durch Vereinsarbeit), den „Kampf um die Straße“ (z.B. durch Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte), den „Kampf um die Parlamente“ (z.B. durch Obstruktion) und den „Kampf um den organisierten Willen“ (z.B. durch die Konzentration aller „nationalen Kräfte“).

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Entzug der Parteienfinanzierung für Die Heimat (ex-NPD) im Jahr 2024 kehrte zwar die „aktiv kämpferische Haltung“ (Rn. 292) bzw. die „aggressiv-kämpferische Haltung“ (Rn. 296) zurück in das Vokabular des Gerichts; das änderte aber überhaupt nichts an dem vorstehenden Verständnis des Gerichts davon, was mit dem „Daraufausgehen“ in Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes gemeint ist.

Gewalt oder Umsturz sind keine notwendige Voraussetzung

Das Bundesverfassungsgericht hat zudem in allen drei erwähnten Entscheidungen ausdrücklich klargestellt, dass ein strafbares Verhalten – insbesondere also die Anwendung von Gewalt oder gar die Planung eines „Umsturzes“ – gerade keine Voraussetzung für ein „Daraufausgehen“ und damit für ein Parteiverbot ist. Das sei mit dem präventiven Charakter des Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht vereinbar.

Das Strafrecht knüpfe an ein vergangenes Verhalten von Einzelpersonen an. Parteiverbote dienten demgegenüber der Abwehr künftig möglicher Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Das Gericht schreibt: „Eine Partei kann auch dann verfassungswidrig sein, wenn sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele ausschließlich mit legalen Mitteln und unter Ausschluss jeglicher Gewaltanwendung verfolgt. Das Parteiverbot stellt gerade auch eine Reaktion auf die von den Nationalsozialisten verfolgte Taktik der ‚legalen Revolution‘ dar, die die Machterlangung mit erlaubten Mitteln auf legalem Weg anstrebte“ (Rn. 578).

Solche irreführenden Argumente sind gefährlich

Umgekehrt gilt natürlich: Lässt sich feststellen, dass Anhänger einer Partei in einer ihr zurechenbaren Weise Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele anwenden, spricht das dafür, dass die Partei das staatliche Gewaltmonopol nicht anerkennt und sich insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip wendet. Zugleich wäre eine der Partei zurechenbare Anwendung oder Billigung von Gewalt ausreichend, um davon auszugehen, dass sie auf die Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgeht (Rn. 580).

Umgekehrt wird also ein Schuh draus. Und es ist folglich schlicht falsch, wenn Innenminister Schuster meint, ein Verbot der AfD komme nur beim Nachweis von – notfalls gewaltsamen – Umsturzplänen in Betracht. Entscheidend ist, ob die Partei sich gegen Menschenwürde, Demokratie und/oder Rechtsstaat richtet; und ob sie dieses Ziel planvoll verfolgt. Darüber lohnt es sich – auch nach der Hochstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zur „gesichert rechtsextremistischen“ Bestrebung – zu debattieren.

Wer aber die Hürden für Parteiverbote entgegen dem Bundesverfassungsgericht in schier unüberwindbare Höhen hebt, unterbindet jede konstruktive Diskussion. Das ist besonders misslich, wenn es von einem Landesinnenminister kommt, der zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung jedes Instrument im Werkzeugkasten der streitbaren Demokratie kennen sollte – gerade wenn so viel auf dem Spiel steht.

Artikelbild: Patricia Bartos/dpa

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