Bundeskanzler: „Verheerendes Signal“: Das sagen Ökonomen zur Wahl-Klatsche von Merz
Ein Debakel in Berlin: Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler gescheitert. Ökonomen zeigen sich besorgt

Ein Debakel in Berlin: Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler gescheitert. Ökonomen zeigen sich besorgt
CDU-Chef Friedrich Merz ist bei der Wahl zum Bundeskanzler im ersten Wahlgang gescheitert. Der 69-Jährige verfehlte im Bundestag die Kanzlermehrheit von 316 Stimmen. Die neue Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD verfügt über 328 Stimmen im Parlament. Die Fraktionen beraten nun, wie sie weiter vorgehen wollen. Wann einer zweiter Wahlgang stattfinden wird, ist noch offen. Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:
Carsten Brzeski, ING-Chefvolkswirt:
„Das sollte die letzte Erinnerung sein, dass diese Regierung wirklich liefern muss. Für ausländische Investoren ist das ein Zeichen, dass sich nicht jeder der aktuellen Lage und Dringlichkeit bewusst ist.“
Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt Hamburg Commercial Bank:
„Die fehlenden Stimmen zur Wahl von Friedrich Merz kann man sicherlich als Vorgeschmack auf die nicht ganz einfache Regierungsarbeit sehen, mit der Union und SPD zu tun haben werden. Überdramatisieren sollte man die Lage aber auch nicht. Schließlich hat man sich im Koalitionsvertrag auf viele sinnvolle Maßnahmen geeinigt, die Parteien haben diesen Plänen zugestimmt und von daher ist davon auszugehen, dass ein Großteil dieser Maßnahmen in den kommenden Monaten und Jahren auch umgesetzt werden. Die Hoffnung, dass jetzt endlich der Startschuss gegeben wird, um das Land rasch wieder auf Vordermann zu bringen, diese Hoffnung hat sich zunächst nicht erfüllt. Das ist ärgerlich, wird aber vermutlich nur kurzfristig auf die Stimmung schlagen und spätestens dann verfliegen, wenn die ersten wirtschaftspolitischen Maßnahmen dann endlich beschlossen und umgesetzt werden.“
Marcel Fratzscher, Präsident DIW-Institut:
„Die Wahlniederlage für Friedrich Merz bei der Wahl zum Bundeskanzler ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und zeigt, wie tief gespalten der Bundestag ist. (...) Eine Schlussfolgerung dieser Wahlniederlage ist, dass Union und SPD dringend mehr Mut für grundlegende Reformen und Veränderungen benötigen und der Koalitionsvertrag keine gute Grundlage für das Regieren in den nächsten Jahren sein kann.
Das fehlende Vertrauen bei Bürgern und Unternehmen ist Deutschlands größtes Problem heute, denn die wirtschaftliche Realität ist noch immer deutlich besser als die Stimmung. Diese Wahlniederlage weckt Erinnerungen an den Streit und das Scheitern der Ampel-Regierung. Die Unfähigkeit von Friedrich Merz, eine Mehrheit der Stimmen im Bundestag hinter sich zu vereinen, dürfte manche Hoffnungen zunichtemachen und weiteres Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zerstören. Wir benötigen nun dringend bessere politische Führung – sowohl innerhalb der Union als auch bei der SPD –, um den entstandenen Schaden nicht noch größer werden zu lassen.“
Jens Südekum, Professor für International Economics:
„Zwar gab es einige Warnungen, dass es knapp werden könnte. Aber eigentlich waren alle davon ausgegangen, dass die Wahl schon glattgehen wird. Dass Merz nun im ersten Wahlgang gescheitert ist, sendet ein verheerendes Signal in die Gesellschaft und in die Wirtschaft: Die Reihen sind nicht geschlossen. Auch in Zukunft muss mit Querschüssen gerechnet werden, wenn es um heikle Themen geht. Dabei brauchen der Wirtschaftsstandort und das gesamte Land vor allem eines – eine stabile Regierung, die planbare Politik betreibt.“
Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt:
„Die Abstimmungspanne ruft in Erinnerung, dass sich eine künftige schwarz-rote Bundesregierung nur auf eine äußerst knappe Mehrheit stützen könnte. Das ist ein schwieriges Umfeld für wirtschaftspolitische Reformen. Wir erwarten weiter keinen echten Neustart in der Wirtschaftspolitik, der nach der langjährigen Erosion der Standortqualität notwendig wäre.“