Bernd Ziesemer: Friedrich Merz fehlt das Rückgrat gegenüber China

Jeder Halbsatz von US-Präsident Donald Trump kann die internationalen Börsen nach oben oder nach unten treiben. Nie war investieren für Privatanleger schwieriger als jetzt

Mai 5, 2025 - 07:45
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Bernd Ziesemer: Friedrich Merz fehlt das Rückgrat gegenüber China

Jeder Halbsatz von US-Präsident Donald Trump kann die internationalen Börsen nach oben oder nach unten treiben. Nie war investieren für Privatanleger schwieriger als jetzt

Gerade einmal elf Zeilen auf insgesamt 146 Seiten widmet der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung dem Thema China. Man will gemeinsam mit Xi Jinping „Menschheitsaufgaben“ angehen, auf die „Einhaltung von Regeln“ pochen, eine Politik des „De-Risking“ fortsetzen und sich gemeinsam mit den EU-Staaten und den anderen westlichen Partnern abstimmen. Das hört sich nach einem „Weiter so“ an, keinem Bruch mit der lauwarmen Haltung von Olaf Scholz und Angela Merkel. Nur einen einzigen Satz aus dem Papier kann man mit reichlich gutem Willen als klare Aussage interpretieren: „Die Elemente systemischer Rivalität“ seien durch das Vorgehen Chinas mittlerweile in den „Vordergrund gerückt“.

Weder der neue Bundeskanzler Friedrich Merz noch sein Außenminister Johann Wadephul und seine Wirtschaftsministerin Katherina Reiche verfügen über tiefere China-Kenntnisse. Deshalb dürfte es auch schwerfallen, die Leerstellen des Vertrags durch praktische Politik zu füllen. Anders als zum Beispiel in der Ukraine-Politik kann man nicht absehen, wie sich die neue Bundesregierung von der Alten absetzen will. Deshalb besteht die Gefahr, dass die Lobbyisten der deutschen Industrie und der chinesischen Staatswirtschaft weiter ihre einseitige Sichtweise durchsetzen können. 

Von dem China-Experten Andreas Fulda stammt der treffende Ausdruck, Merkel und Scholz hätten die deutsche Politik gegenüber der Volksrepublik an einige große Unternehmen wie BASF oder VW „outgesourct“. Weil sich die Regierung Merz als ganz besonders „wirtschaftsnah“ profilieren will, besteht die Gefahr einer Fortsetzung dieser falschen Strategie.

China wird Merz fordern

In den nächsten vier Jahren dürfte die Regierung Merz in Sachen China sehr viel stärker gefordert sein als die Vorgänger. Kurzfristig besteht die Gefahr, dass die Bundesrepublik im Handelskrieg zwischen den USA und China zwischen die Fronten gerät. Die Flut chinesischer Exporte und Dumping-Preise gefährden die Interessen der deutschen Wirtschaft massiv. Und auch die wachsende Unterstützung Chinas für den Krieg Russlands gegen die Ukraine könnte die neue Bundesregierung zu der überfälligen Entscheidung zwingen, Sekundärsanktionen gegen chinesische Unternehmen zu verhängen. Und last but not least muss sich Deutschland darauf einstellen, dass sich die Lage rund um Taiwan weiter zuspitzt – mit verheerenden Folgen für die gesamte Weltwirtschaft.

Es war Olaf Scholz persönlich, der sich einer härteren Haltung gegenüber Peking widersetzte. Man denke nur an Versuche, auf EU-Ebene Zölle gegen chinesische Autoexporte zu verhindern. Oder an das merkwürdige Hin und Her um Huawei und die Versuche der Chinesen, in die kritische Infrastruktur Europas einzudringen. Die Regierung Merz wird sich entscheiden müssen, ob sie in solchen ganz konkreten Streitfragen einen anderen Kurs fährt. Die deutsche Regierung hält den „Schlüssel für eine geschlossenere und effektivere europäische Haltung gegenüber China“ in der Hand, schreibt der Außenpolitikexperte Noah Barkin im neusten Newsletter des German Marshall Funds. Genauso ist es.