Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland: Vielleicht demnächst Ersatz für US-Training, Verlegung in die Ukraine vorerst kein Thema
Rund 20.000 ukrainische Soldaten wurden seit Juni von mehreren europäischen Staaten in Deutschland ausgebildet. Federführend dafür ist unter dem Dach der EU-Ausbildungsmission für die Ukraine (EUMAM UA) das Special Training Command (ST-C) in Strausberg östlich von Berlin, das nun seit genau 100 Tagen von Olaf Rohde geführt wird. Mit dem 58-jährigen Generalmajor, im Hauptberuf Kommandeur Ausbildungskommando des Heeres, haben meine Kollegin Nana Brink und ich über die Anforderungen an die Ausbildung der Ukrainer gesprochen. Auch unter dem Aspekt, dass die

Rund 20.000 ukrainische Soldaten wurden seit Juni von mehreren europäischen Staaten in Deutschland ausgebildet. Federführend dafür ist unter dem Dach der EU-Ausbildungsmission für die Ukraine (EUMAM UA) das Special Training Command (ST-C) in Strausberg östlich von Berlin, das nun seit genau 100 Tagen von Olaf Rohde geführt wird. Mit dem 58-jährigen Generalmajor, im Hauptberuf Kommandeur Ausbildungskommando des Heeres, haben meine Kollegin Nana Brink und ich über die Anforderungen an die Ausbildung der Ukrainer gesprochen. Auch unter dem Aspekt, dass die EU vielleicht demnächst eine wegfallende Ausbildung ukrainischer Soldaten durch die USA ersetzen muss. Das Gespräch im Wortlaut:
Frage: Herr Rohde, Sie sind jetzt 100 Tage Kommandeur der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland. Was hat sich denn am gravierendsten, am auffälligsten verändert in diesen 100 Tagen? Es war ja eine weltpolitisch rasante Auf- und Abfahrt.
Rohde: Als ich die Aufgabe übernommen habe, war ich erst einmal sehr überrascht, was wir alles an Unterstützung für die Ukraine leisten. Mir war gar nicht bewusst, in welchem Detaillierungsgrad wir was und wie viel in Deutschland machen und an welchen Standorten und wie viele Leute eingebunden sind. Ich bin begeistert von der Arbeit im multinationalen Stab in Strausberg. Und ich bin zufrieden, wie gut die Zusammenarbeit mit den Ukrainern klappt.
Aber was sich verändert hat in diesen 100 Tagen: Wir bekommen derzeit leider sehr viele Absagen von den Ukrainern, was geplante Ausbildungen angeht. Das hat gerade zu Beginn dieses Jahres zugenommen. Für mich zeigt das auch, dass es dort Schwierigkeiten gibt.
Frage: Begründet die Ukraine diese Absagen?
Rohde: Die Anfragen zur Ausbildung kommen über den ukrainischen Verbindungsoffizier. Wir planen dann die Ausbildung. Und genauso wie wir die Ausbildung planen, über den ukrainischen Verbindungsoffizier, kommen auch über ihn die Absagen. Ich möchte dann immer wissen, ob sie die Ausbildung nicht brauchen, weil sie die Soldaten woanders einsetzen, oder ob sie diese Ausbildung vielleicht woanders machen. Dann wäre für uns die Frage: Machen wir die Ausbildung aus ihrer Sicht nicht richtig? Aber die häufigste Antwort ist: Wir können die Leute nicht schicken, weil wir sie nicht haben. Wir müssen eben auch damit umgehen, dass die Ukraine uns eine Zusage macht, morgen kommen 100 Leute – dann kommen aber nur 50. Wir müssen damit umgehen, weil das ein Land im Krieg ist.
Frage: Die Ukraine braucht diese Soldaten also an der Front?
Rohde: Die brauchen sie. Sie brauchen sie in der Regel im Inland, in der Regel für Kampfaufträge oder für andere Aufträge. Und wenn wir zum Beispiel über ein Infanteriebataillon, das wir ausbilden, oder eine Infanteriekompanie, reden, dann können wir davon ausgehen, dass die Soldaten, die eigentlich kommen sollten, unmittelbar in den Einsatz geschickt wurden.
Frage: Nun haben Sie eine ziemliche Bandbreite in der Ausbildung von klassischer Infanterie bis zu High-Tech-Ausbildung zum Beispiel an Patriot-Flugabwehrsystemen. Sind diese Absagen ein Infanterieproblem, vereinfacht gesagt, oder zieht sich das durch alle Ausbildungen durch?
Rohde: Im Moment stellen wir das signifikant fest in der Infanterieausbildung, also für eine Infanteriekompanie oder ein Infanteriebataillon, oder in der Ausbildung der Brigadestäbe. Alles andere, Patriot-Ausbildung, Kampfpanzer-Ausbildung, Schützenpanzer-Ausbildung, wo es auch mehr um Einzelfähigkeiten geht, ist davon nicht so stark betroffen.
Frage: Es gab ja auch Gerüchte aus der Ukraine, es würden Leute aus diesen technischen Bereichen abgezogen und für infanteristische Zwecke eingesetzt, weil es da einen Mangel gibt. Erleben Sie das?
Rohde: Das können wir so nicht nachvollziehen. Was wir an technischen Ausbildungen planen wird in der Regel so durchgeführt. Nur diese infanteristische Tätigkeit, die wird im Moment häufiger abgesagt.
Frage: Sie und die EU haben in Deutschland kein Ausbildungsmonopol. Es gibt den Truppenübungsplatz Grafenwöhr, wo die USA ausbilden. Vor dem Hintergrund dessen, was wir bei einem großen Verbündeten USA sehen, an Entwicklungen: Gibt es da bei Ihnen schon Überlegungen oder Befürchtungen, dass Sie da demnächst etwas übernehmen müssen, was eventuell an der Stelle wegfällt?
Rohde: Die Überlegung habe ich noch nicht. Wir haben ja als EUMAM UA MN ST-C in Strausberg den Auftrag, die Ausbildung in Deutschland zu koordinieren, also alles auf deutschem Boden. Grafenwöhr ist zwar auf deutschem Boden, aber in der Ausbildungshoheit der Amerikaner. Ich sage meinen Leuten immer, wir müssen darauf eingestellt sein, weitere Aufgaben zu übernehmen und dass wir auch weiter schauen müssen, wie wir die Ukrainer in Zukunft noch besser ausbilden. Aber das ist eine Daueraufgabe.
Frage: Könnten Sie einen Ausstieg der USA bei der Ausbildung überhaupt auffangen?
Rohde: Ich denke schon, dass wir noch Kapazitäten haben. Und wenn die Ukrainer bei uns anfragen, dann prüfen wir, was wir machen können. Der Inspekteur des Heeres hat die Ukraine-Ausbildung zu einem Schwerpunkt erklärt. Und das setzt er auch um. Von daher glaube ich, wenn wir mehr Anfragen bekommen, werden wir das auch können. Da muss im Einzelfall aber immer geschaut werden, um was es genau geht. Vielleicht können wir bestimmte Dinge auch mal nicht, aber die allgemeine soldatische Ausbildung, Besatzungsausbildung, Verbandsausbildung, das können wir in der Regel.
Frage: Wie viele Leute haben Sie derzeit im Einsatz als Ausbilder, so im Schnitt?
Rohde: Der Stab in Strausberg ist etwa 100 Personen aus 13 Nationen stark. Mit Unterstützern und Ausbildern sind wir etwa bei 1.500 Leuten aus 22 Nationen, die sich mit der Ausbildung für ukrainische Soldatinnen und Soldaten in Deutschland beschäftigen. Das sind Trainings und Ausbildungen bei den Teilstreitkräften und Organisationsbereichen, aber auch unter anderem bei der Industrie direkt.
Das ist also ein hoher Personalansatz von Seiten des Militärs. Aber wir reden dabei auch über Sprachmittler und über Rahmenbedingungen wie Transport oder sanitätsdienstliche Unterstützung. Und wir reden über Unterkunftskapazitäten und über Betreuung und Fürsorge sowie über Kompaniefeldwebel. Und wir müssen ja auch die unterstützen, die in der Ausbildung in den Hubs eingesetzt sind, also auf einem Truppenübungsplatz zum Beispiel.
Frage: Eine Frage, bei der Sie wahrscheinlich sehr schnell sagen werden: beyond my pay grade – ich stelle sie trotzdem, auch vor dem Hintergrund, wie sich das alles entwickelt: Müssen Sie nachdenken, vorbereiten, planen, für eine Verlegung, nicht mehr in Deutschland auszubilden, sondern in der Ukraine selbst?
Rohde: Mir gehen die Gedanken natürlich im Kopf herum. Aber Fakt ist ja im Moment, dass wir das derzeitige EU Mandat für Ausbildung in Deutschland haben, das bis Ende nächsten Jahres gilt. Nochmal: Dieses Mandat sagt ganz klar, es geht um die Ausbildung in Deutschland. Daran sind wir natürlich gebunden.
Und es wird sich zukünftig die Frage stellen, wie die Ukraine das selber haben will. Denn wir reden jetzt über Ausbildung in Deutschland, dazu holen wir die Ukrainer zur Ausbildung hierher. Das ist ein enormer Aufwand, keine Frage. Aber für die Ukrainer hat das zwei große Vorteile: die Teilnehmer können sich hier bei der Ausbildung, ich sage es mal etwas einfach, auch mal entspannen und sich erholen. Sie bekommen etwas Warmes zu essen, sie haben eine warme Unterkunft und es geht ihnen hier gut. Wenn man sie fragt, dann sagen sie das auch so. Und die Ausbildungsorte in Deutschland sind eben keine Angriffsziele. Wenn wir die Ausbildung in der Ukraine durchführen würden zum jetzigen Zeitpunkt, wäre jeder Ausbildungsort ein potenzielles Ziel und das schließen wir hier damit aus.
Von daher sage ich: Im Moment halte ich es für gut, wie es ist. Wenn es zukünftig anders kommt, müssen wir sicherlich sehen, wie wir uns aufstellen und wie wir das organisieren. Aber dazu bräuchten wir ein neues Mandat, das ist eine politische Entscheidung. Und bis dahin ist das alles zunächst nur ein Gedankenspiel über militärische Optionen in meinem Kopf.
Frage: Kommt nicht von der ukrainischen Seite die Frage, ob die Ausbildung nicht dort stattfinden könnte?
Rohde: Die Ukraine überlegt schon, ob sie selber Ausbildung auch in ihr Land verlagern könnte. Vorteil: Sie hätten die Soldaten im Land und kurzzeitig verfügbar. Deshalb überlegen sie schon, ob sie Ausbildungszentren im eigenen Land aufbauen. Aber das ist erst mal in der Überlegung.
Damit in Zusammenhang steht auch das Thema Ausbildung der Ausbilder, also dass wir weniger den einfachen Infanteriesoldaten ausbilden, sondern vielmehr den Infanterieausbilder als Multiplikator. Der geht dann in die Ukraine zurück und macht die Ausbildung für den Infanteristen dort. Ich glaube, dass es bald auch in die Richtung gehen wird.
Frage: Es ist ja offenes Geheimnis, dass von ukrainischer Seite oder von Soldaten, die hierher zur Ausbildung kamen, gesagt wurde: Ausbildung war hier super, infanteristisch toll. Aber wo sind eure Drohnen? Wo ist eure Realität, die sich mit dem irgendwie spiegelt, was wir in der Ukraine erleben? Hat sich da was getan? Kommen Sie näher an die Realität ran mit der Ausbildung?
Rohde: Die Frage ist ja immer: was ist die Realität?
Frage: Dass viele Drohnen in der Luft fliegen.
Rohde: Viele Drohnen in der Luft ist die eine Realität, aber „Grabenkampf Erster Weltkrieg“ ist auch die Realität. Also von daher: Ja und nein. Beides ist richtig. Es darf jetzt keine Uneinigkeit entstehen in der Weise, dass die Ukraine sagt, wir führen den modernen Krieg und ihr bildet uns nur in alter Art und Weise aus und das passt eben nicht mehr zusammen. Denn das stimmt nur bedingt. Am Ende müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass die ukrainischen Kameraden gut ausgebildet werden
Was das Thema Drohnen angeht: Ja, das ist richtig. Da sind die Ukrainer uns voraus, gar keine Frage. Sie haben viel mehr Expertise, viel mehr Technik, viel mehr Digitalisierung, und Sie haben auch die Einsatzerfahrung damit. Da laufen wir schon ein Stück weit hinterher. Ich muss aber auch sagen, dass wir in den letzten Wochen und Monaten schon einiges aufgeholt haben und jetzt auch mehr Ausbildungsgeräte zur Verfügung stellen können.
Frage: Wo haben Sie aufgeholt und von welchen Drohnen sprechen wir da?
Rohde: Wir haben Klein- und Kleinstdrohnen, die wir jetzt für Ausbildungen und Übungen einsetzen. Und deshalb glaube ich, dass wir da aufholen. Aber mengenmäßig eben noch nicht so signifikant. Diese Ausbildungen werden ja auch von der Industrie unterstützt und da höre ich von Industrievertretern, dass die gut vorankommen. Aber noch mal: die Mengen, die wir haben, sind noch nicht die, die die Ukraine braucht. Und bei den Verfahren, die die Ukraine anwendet, kann die Bundeswehr auch von den Erfahrungen der Ukrainer im Krieg lernen.
Nur ein Beispiel: Die Ukraine hat eine konkrete Ausbildung bei uns abgesagt. Da ging es um “call for fire”, also wie bringe ich das Artilleriefeuer in ein beobachtetes Ziel und die Zielaufklärung erfolgt durch eine Drohne. Die Ukraine hat das Training abgesagt, weil wir das nicht so ausbilden, was sie brauchen. Das war ein ganz konkreter Punkt, bei dem ich nachgefragt habe, was Sie denn genau brauchen. Und das klären wir jetzt erst mal genau, weil da eben offensichtlich die Verfahren andere sind.
Wenn wir jetzt aber wieder zu dem Punkt Ausbildung im Inland kommen, dann werden wir bei der realistischen Ausbildung sicherlich irgendwann auch an Grenzen stoßen, insbesondere was Sicherheit auf den Übungsplätzen angeht. Das müssen wir auch bedenken. Da kommen wir dann zum Thema Schießsicherheit. Ich glaube nicht, dass alles, was auf dem Gefechtsfeld in der Ukraine passiert, auch von der Schießsicherheit in dem friedlichen Umfeld hier in Deutschland leistbar ist. Wenn die Ukraine sagt, „so wie im Einsatz“ dann werden wir nicht alles zu eins zu eins hier abbilden können.
Frage: Die Absage der Ukraine mal andersrum: Die haben das natürlich abgesagt, weil sie da schon viel weiter sind, als Sie es sind. Nur als Beispiel die beiden deutschen Firmen Helsing und Quantum, die einen liefern Drohnen für Aufklärung und Targeting, die anderen Kampfdrohnen, und die haben ja Ausbildung dort oder Produktionsstätten. Das heißt, eigentlich können Sie den Spieß umdrehen und von der Ukraine lernen?
Rohde: Das machen wir auch. Wir gewinnen natürlich auch Informationen und fragen, wie sie das machen und welche Verfahren sie anwenden. Wir reden mit ihnen und fragen nach ihren Erfahrungen. Da entsteht schon ein Satz von Daten und Informationen, aus denen wir unsere Schlüsse ziehen. Aber nochmal: rein von der Technik und der Verfügbarkeit sind die Ukrainer viel weiter. Da sind wir noch hinterher, weil einiges bei uns eben länger dauert. Wir stellen uns zum Beispiel die Frage, wer kann eigentlich die Drohne fliegen, wer hat den Lehrgang? Und bei denen machen sie es einfach. Die steuern sie mit einer App, probieren etwas aus und zwei Tage später können sie es.
Frage: Frustriert Sie das dann, dass diese Drohnen, finanziert von der Bundesregierung, in die Ukraine gehen und Sie sie nicht haben?
Rohde: Nein, die Dinge werden in der Ukraine ganz konkret gebraucht. Aber ich würde mir schon wünschen, dass wir noch schneller eine eigene Fähigkeit aufbauen, dass wir als Bundeswehr schneller eine Fähigkeit haben und dass wir diese im Zweifel zur Wirkung bringen können. Drohnen sind natürlich ein Thema heute und in der Zukunft und ohne wird es dauerhaft nicht funktionieren. Da können wir wirklich viel aus den Erfahrungen lernen und da müssen wir viel schneller und flexibler werden. Aber auf dem Gebiet passiert ja in der Bundeswehr derzeit auch sehr viel.
Frage: Zeigen Sie denen auch Drohnenabwehr oder sagen die, das können wir auch selber?
Rohde: Wir können Drohnenabwehr darstellen mit dem, was wir haben. Das ist derzeit noch überschaubar.
Frage: In ihren Kriegseinsätzen operieren die Ukrainer also selbstverständlich mit Drohnen, kommen dann zu Ihnen und stellen fest: Also da kriege ich die Ausbildung jetzt am Panzer und am Gefechtsstand. Aber das eigentliche, mit dem ich die ganze Zeit arbeite, das habe ich gar nicht.
Rohde: Die Panzerausbildung, wie auch alle anderen Ausbildungen, wird durch die Ukraine ja nachgefragt. Wir bilden nichts aus, was die Ukraine nicht will. Alles, was wir in Deutschland im Rahmen ST-C machen, ist von der Ukraine nachgefragt. Wir sollten aber die Ausbildung der Ukrainer eben nicht nur auf das Thema Drohnen reduzieren. Sie müssen Ausbildung auch in den verschiedenen Facetten und Fähigkeiten sehen, die im Gefecht der verbundenen Waffen notwendig sind und diese Bandbreite ist größer.
Sie brauchen zum Beispiel Ausbildung am Kampfpanzer, sie brauchen Ausbildung am Schützenpanzer und vieles andere mehr. Die Kameraden werden als Panzersoldaten oder als Infanteriesoldaten oder Pionier eingesetzt, die haben dann nicht unbedingt diesen Drohneneinsatz als Auftrag. Das machen andere.
Frage: Setzen die Ukrainer denn die gelieferten Waffensysteme so ein, wie die Vorstellungen oder Vorschriften in Deutschland festlegen?
Rohde: Das Fahrzeug, das sehr intensiv eingesetzt wird, ist der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard. Da hört man auch immer die guten Kritiken: der wirkt, der bringt wirklich viel. Den Schützenpanzer Marder setzen sie in der Regel als Transportfahrzeug ein, um die Soldaten von der Deckung an die Front zu bringen. Der Kampfpanzer Leopard wird natürlich auch eingesetzt, aber nicht immer so, wie wir es tun würden. Am Ende entscheiden es die Kräfte an der Front.
Frage: Oberhalb der Infanterieausbildung organisieren Sie Gefechtsstandausbildung oder Brigadeausbildung. Es wird ja ab und zu der Vorwurf erhoben, ab einer bestimmten Ebene im ukrainischen Militär sind Leute da, die noch alte sowjetisches Führungsdenken haben. Spielt das eine Rolle?
Rohde: Auftragstaktik ist unsere Philosophie, nicht Führen mit Befehl. Wir hatten den einen oder anderen Fall, wo das schwerer zu vermitteln war. Aber das wird schon deutlich weniger. Die Stäbe, die wir ausbilden, sind auch bereit anzunehmen, was wir ihnen an Führungsprozess anbieten. Da sind die Dinge nicht immer einfach, da muss man auch Überzeugungsarbeit leisten. Aber am Ende erkennen sie den Weg auch an, den wir ihnen mitgeben, dann machen sie etwas daraus. Wir erleben auch schon mal ganz am Ende einer Gefechtsstandausbildung, dass sie doch wieder in den alten Modus verfallen, dass sie dann wieder genau vom Anfang bis zum Ende in jeder Einzelheit sagen, wie es zu laufen hat. Also klassische Befehlstaktik statt der Auftragstaktik. Aber je jünger die Führer sind, die wir ausbilden, desto aufgeschlossener sind die auch. Und sie werden in der Regel im Moment auch jünger. Am Ende müssen die Ukrainischen Offiziere ihren Weg finden, wie sie erfolgreich die Brigaden führen. Wir können unseren Weg nur anbieten.
Frage: Die Bedrohungen der Ausbildung in Deutschland, die Meldung neulich aus Schleswig-Holstein mit den Drohnen-Meldungen, mit dem Ausspionieren der Ausbildung – hat das zugenommen? Ist das ein Grund zur Besorgnis?
Rohde: Wir hatten in den letzten Monaten im Schnitt weniger Drohnensichtungen als in den Monaten davor.
Frage: …wegen des Winterwetters?
Rohde: Ich bin mir nicht sicher, ob es unbedingt am Wetter liegt. Ja, wir haben im Januar vermehrt Sichtungen bei der Ausbildung gehabt. Insbesondere in Norddeutschland bei der Patriot-Ausbildung und das ist ja auch durch die Presse gegangen. In der Konsequenz haben wir dann die Drohnen-Aufklärungskräfte dort verstärkt. Aber seit einigen Wochen ist es dort zu keiner weiteren Sichtung gekommen.
Die Frage, die ich mir stelle ist, was der Hintergrund dieser Drohnenflüge ist. Wenn ein ausländischer Geheimdienst irgendwas über unsere Ausbildung erfahren wollte, weiß ich nicht, ob er wirklich eine Drohne dafür einsetzen müsste. Da gibt es auch andere verdeckte Wege, um das rauszufinden, was wir da tun.
Frage: Öffentlich verfügbare Nachschlagewerke zur Ausbildung kaufen?
Rohde: Diese Bücher kaufen, den Satelliten im Weltall umrouten, irgendwelche Menschen ansetzen. Also die haben im Zweifel schon andere Wege, um herauszufinden, was wir in der Ausbildung tun.
Ich glaube aber, dass der Gegner genau weiß, dass wir mit jeder Drohnensichtung eine Meldekette und Aktivitäten in Gang setzen, die Kräfte und Aufmerksamkeit binden. Wenn eine Drohne aufgeklärt wird, dann melden wir das erst mal. Da gibt es Meldungen zu Sicherheits-Vorkommnissen und mit dieser Bürokratie beschäftigen wir uns dann intern. Es wäre natürlich auch eine Methode, unsere Kräfte durch Bürokratie zu binden. Und es könnte auch dazu dienen, ein Gefühl von Unsicherheit zu schaffen. Dafür könnten eben auch Drohnen angesetzt werden. Warum fliegt eine Drohne durch die Unteroffizierschule des Heeres bei Dunkelheit? Was ist das Erkenntnisinteresse?
Frage: Weil sie es kann?
Rohde: Weil sie es kann, ganz genau. Aber welchen Nutzen hätte ein potenzieller Agent durch das Anschauen der Bilder? Der schaut in die Fenster der ukrainischen Kameraden, was die da abends machen. Ich persönlich vermute, dass es mehr für Unruhe und Aufregung und Meldungen sorgen soll, als dass das wirklich einen Mehrwert an Informationen bringt. Gleichwohl nehmen wir das nicht auf die leichte Schulter und lassen in unserer Aufmerksamkeit nicht nach.
Frage: Aber Sie sehen nicht eine Bedrohung im eigentlichen Sinne?
Rohde: Ich denke, wenn jemand etwas gegen die Ausbildung hier in Deutschland unternehmen wollte, wären die Wege andere und perfider und auch nicht so offensichtlich, das würde ganz anders angegangen werden. Daher sehe ich das derzeit mehr als eine Unruhe stiftende Maßnahme, aber das ist meine ganz persönliche Bewertung. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch nicht, dass es so viele private bzw. zivile Drohnenpiloten gibt, die jetzt durch Deutschland fliegen, um in den Liegenschaften der Bundeswehr zu schauen, was dort so los ist. Am Ende ist es vermutlich eine Mixtur aus allem. Aber der Nutzen liegt für mich derzeit nicht auf der Hand. Nochmal, wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter und werden in unserer Aufmerksamkeit nicht nachlassen.
Frage: Und die Ukrainer selber? Fühlen die sich eigentlich grundsätzlich sicher in Deutschland?
Rohde: Sie können sich hier bewegen und nutzen auch ihre Zeit. Daher habe ich den Eindruck, dass sie sich hier sicher fühlen.
Frage: Gibt es eigentlich auch Frauen in der Ausbildung?
Rohde: Schon bei einem meiner ersten Dienstaufsichtsbesuche bei der Ausbildung habe ich ein paar Frauen getroffen. Sie waren bei einer Panzereinheit und haben sich auf einem Kampfpanzer ausbilden lassen. Sie haben die Ausbildung mitgemacht, wie alle anderen auch.
Frage: Gehen von den Ukrainern auch Leute von der Fahne?
Rohde: Absence without leave (Unerlaubtes Entfernen von der Truppe), das passierte schon mal bei etwa 20.000 Ukrainern, die wir in zwei Jahren ausgebildet haben. Aber das ist Sache der Ukrainer und für unsere Ausbildung in Verantwortung des ST-C nicht relevant.
(Archivbild November 2024: Der Staatssekretär im slowenischen Verteidigungsministerium, Damir Črnčec, l., mit dem Kommandeur des Special Training Command der EU-Ausbildungsmission für die Ukraine (EUMAM UA), Generalmajor Olaf Rohde – Foto Aleš Sila/Verteidigungsministerium Slowenien; Q131561085 creator QS:P170,Q131561085, Državni sekretar dr. Črnčec v Nemčiji obiskal slovenski kontingent na misiji v podporo Ukrajini, CC BY 3.0)