Teure Maskendeals: Lauterbach will Geld von Schweizer Masken-Millionären zurückholen

Zu Beginn der Pandemie bezahlte der Staat extrem hohe Preise für Schutzmasken. Jetzt haben sich der Bund und Bayern einem Ermittlungsverfahren in Zürich gegen einen umstrittenen Großlieferanten angeschlossen

Mär 13, 2025 - 16:26
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Teure Maskendeals: Lauterbach will Geld von Schweizer Masken-Millionären zurückholen

Zu Beginn der Pandemie bezahlte der Staat extrem hohe Preise für Schutzmasken. Jetzt haben sich der Bund und Bayern einem Ermittlungsverfahren in Zürich gegen einen umstrittenen Großlieferanten angeschlossen

Unter den größten und auffälligsten Deals, die der Bund im chaotischen Corona-Frühjahr 2020 geschlossen hat, um Schutzmasken einzukaufen, gab es einen mit einer Firma, von der noch kaum jemand gehört hatte. Ihr Name: Emix Trading aus der Schweiz. Als Eigentümer traten zwei Jungunternehmer auf, dazu half die Tochter des früheren CSU-Promis Gerold Tandler bei der Vermittlung mit deutschen Ministerien. Rund 48 Mio. Euro kassierte sie dabei als Provision.

Allein das Bundesgesundheitsministerium kaufte bei Emix am Ende Masken und andere Schutzausrüstung für mehr als 700 Mio. Euro. Die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen bestellten jeweils eine Million Masken. Dabei riefen die Emix-Chefs Luca Steffen und Jascha Rudolphi Preise auf, die selbst in der dramatischen Marktlage zu Beginn der Pandemie herausstachen.

Das Bundesgesundheitsministerium, das unter dem damaligen Minister Jens Spahn (CDU) mehrere Teilverträge mit Emix schloss, bezahlte im Schnitt 5,58 Euro netto je FFP2-Maske – mehr als bei anderen Lieferanten. Die Landesregierungen in München und Düsseldorf akzeptierten sogar 9,90 Euro je Maske – damals wohl die höchsten Einkaufspreise überhaupt für Behörden in Deutschland. Mit ihren Gewinnen kauften sich die Schweizer Multimillionäre erst einmal Luxusautos und eine Jacht. 

Doch nun versuchen Emix-Großkunden aus Deutschland, einen Teil des Geldes zurückzuholen, das sie vor fünf Jahren für teure Masken bezahlt haben. Nach Informationen von Capital sind das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und das bayerische Gesundheitsministerium einem Ermittlungsverfahren in der Schweiz beigetreten. Der dritte Emix-Kunde in Deutschland – das Land Nordrhein-Westfalen – will sich dagegen nach eigenen Angaben nicht beteiligen. In dem Verfahren, das die Staatsanwaltschaft Zürich bereits seit Anfang 2021 führt, geht es unter anderem um den Vorwurf des Wuchers. Die Firma hatte seinerzeit auch von Schweizer Abnehmern, darunter Kantone, Krankenhäuser und die Armee, extrem hohe Preise verlangt. Einige der Masken fielen dabei durch Qualitätsmängel auf. 

Die Emix-Chefs haben stets sämtliche Vorwürfe vehement zurückgewiesen. Die Preise seien „marktüblich“ gewesen, versicherten sie. Wie üblich, gilt in diesen Verfahren zunächst die Unschuldsvermutung.

Abschöpfung als Ziel

Wie das BMG und das bayerische Gesundheitsministerium auf Anfrage bestätigten, haben sie in der Strafuntersuchung in Zürich inzwischen den Status als sogenannte Privatkläger. Nach Schweizer Recht können Geschädigte einer möglichen Straftat als Partei einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft beitreten. Als Privatkläger erhalten sie Akteneinsicht, sie können Beweisanträge stellen oder an Vernehmungen teilnehmen. Darüber hinaus können Privatkläger schon in der Strafuntersuchung ihre zivilrechtlichen Ansprüche anmelden und etwa Schadensersatz fordern. 

Auf die Frage, welche konkreten Ansprüche es gegen Emix erhebe, erklärte das bayerische Gesundheitsministerium, das Schweizer Verfahren erlaube „unter gewissen Voraussetzungen die Abschöpfung von Vermögenswerten“. Das BMG wollte sich nicht näher zu dem Verfahren in Zürich äußern.

Bundesministerium verfolgt neue Linie bei Masken-Klagen

Für das Bundesgesundheitsministerium ist der Versuch, auf dem Verfahrensweg Ansprüche gegen Emix durchzusetzen, eine Kehrtwende. In der Vergangenheit hatte sich das Ressort zu möglichen juristischen Schritten noch widersprüchlich geäußert. Im Mai 2021 erklärte der damalige Minister Spahn, man befinde sich mit Emix „im Rechtsstreit“ – weshalb sein Ressort unter Verweis auf angeblich laufende Verfahren mitunter Antworten auf Fragen von Abgeordneten und Medien zur Causa Emix verweigerte.

Später, nun unter Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD), wollte das Ministerium von Klagen oder Prozessen dann nicht mehr viel wissen. Es habe keinen „Rechtsstreit im engeren Sinne“ gegeben, sondern einen „mit juristischen Argumenten geführten Austausch“, gab es im September 2022 gegenüber dem „Spiegel“ an. Ähnlich unklar blieb es Ende 2023 in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der damaligen Linken-Fraktion. Auf die Frage, ob das Ministerium analog zu Kantonen und anderen Emix-Kunden aus der Schweiz Pläne verfolge, Rückforderungsansprüche geltend zu machen, wich es kurzerhand aus: „Zum genannten Sachverhalt liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor.“ 

Für die Deals mit Emix interessierten sich in den vergangenen Jahren auch Staatsanwälte in Deutschland – nicht nur im Zusammenhang mit der nicht korrekten Versteuerung von Tandlers Millionenprovisionen. Zeitweise prüfte die Berliner Staatsanwaltschaft auch einen Verdacht auf Korruption bei den Verträgen mit dem BMG, stellte das Verfahren aber ein.

Möglicherweise geht die neue Linie von Lauterbachs Ressort auch auf den wachsenden Druck zurück, der von diversen verlorenen Maskenprozessen ausgeht – nicht zuletzt finanziell. Seit dem Sommer haben mehrere Senate des Oberlandesgerichts Köln bei Klagen von Maskenlieferanten in zweiter Instanz gegen das Bundesgesundheitsministerium entschieden. Lauterbach oder seinem Nachfolger drohen deshalb nun Kosten in Milliardenhöhe, sofern der Bundesgerichtshof nicht noch die Urteile kassieren sollte. 

Wegen der Niederlagen vor Gericht hatte Lauterbach im Sommer eine Sonderbeauftragte berufen, die die bisherige Prozessstrategie des Bundes in den Maskenverfahren überprüfen soll. Eigentlich sollte die Beraterin bis Ende Dezember ihren Bericht vorlegen, später wurde ihr Mandat bis Ende Februar verlängert. Auf Anfrage von Capital teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums jetzt mit, die Arbeit der Sachverständigen sei „noch nicht abgeschlossen“. Ob Lauterbach noch vor dem Regierungswechsel einen Bericht an den Haushaltsausschuss übermitteln werde wie es dieser im vergangenen Herbst verlangt hatte, ließ der Sprecher offen.

Nordrhein-Westfalen zweifelt an Erfolg

Welche Aussichten der Bund und der Freistaat Bayern auf zivilrechtliche Ansprüche in dem Schweizer Verfahren gegen die Emix-Verantwortlichen haben, ist von außen schwer zu beurteilen. Zu Fragen zum aktuellen Stand und dem weiteren Zeitplan der seit Anfang 2021 laufenden Strafuntersuchung wollte sich die Züricher Staatsanwaltschaft nicht äußern. Aufgrund des laufenden Verfahrens könne man „keine weiteren Ausführungen“ machen, teilte ein Sprecher mit. Es gelte die Unschuldsvermutung. 

Unter anderem mit unklaren Aussichten begründet die nordrhein-westfälische Landesregierung, warum sie sich dem Verfahren nicht als Privatklägerin angeschlossen hat – anders als der Bund und Bayern. Die Beschaffung der Masken bei Emix war in NRW seinerzeit zu einem Krimi ausgeartet, wie Capital bereits im Herbst 2021 rekonstruiert hatte. Dabei spielten etwa auch fragwürdige Zertifikate eine Rolle.

Auf Anfrage teilte eine Sprecherin des Düsseldorfer Gesundheitsministeriums mit, es sei „fraglich“, inwiefern „das Verfahren in der Schweiz überhaupt auf den nordrhein-westfälischen Kauf übertragbar ist“. Die von Emix gelieferten Masken seien seinerzeit „stichprobenartig“ auf ihre Schutzwirkung untersucht worden. Die Prüfungen hätten „eine ausreichende Schutzwirkung bestätigt“, erklärte die Sprecherin. Der mit Emix vereinbarte Preis sei „hoch“ gewesen, habe sich aber in der Mangellage zu Beginn der Pandemie in einem für die damaligen Verhältnisse „üblichen Rahmen“ bewegt. Eine Aussage, die die Ministerien in Berlin und München inzwischen offenkundig anders sehen.