Anti-Woke-Welle: Dax-Konzerne halten an Diversity-Zielen fest – nur nicht in den USA

Im Gegensatz zu SAP planen andere Dax-Unternehmen keine Abstriche bei ihren Diversity-Richtlinien – zumindest auf Konzernebene. Doch für ihre US-Töchter hat der Druck von Trump bereits Konsequenzen 

Mai 16, 2025 - 10:24
 0
Anti-Woke-Welle: Dax-Konzerne halten an Diversity-Zielen fest – nur nicht in den USA

Im Gegensatz zu SAP planen andere Dax-Unternehmen keine Abstriche bei ihren Diversity-Richtlinien – zumindest auf Konzernebene. Doch für ihre US-Töchter hat der Druck von Trump bereits Konsequenzen 

Es war eine brisante Mail, die das Management des Softwareriesen SAP Ende vergangener Woche an die Belegschaft verschickte. SAP werde interne Programme für mehr Geschlechtervielfalt und Frauenförderung streichen, teilte die Konzernspitze mit. Das selbst gesteckte Ziel, bis 2030 eine Frauenquote von 40 Prozent in der Belegschaft zu erreichen, werde gestrichen. Zudem würden Frauen auf bestimmten Ebenen künftig nicht mehr gezielt in Führungspositionen gefördert, und die Erfüllung von Zielen im Bereich Diversität werde keine Rolle mehr spielen, wenn es um die Vergütung des Vorstands geht. Der Konzern nutze die „veränderten Rahmenbedingungen“, um seine Programme „strategisch neu auszurichten“, zitierte das „Handelsblatt“ aus der Mail.

Die „veränderten Rahmenbedingungen“, damit spielte die SAP-Führung auf die jüngsten Vorgaben von US-Präsident Donald Trump an. Im März verfügte er per Dekret, dass Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit US-Behörden unterhalten, ihre Diversity-Programme (Diversity, Equity & Inclusion, DEI) einstellen müssen. Kurz darauf verschickte die US-Regierung über ihre Botschaften Fragebögen an Unternehmen, auch aus Europa, in denen sie Angaben zu ihren DEI-Programmen einforderte. 

Seit Trumps Anti-Woke-Erlass herrscht auch bei vielen deutschen Unternehmen mit wichtigem US-Geschäft große Verunsicherung. Tatsächlich kollidiert Trumps Executive Order mit hiesigen gesetzlichen Vorgaben, etwa bei der Geschlechterquote für börsennotierte Konzerne. Einige haben bereits externe Rechtsberater mandatiert, um ihre Diversity-Richtlinien zu überprüfen – darunter SAP. Bei dem Softwareriesen, der fast 40 Prozent seines Umsatzes in den USA macht, hat die Ankündigung der Konzernführung auch intern für Wirbel gesorgt, etwa beim Konzernbetriebsrat.

Dagegen wollen andere Dax-Unternehmen auch nach dem Vorpreschen von SAP keine Abstriche bei ihren konzernweiten DEI-Programmen vornehmen, um auf den Druck der US-Regierung zu reagieren. Das ergab eine Umfrage von Capital unter den 40 Konzernen. Darin gaben die Unternehmen durchweg an, sie hielten grundsätzlich an ihren konzernweiten Bemühungen für Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion fest. Zugleich betonten sie allerdings, sich in den Ländern, in denen sie aktiv seien, an die jeweilige Rechtslage zu halten. Für ihre Einheiten in den USA nehmen deshalb viele Unternehmen derzeit eine Überprüfung ihrer Konzernpolitik und Anpassungen an die neue Rechtslage vor.

Unternehmen müssen „Dilemma lösen“

Nach eigenen Angaben plant keiner der 27 Dax-Konzerne, die auf die Capital-Umfrage antworteten, auf globaler Ebene ähnlich umfangreiche Änderungen wie SAP. Einzelne Unternehmen mit wichtigem Geschäft in den USA räumten aber ein, dass die neuen Vorgaben der Trump-Regierung eine Herausforderung seien. Es sei „keine leichte Aufgabe“, wenn rechtliche Vorgaben „sich verändern, miteinander in Konflikt stehen oder ein Dilemma zu lösen ist“, teilte etwa die Deutsche Telekom mit. Ein Konzernsprecher verwies allerdings darauf, dass die US-Tochter T-Mobile US als börsennotiertes Unternehmen rechtlich eigenständig agiere. Dort habe es „kleinere Anpassungen“ gegeben, etwa bei der Auswahl von Lieferanten. T-Mobile US hatte bereits Ende März im Rahmen einer Firmenübernahme gegenüber der US-Regulierungsbehörde angegeben, DEI-Programme zurückzufahren oder einzustellen.

Die rechtliche Situation in den USA sei „weiterhin in Bewegung“, teilte der Bayer-Konzern mit. Man beobachte sie aufmerksam mit Blick auf mögliche Auswirkungen auf das Geschäft. Die Ziele für Vielfalt und Inklusion im Management, die Bayer Anfang 2021 ausgegeben hat, bleiben weiterhin gültig, auch das Vorhaben, bis 2030 Geschlechterparität im Management zu erreichen. Der Baustoffkonzern Heidelberg Materials gab an, man sehe derzeit „keine Notwendigkeit einer Anpassung unserer konzernweiten Richtlinien“. Auch RWE hält auf Konzernebene an seinem Ziel von 30 Prozent Frauen in Führungspositionen fest.

Der Chemieriese BASF erklärte, man verfolge das Ziel, sich weiterhin an alle Gesetze und Richtlinien zu halten und in Übereinstimmung mit den „globalen Unternehmenswerten“ zu handeln. Bei der US-Tochter BASF Corporation laufe derzeit mit Unterstützung einer auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei eine Überprüfung der Programme im Personalbereich. Der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines teilte mit, bei den Zielen im Bereich Diversity gehe es vor allem um die Förderung von Frauen in Führungspositionen. Dies betreffe die Standorte in Deutschland. „In den USA kommt diese Zielsetzung nicht zur Anwendung“, erklärte ein MTU-Sprecher.  

Der Autobauer BMW schrieb in seiner Antwort, man bringe derzeit in den USA seine internen „Richtlinien und Maßnahmen in Einklang mit dem neuen US-Recht“. Die Deutsche Bank will „auch weiterhin alle Ziele und Programme gründlich überprüfen“ und in Einklang mit den wachsenden rechtlichen Vorgaben in Europa bringen. Der Konsumgüterkonzern Henkel erklärte, eine Anpassung seiner globalen Diversity-Strategie sei nicht geplant. Allerdings werde die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung „in jedem Land und jeder Region an die jeweiligen lokalen und kulturellen Gegebenheiten angepasst“. Infineon, Brenntag, Daimler Truck und Fresenius teilten allgemein mit, man halte sich in den jeweiligen Märkten an die lokalen Gesetze.

Was das konkret bedeuten kann, wird bei einer Aussage des Medizintechnikunternehmens Siemens Healthineers deutlich – nämlich dass sich die Unternehmenspolitik im Zweifel neuen rechtlichen Vorgaben in bestimmten Ländern unterordnen muss: „So weit Aussagen, Ziele, Richtlinien oder Praktiken in den globalen Leitlinien im Widerspruch zu den Antidiskriminierungsgesetzen eines Landes stehen, wird Siemens Healthineers dem jeweiligen nationalen Recht folgen.“

Nur BMW bestätigt Schreiben von US-Regierung

Für einige Dax-Unternehmen hat Trumps Dekret allein deshalb praktisch keine Folgen, weil sie gar kein relevantes US-Geschäft oder keine Vertragsbeziehungen mit US-Regierungsstellen haben. Dazu zählen Vonovia, Beiersdorf, Symrise, Eon, Hannover Re, Zalando und die Porsche Holding. Auch Rheinmetall sieht „keine direkten Auswirkungen“. Der Diagnostikspezialist Qiagen verwies darauf, dass er sich bei DEI-Themen nicht auf feste Quoten konzentriere, sondern „global messbare Fortschritte“ verfolge. Dieser Ansatz gebe Flexibilität, sich den lokalen gesetzlichen Anforderungen anzupassen.

Wie brisant das Thema aber für manche Unternehmen mit starkem USA-Fokus ist, lassen die Antworten erahnen, die es bei allgemeinen Bekenntnissen zu Vielfalt und Inklusion belassen. Heikel ist offenbar für einige auch die Frage, ob sie nach Trumps Dekret von US-Stellen kontaktiert worden sind, um Angaben zu ihren DEI-Programmen zu machen. Während der Großteil der Dax-Konzerne in der Umfrage diese Frage verneinte, bestätigte lediglich BMW, man habe „in vereinzelten Märkten“, in denen man eine Geschäftsbeziehung mit US-Bundesbehörden wie Botschaften unterhalte, entsprechende Schreiben erhalten. Andere Dax-Unternehmen wollten die Frage gar nicht erst beantworten – darunter Siemens, Siemens Energy, Fresenius und die Deutsche Bank. Allerdings dürfte das Thema auch in der laufenden Hauptversammlungssaison eine große Rolle spielen: Aktionärsvertreter haben bereits angekündigt, dazu Fragen zu stellen.