Albert Wenger: Tech-Investor: „Vielleicht sitzt Elon Musk in zwei Jahren im Gefängnis“
Der Tech-Investor Albert Wenger über die amerikanische Tech-Welt unter Trump, ein neues KI-Zeitalter und seine Furcht vor OpenAI-Chef Sam Altman

Der Tech-Investor Albert Wenger über die amerikanische Tech-Welt unter Trump, ein neues KI-Zeitalter und seine Furcht vor OpenAI-Chef Sam Altman
Der Tech-Investor Albert Wenger stammt aus Franken, lebt aber seit Jahrzehnten in den USA und besitzt auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Bekannt wurde der Managing Partner des New Yorker Risikokapitalgebers Union Square Ventures mit überdurchschnittlich erfolgreichen Investments etwa in Etsy und MongoDB – und dadurch, dass er sich über das alltägliche Geschehen in der Tech-Welt hinaus Gedanken macht und diese auch äußert. Er tut dies regelmäßig auf seinem Blog, nun hat er mit „Die Welt nach dem Kapital“ zusätzlich ein Buch geschrieben, das seit Kurzem auch auf Deutsch erschienen ist.
Capital: Herr Wenger, in Ihrem Buch beschäftigen Sie sich mit dem Ende des Industriezeitalters, mit der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) und den Gefahren der Klimakrise. Wie relevant sind diese Themen in Zeiten, in denen der US-Präsident den Freihandel beerdigt, die amerikanische Demokratie angreift und wir in Europa uns auf eine neue Kriegsgefahr vorbereiten müssen?
ALBERT WENGER: Also: Das Klima wandelt sich, egal ob wir darüber sprechen oder nicht. KI entwickelt sich rasant weiter. Und dass wir Populisten wie Trump kriegen, ist ein Teil des Überganges, über den ich schreibe…
…den Übergang vom Industrie- zum KI-Zeitalter.
Das Problem ist, dass die meisten Politiker so handeln, als ob wir das Industriezeitalter durch kleine, inkrementelle Veränderungen erhalten könnten. Aber wir haben mit KI eine Technologie, die in ihren Fähigkeiten viel radikaler ist als das, was es mit der Industrie gab. Wenn Politiker da sagen: Ach, da wird sich nicht viel verändern, dann ist das hanebüchen. Populisten nutzen diese Lücke und behaupten: Ich habe die Antwort. Wir gehen in die Vergangenheit zurück. Die Menschen wählen sie, weil sie denken: Wenigstens verändert sich irgendwas.
Was sollten Demokraten dem entgegnen?
Wir brauchen eine Neuerfindung des bestehenden Systems. Damit meine ich alles: das Sozialsystem, das Steuersystem, das Gesundheitssystem, das Erziehungssystem. All das sind Systeme, die wir im Industriezeitalter aufgebaut haben und die fürs Industriezeitalter gedacht waren. Für diese radikal neuen Technologien braucht es neue Lösungen.
Eine Lösung, die Sie vorschlagen, ist das bedingungslose Grundeinkommen.
Ja, wir brauchen ein neues Sozialsystem für ein Zeitalter, in dem Maschinen die meisten Dinge, mit denen Menschen heute Geld verdienen, besser können. Ich nenne das im Buch wirtschaftliche Freiheit. Ich bin seit vielen Jahren davon überzeugt, dass wir ein Grundeinkommen brauchen. Meine Frau und ich finanzieren dafür ein eigenes Experiment: In der Stadt Hudson bekommen 128 zufällig ausgewählte Menschen fünf Jahre lang 500 Dollar pro Monat. Wie bei allen anderen Pilotprojekten sieht man auch hier: Die Menschen fühlen sich wohler, sind gesünder, haben mehr Zeit für Freunde und Familie. Sie investieren in sich selbst, das heißt oft Weiterbildung.
Wo stehen wir denn bei der KI-Entwicklung heute?
Wir sind in einer Phase, in der wir unglaubliche Durchbrüche erzielt haben. Man braucht sich nur mal die Bildgenerierung anzuschauen. Die Bilder, die heute von ChatGPT und Co. produziert werden, sind gegenüber denen von vor drei Jahren unglaublich viel besser. Oder das selbstfahrende Auto, das so lange nur eine Vision war – jetzt macht Waymo 100.000 Fahrten in der Woche in San Francisco allein. Oder bei der Diagnose: Es war immer klar, dass wir Systeme bauen können, die besser diagnostizieren können als Menschen. Heute haben wir sie: Systeme, die besser sind als 80 oder 90 Prozent der Ärzte.
Geht das so weiter? Oder könnten wir bald ein Plateau erreichen?
Das vorherzusagen ist meines Erachtens ein Fehler. Man muss einfach über Szenarien nachdenken. Es gibt ein Szenario, in dem wir auf dem kürzesten Weg zur Superintelligenz sind. Und es gibt andere Szenarien, bei denen wir gelegentlich auf ein Plateau treffen. Aber die bisher vermuteten Hindernisse – bei den Daten oder beim Reasoning – konnten alle umgangen werden. Das heißt nicht, dass es nächstes Jahr vielleicht doch ein Plateau gibt. Aber die meisten Menschen verstehen immer noch nicht, wie radikal der KI-Durchbruch heute schon ist. Als Investor kann ich das früher erkennen, weil Start-ups die neuen Technologien sofort adaptieren. Ich bin zum Beispiel an einer Firma beteiligt, die haben ihre Kundenbetreuung von 18 auf drei Mitarbeiter reduziert und ihre Kundenzufriedenheit damit sogar gesteigert. Das passiert heute, nicht irgendwann in der Zukunft. Wir haben viele Firmen, die haben ihre Entwicklerteams um die Hälfte gekürzt.
Aber auf dem Arbeitsmarkt scheint das noch nicht anzukommen – Fachkräfte werden weiter händeringend gesucht.
Ein Grund: Die Umstellung bei den großen Firmen braucht viel länger. Wo man heute schon etwas bemerken kann, sind aber Ad-hoc-Arbeitsmärkte für Freelancer. Da kann man bereits sehen, dass die Löhne für viele Jobs gefallen sind.
Wo steht Europa im Rennen um KI? Gerade in Deutschland herrscht da ein ausgeprägter Minderwertigkeitskomplex.
Der ist absolut unberechtigt. Man sollte aufhören, nur in die USA zu schauen. Es gibt hier alles, was man braucht. Aber der Staat muss sich dahinterklemmen. Warum macht die Allianz ihre VC-Investments in den USA und nicht hier? Da braucht es andere Rahmenbedingungen. Und Sie müssen das Thema europäisch angehen. Ich habe dafür einen ganz einfachen, wenn auch radikalen Vorschlag. Da geht es um Mistral…
…das französische Unternehmen, das als einzige europäische Firma ein konkurrenzfähiges Sprachmodell auf dem Markt hat.
Die EU sollte Mistral von allen Copyright-Beschränkungen befreien – wenn Mistral zusagt, dass sein Modell Open Weight bleibt.
Open Weight bedeutet, dass die Parameter des Modells öffentlich zugänglich sind.
Auch die chinesischen Modelle wie Deepseek machen das im Moment so – weil sie glauben, dass ihre Technologie so schneller Verbreitung findet. Das würde auch radikal gegen OpenAI und andere geschlossene Modelle gehen. Und ich finde, es wäre auch richtig: Wenn du der Welt etwas zurückgibst, dann darfst du auch das Wissen der Welt mit einbeziehen.
Kann man OpenAI noch einholen? Jüngst hat das Unternehmen von Sam Altman 40 Mrd. Dollar von Investoren bekommen und wurde mit 300 Mrd. Dollar bewertet.
Wir müssen hier aktiv gegensteuern. Die schlimmste Zukunft wäre eine Zukunft, in der es eine Superintelligenz gibt, die von Sam Altman kontrolliert wird. In dieser Zukunft will ich nicht leben. Ich will in einer Zukunft leben, in der es viele KI-Modelle gibt, deren Vorteile an die Gesellschaft zurückfließen und nicht an wenige Aktionäre und Eigentümer.
In den USA haben sich in den letzten Monaten viele wichtige Tech-Köpfe dem Trump-Lager angeschlossen, von Investoren wie Marc Andreessen, David Sacks bis hin zu Tesla-Chef Elon Musk – Leute, mit denen Sie seit Jahren zu tun haben. Erschüttert Sie diese Entwicklung?
Nein, ich habe das so kommen sehen. Es überrascht mich nicht. Man muss aber sehen, dass hinter Trump mindestens zwei wichtige Gruppen stehen: das sind zum einen die Mächtigen der Tech-Welt, zum anderen die Leute aus dem Umfeld von Steve Bannon und dem Project 2025. Die haben sehr unterschiedliche Ziele und mögen sich auch nicht. Steve Bannon hasst Musk. Beide Gruppen gehen davon aus, dass Trump ihnen hilft, ihre Ziele umzusetzen. Aber für wen das gelingt, wird sich erst zeigen. In einem Blogpost habe ich etwas überspitzt formuliert: Es gibt eine fünfzigprozentige Chance, dass Musk vielleicht in zwei Jahren im Gefängnis sitzt und Starlink Trump oder dem Staat gehört. Das ist nur halb im Scherz gemeint. Denn wer glaubt, dass Trump einfach alles umsetzt, was Elon Musk will, der unterschätzt Trump.