7 Mythen über Migration, die nie eingetroffen sind
Es gibt so viele gute Nachrichten: Migration stabilisiert unsere Rentenkasse. Migranten zahlen mehr in die Sozialkassen, als sie bekommen. Zuwanderung macht uns reicher und dämpft die Folgen der Überalterung. Doch von diesen Dingen hörst du nie – stattdessen immer wieder drastische Warnungen vor Migration, die dann nicht eintreffen. Diese Horrorvisionen zu Migration sollen verunsichern. Und […] The post 7 Mythen über Migration, die nie eingetroffen sind appeared first on Volksverpetzer.

Es gibt so viele gute Nachrichten: Migration stabilisiert unsere Rentenkasse. Migranten zahlen mehr in die Sozialkassen, als sie bekommen. Zuwanderung macht uns reicher und dämpft die Folgen der Überalterung. Doch von diesen Dingen hörst du nie – stattdessen immer wieder drastische Warnungen vor Migration, die dann nicht eintreffen.
Diese Horrorvisionen zu Migration sollen verunsichern. Und ein „Wir-gegen-die-Gefühl“ erzeugen, um so Sündenböcke für soziale Probleme und Veränderungen zu finden. Zum Beispiel für fehlende Wohnungen, zu wenig Geld für Schulen oder die Überalterung der Gesellschaft. Sobald klar wird, dass es besser kommt als gedacht, wechseln Migrationsgegner:innen das Thema – und verkünden ein neues Szenario.
Hier nun die sieben größten Horror-Szenarien der letzten Jahrzehnte in chronologischer Reihenfolge. Los geht’s mit den Neunzigern.
1. „Das Boot ist voll!“
Was dahintersteckt: Ab 1991 gab es Ängste in Deutschland vor millionenfacher Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien und Spätaussiedlern aus Ex-Sowjetstaaten. Der Spiegel hob die Idee von „Das Boot ist voll“ auf die Titelseite und schrieb dazu „Ansturm der Armen“. Außerdem schrieb er von „Vorboten der größten und längsten Migrationswelle, die die Welt je gesehen hat‘“. Kurz darauf wurden die ersten Asylbewerberheime von Neonazis angegriffen.
Was daraus wurde: Insgesamt kamen damals etwa eine halbe Million Geflüchtete aus Ex-Jugoslawien und 2 Millionen Spätaussiedler aus Ex-Sowjetstaaten ins Land. Mit dem Ende des Balkankriegs ging später die Fluchtmigration zurück. Nur ein Bruchteil der Geflüchteten blieb dauerhaft. Vor allem Bosnier wurden systematisch zur Rückkehr gedrängt.
Zehn Jahre später waren nur noch rund fünf Prozent von ihnen im Land. Spätaussiedler blieben und ihre Nachkommen bilden heute die größte Zuwanderungsgruppe in Deutschland. Im öffentlichen Diskurs gelten sie oftmals als „unsichtbar“, auch weil sie meist als „weiß“ gelesen werden. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Viele Russlanddeutsche kritisieren zurecht, dass sie öffentlich immer noch einer „Problemgruppe“ zugeschrieben und stigmatisiert werden, weil sie angeblich zwischen Deutschland und Russland zerrissen seien.
Am Arbeitsmarkt sind Spätaussiedler annähernd genauso erfolgreich wie Deutsche. Gleichzeitig arbeiten viele aufgrund fehlender Anerkennung von Berufsabschlüssen in prekären Jobs und sind von Altersarmut betroffen.
2. „Deutschland schafft sich ab!“
Was dahintersteckt: Im Jahr 2010 trat der Ex-Banker Thilo Sarrazin eine große Debatte los, mit seinem Buch und unterstützt von vielen Medien (wiederum besonders vom Spiegel). Seine Behauptung: Die Bevölkerung schrumpfe, werde älter und gleichzeitig senke Zuwanderung die Leistung von Schülern und Erwerbstätigen. Seine Prognosen: Ab 2020 werde die Wirtschaft unumkehrbar schrumpfen. Zuwanderung werde „zu 90 Prozent“ aus afrikanischen Ländern kommen. Der Bevölkerungsanteil dieser Migranten werde sich auf lange Sicht „auf 69,7 Prozent erhöhen“.
Was daraus wurde: Nun ja, nichts. Deutschland ist immer noch da. Die Arbeitsproduktivität ist seit 2010 um fast 10 Prozent gestiegen – parallel zur Zuwanderung. Die Wirtschaft ist um mehr als 15 Prozent gewachsen. Ohne Migration würde sie deutlich schrumpfen, wie Studien zeigen. Seit 2023 konnten neue Stellen nur noch dank Zuwanderung besetzt werden. Die aktuelle Rezession ist zwar ein Dämpfer, ausgelöst vor allem durch die Folgen des Ukraine-Kriegs. Aber langfristig rechnen Ökonomen wieder mit einem Wachstum. Mehr als 65 Prozent der Nettomigration der letzten zehn Jahre kamen aus der EU, nicht aus afrikanischen Ländern. Der Anteil von Migranten aus Afrika und Nahost liegt gerade einmal bei 15 Prozent. Für einen Ex-Banker lag Sarrazin weit daneben mit seinen Zahlen.
Und auch die meisten der Geflüchteten aus Afrika und Nahost konnten in Deutschland Fuß fassen. Rund zwei Drittel derer, die 2015 kamen, haben einen Job gefunden, geflüchtete Männer, die 2015 kamen, sind häufiger erwerbstätig als deutsche. Und syrische Ärzte sind für das deutsche Gesundheitssystem inzwischen unverzichtbar, wie vielen nach Ende des Assad-Regimes in Syrien klar wurde.
3. 2014 „Die Islamisierung Deutschlands steht bevor!“
Was dahintersteckt: Seit dem Jahr 2014 warnte die rechtsextreme sächsische Pegida-Bewegung vor der angeblichen „Islamisierung des Abendlandes“. Es ist ein Klassiker der Verschwörungstheorien. Schon 2006 schwurbelten CSU-Politiker vor einer „schleichenden Islamisierung“.
Was daraus wurde: Die Warnung vor einer Islamisierung ist völlig abwegig. Zehn Jahre nach Pegida liegt die Zahl der Muslime in Deutschland heute bei 6,7 Prozent. Die Mehrheit der Deutschen überschätzt diesen Anteil regelmäßig. Muslime sind immer noch eine vergleichsweise kleine Gruppe. Es gibt immer noch keinen einzigen muslimischen Feiertag. Im Bundestag ist ihre Zahl zuletzt wieder zurückgegangen. Muslimische Minister sind die Ausnahme. Es gibt nur in einer einzigen größeren Stadt einen Oberbürgermeister, der Muslim ist. In der Politik haben sie also immer noch deutlich weniger Einfluss, als es ihrem Anteil in der Bevölkerung entsprechen würde. Von einer Islamisierung kann faktisch nicht die Rede sein.
4. „Bald sind Deutsche in der Minderheit“
Was dahintersteckt: Schon lange geistert die Idee durchs Netz, wonach Deutsche bald „im eigenen Land“ in der Minderheit seien. Spätestens seit 2015 als verfälschtes Zitat einer Grünen-Politikerin. Das triggert Wahnvorstellungen einer „Umvolkung“ und bedient sich bei Nazi-Vokabular. Wer nur auf die Zahlen starrt, könnte das sogar glauben. Ein Beispiel: Heutzutage haben 42 Prozent der Schüler Migrationshintergrund.
Was daraus wird: Tatsächlich prägt Zuwanderung unsere Bevölkerung, besonders bei den Jüngeren. Aber was dabei oft missverstanden wird: Migranten sind keine einheitliche Gruppe. Dreiviertel der Schüler mit Migrationshintergrund sind hier geboren. Rund die Hälfte hat Wurzeln in einem Land Europas. Nur weil sie Migrationshintergrund haben, haben sie nicht mehr gemeinsam als andere. Wenn überhaupt, dann müsste man also sagen: Bei den Schülern gibt es bald keine ethnischen Mehrheiten mehr.
Außerdem: In der zweiten Generation gleicht sich ihr Bildungserfolg immer mehr dem Durchschnitt an, viele lassen sich einbürgern. Kurz gesagt: Sie werden zu Deutschen. Deutschland schafft sich also nicht ab, sondern erfindet sich ständig neu.
5. „Bald kommt die Armutsmigration aus Osteuropa!“
Was dahintersteckt: Zur EU-Osterweiterung im Jahr 2007 und der damit verbundenen EU-Freizügigkeit gab es viele Warnungen vor osteuropäischen „Armutsmigranten“. Die Welt titelte: „Die Furcht vor Zuwanderern ins Sozialsystem wächst“ (Link). Und die FAZ warnte, Osteuropäer säßen auf gepackten Koffern und man rüste sich für die „Armutszuwanderung“.
Was daraus geworden ist: Die vielleicht größte Erfolgsgeschichte von Migration, die kaum jemand bemerkt hat. Über eine Million Menschen aus Rumänien und Bulgarien kamen seit 2007 nach Deutschland. Über 600.000 sind heute hier in Jobs. Sie haben viele harte Jobs, zum Beispiel auf dem Bau oder in der Pflege, übernommen und dafür gesorgt, dass Deutsche in besser bezahlte Jobs aufsteigen konnten. Sie selbst sind fast genauso oft in Beschäftigung wie Deutsche. Deutschland hat wirtschaftlich erheblich profitiert von der EU-Osterweiterung, sagen Experten. Von einer „Armutsmigration“ kann man nur in wenigen Fällen sprechen. Auch in Osteuropa ist der Wohlstand gestiegen.
6. „Messer-Migrantion!“
Was dahintersteckt: In den Sechzigerjahren hieß es, vor allem Italiener würden „blitzschnell“ das Messer zücken, später waren es „die Türken“. Heute sind es „die Afghanen“. Es ist eine alte und doch aktuelle Angst und damit am schwersten zu durchschauen: die Bedrohung durch Messergewalt von Migranten. Tatsächlich steigt die Zahl von Gewalttaten in den letzten Jahren wieder an – nachdem sie lange zurückgegangen war.
Es gibt weitere Hinweise: Ausländer und Migranten sind überdurchschnittlich oft in den Kriminalstatistiken vertreten. In der Bevölkerung beträgt ihr Anteil 15 Prozent, in der Kriminalstatistik 35 Prozent. Bei Messerangriffen ist der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger zwischen einem Drittel und der Hälfte.
Was daraus wird: Die Zahlen sind deutlich und nicht zu leugnen – Zugewanderte werden aktuell überproportional oft straffällig. Sie stehen häufiger vor Gericht und landen häufiger im Gefängnis. Aber: Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminalität, zeigen Studien. Auch Deutsche begehen häufiger Messerangriffe als früher. Sie machen immer noch den größten Anteil unter den Tatverdächtigen aus. Es scheint eine Art „Ansteckungseffekt“ zu geben, nach dem Motto „Wenn sich alle bewaffnen, mach ich das auch.“
Weniger schwere Straftaten – bei mehr Migration
Ausländer sind im Schnitt eher jünger und männlich, sie sind häufiger betroffen von Armut und leben öfter in kriminalitätsbelasteten Stadtvierteln. Wenn man das einbezieht, also junge Migranten mit jungen deutschen Männern aus „Problemvierteln“ vergleicht – dann bleibt von der vermeintlich eindeutigen Erklärung nicht mehr viel übrig. Und es gibt noch einen Effekt:
Außerdem bedeutet die aktuelle Situation einen kurzfristigen Anstieg nach Jahren der „Sicherheit“. Seit der Jahrtausendwende gab es einen starken Rückgang der Gewalttaten durch die Bekämpfung von Gewalt in Familien und verstärkte Prävention an Schulen. Im Jahr 2000 gab es noch etwa doppelt so viele Morde und Totschläge wie heute – und der Ausländeranteil war halb so hoch. Einen direkten Zusammenhang zwischen Kriminalität und Migration gibt es nicht.
7. „Der Klimawandel führt zur Massenflucht nach Europa!“
Was dahintersteckt: Es gehört zu den düsteren Migrationsszenarien der Zukunft, die gern von rechter und linker Seite verbreitet werden und auch von UN-Institutionen: Der Klimawandel werde im globalen Süden zu Naturkatastrophen führen und ganze Landstriche unbewohnbar machen. Das werde eine millionenfache Flucht nach Europa auslösen.
Was daraus werden wird: Der Klimawandel und seine dramatischen Folgen sind unbestreitbar. Nicht so eindeutig ist aber, was das mit den betroffenen Ländern und Gesellschaften macht. Zum einen zeigt die Forschung, dass Menschen versuchen, zum Beispiel in Bangladesch, sich den Folgen des Klimawandels anzupassen. „Klimaflüchtlinge“ werden zum allergrößten Teil Binnenflüchtlinge im eigenen Land sein oder in Nachbarregionen fliehen. Zum anderen fehlen den meisten Menschen, besonders in armen Ländern, die Ressourcen, um nach Europa zu gehen. Eine millionenfache Migration wird es – wie schon bei den meisten anderen Angst-Szenarien – nicht geben.
Deutschland hat massiv von der Zuwanderung profitiert – nur das erzählt dir kaum jemand
Im Gegenteil: Deutschland hat von Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten stark profitiert – auch wenn das selten Thema ist. Ohne Zuwanderung wäre die deutsche Bevölkerung seit 1971 geschrumpft – auf heute etwa 60 statt 80 Millionen Menschen. Wirtschaftlich und politisch wäre das Land in der Bedeutungslosigkeit versunken. Ein Szenario, vor dem man sich wirklich fürchten müsste.
Artikelbild: canva.com
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