Und dann bekämpfen sie dich wirklich: Internationaler Währungsfonds erzwingt Abwicklung von El Salvadors Bitcoin-Projekt
Der Internationale Währungsfonds macht Druck. Die globale Institution zwingt El Salvador zu einer weitgehenden Abwicklung des Bitcoin-Projekts. Die Botschaft für Entwicklungsländer ist damit klar: Sie dürfen nicht an der Bitcoin-Revolution teilnehmen. Oder bleibt doch ein Schlupfloch?

Der Internationale Währungsfonds macht Druck. Die globale Institution zwingt El Salvador zu einer weitgehenden Abwicklung des Bitcoin-Projekts. Die Botschaft für Entwicklungsländer ist damit klar: Sie dürfen nicht an der Bitcoin-Revolution teilnehmen. Oder bleibt doch ein Schlupfloch?
Dass der Internationale Währungsfonds (IWF) Bitcoin nicht unbedingt freundlich gegenübersteht, ist seit Langem bekannt. Auch dass El Salvadors berühmtes Bitcoin-Gesetz der internationalen Finanzinstitution ein Dorn im Auge war, wurde schon vielfach berichtet. In den letzten Wochen offenbarte sich aber, wie sehr der IWF tatsächlich gegen Bitcoin arbeitet.
Schon während der Verhandlungen von El Salvador mit dem IWF um eine neue Kreditlinie gab das Land Anfang des Jahres nach und opferte die Stellung von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel. Da Bitcoin als Zahlungsmittel in El Salvador ohnehin nie wirklich gezündet hatte, soweit man hört, war das ein einigermaßen verkraftbares Opfer.
Anfang März veröffentlichte der IWF aber ein ausführliches Dokument, das die Rahmenbedingungen eines 40-monatigen „Arrangements“ für ein 1,4-Milliarden-Dollar-Darlehen darlegt. Dieses Dokument zeigt, wie wichtig die Bitcoin-Politik für den IWF wirklich ist, und wie viele Einschränkungen er dem Land abgerungenhat. Es sei „entscheidend für den Erfolg des Programms“, dass die Regierung „Risiken des Bitcoin-Projekts“ kontrolliere. Sie hat die folgenden Auflagen akzeptiert:
- El Salvador darf die Wirtschaft nicht dazu verpflichten, Bitcoin zu akzeptieren, wie mit dem Bitcoin-Gesetz versucht.
- Das Land darf keine Steuern in Bitcoins annehmen, sondern nur noch in Dollar.
- Die Regierung muss ihre Mitarbeit an der Chivo-Wallet bis Ende Juli abbauen. Sie muss Transparenz über die Bitcoins schaffen, welche sie im Rahmen der Chivo-Wallets hält, und den dahinterstehenden Verwalter, Fidebitcoin, privatisieren.
- Die Regierung muss einen Service, mit dem sie sich verpflichtet, Bitcoin gegen Dollar zu wechseln, einstellen.
- Es wird eine Obergrenze für die Bitcoin-Bestände der Regierung geben.
- Während das Programm läuft, werden die Behörden des Landes keine weiteren Bitcoins akkumulieren, weder durch Kauf noch durch Mining.
- Sie wird auch keine „Art von Bitcoin-indizierter oder in Bitcoin denominierter Schulden oder tokenisierter Instrumente herausgeben, die eine Schuld der Regierung implizieren“.
- Die Bitcoins, die die Regierung hält, werden verschärft beobachtet, die Adressen der Hot und Cold Wallets öffentlich gemacht und regelmäßig geprüft.
- Die Regierung wird keine weiteren Agenturen oder Behörden gründen, die an Bitcoin-Operationen teilnehmen, außer denen, die notwendig sind, um die existierenden Bitcoins zu verwalten.
Das „Bitcoin-Programm“ von El Salvador wird damit offiziell abgewickelt. Keine Massenadoption, kein Ausbau der staatlichen Reserven, kein Geothermie-Mining, keine Vulcano-Bonds. Eines der stärksten Narrative der Bitcoin-Szene, einer der größten Hoffnungsträger der letzten Jahre, knickt nun vor dem althergebrachten IWF ein.
Das Ignorieren und Auslachen ist vorbei
Die Botschaft, die dieses Abkommen sendet, ist unmissverständlich. Alle Länder, die Darlehen beim IWF haben oder benötigen – derzeit wohl 93 – wissen nun, dass sie die Finger von Bitcoin lassen sollen. Wenn sie Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel machen, Bitcoins kaufen, minen oder als Steuern akzeptieren, wird dies die Verhandlungen um neue Kreditlinien erschweren, und der IWF wird sie in diesen zwingen, ihre Bitcoin-Politik wieder abzuwickeln.
Laut dem Bitcoin-Hardliner Max Keiser ging der IWF vor Kurzem sogar so weit, Donald Trump zu warnen, keine weiteren Bitcoins in die nationale Reserve aufzunehmen, da dies die Stabilität der US-Wirtschaft gefährde. Allerdings legt Keiser keine Beweise vor, und da er nicht eben als besonders glaubwürdig gilt, darf man diese Nachricht derzeit bestenfalls als Gerücht einschätzen.
Klar ist aber, dass der IWF nun Ernst macht. Er ignoriert und lacht nicht länger, sondern bekämpft Bitcoin aktiv. Er warnt nicht mehr nur, sondern er setzt sein Gewicht als globaler Geldgeber, von dem viele Regierungen abhängig sind, ein, um zu verhindern, dass Bitcoin zum legalen Zahlungsmittel oder zum nationalen Wertspeicher wird. Der IWF kämpft nun.
„Das ist die Zukunft, die wir alle vermeiden wollen.“
Die Gründe dafür sind kein Geheimnis. Die IWF-Direktorin Kristalina Georgieva hat sie Ende 2023 auf einer Konferenz im südkoreanischen Seoul vorgetragen:
Wir müssen die Effekte bedenken, wenn sich Krypto-Assets weiter ausbreiten. Das Szenario ist nicht allzu weit hergeholt […] Bitcoin hat seinen höchsten Wert seit April 2022. Die Marktkapitalisierung von Krypto hat sich im letzten Jahr verdoppelt, und Leute suchen im Internet das Wort ‚Bitcoin‘ 20 Mal öfter als ‚Gesundheit und Wellness‘, und sieben Mal öfter als ‚Klimawandel‘.
Darüber hinaus sind Krypto-Assets vor allem in Entwicklungsländern wie Indien, Nigeria und Vietnam weit verbreitet, auch wenn die Daten dürftig sind. In Brasilien fließen laut unseren Studien von 100 Real, die in ausländische Wertpapiere gehen, 25 in Krypto-Assets.
Die Herausforderung ist, dass eine hohe Verbreitung von Krypto-Assets die makro-finanzielle Stabilität unterminieren könnte. Zuerst einmal kann die Nutzung von Krypto-Assets anstatt einer einheimischen Währung die monetäre Politik behindern. Was bringt es, die Zinsen für eine Währung zu erhöhen, die nur wenige Leute halten? Darüber hinaus können Maßnahmen des Managements der Kapitalströme – etwa Limits für das Halten von Fremdwährungen – umgangen werden. Und Krypto kann die fiskalische Nachhaltigkeit unterminieren, wenn Steuereinnahmen volatil oder schwierig durchführbar werden.
Das ist die Zukunft, die wir alle vermeiden wollen.
Klare Worte, oder? Das Wort, das Georgiva vermeidet, dürfte „Kontrollverlust“ sein. Bitcoin und andere Kryptowährungen entreißen den Staaten die Kontrolle über das Geld. Sie behindern sie dabei, Geldpolitik über den Zinssatz zu betreiben, Geldströme zu kontrollieren und Steuern einzunehmen.
Eben das verspricht Bitcoin seit Langem, und es ist je nach Perspektive ein Vorteil oder ein Nachteil. Die Karten liegen also seit jeher auf dem Tisch, und nachdem der IWF lange betont hatte, dass Bitcoin zu klein sei, um eine Bedrohung auf der Makro-Ebene darzustellen, hat er spätestens Ende 2023 seine Ansicht geändert. Damals lag Bitcoin bei ungefähr 45.000 Dollar, der Kurs hat sich seitdem ungefähr verdoppelt – und mit ihm vermutlich der Druck, den der IWF verspürt und an seine Kreditnehmer weitergibt.
Was, wenn Bitcoin gewinnt?
Ist das nun also die Lage? Bitcoin ist für jedes Land, das ein Darlehen beim IWF hat oder haben möchte, Tabu? Die schöne – oder, je nach Perspektive, schreckliche – Idee, dass Entwicklungsländer zu Pionieren eines „Bitcoin-Standards“ werden, in dem sie ihre eigenen, so oft missbrauchten, geldpolitischen Hebel amputieren, dass Bitcoin es ihnen erlaubt, den Industriestaaten einen Schritt voraus zu sein, als Early Adopter von einer globalen Welle zu profitieren, so wie El Salvador vom Anstieg des Bitcoin-Kurses profitierte, und in einer informellen Währungsunion der Bitcoin-Länder all jene Auflagen und Beschränkungen, die man ihnen macht, von sich zu werfen, und ein hartes Geld zu nutzen, gegen das ausnahmsweise die Währungen der Industrienationen abwerten – ist diese Idee damit gestorben?
Und, vielleicht noch schlimmer: Verdonnert der IWF die Entwicklungsländer dazu, „Latecomer“ zu werden, also jene Parteien, die, wie zwei Autoren der EZB unlängst hübsch vorgerechnet haben, selbst dann von Bitcoin verlieren, wenn sie nicht (zum falschen Zeitpunkt) investieren, sondern weil Werte schlicht in den globalen Wertspeicher Bitcoin hineinschlüpfen, der über kurz oder lang so unvermeidbar wird wie Gold? Können Staaten, die ohnehin schon in der angenehmen Position sind, keine IWF-Kredite zu benötigen, nun frank und frei Bitcoins akkumulieren, wie es die USA, Bhutan und Abu Dhabi offiziell machen, und, eher unfreiwillig oder inoffiziell, laut Bitcoin Treasuries, China, Nordkorea, die Ukraine und andere – während den Staaten, die der Knute des IWF unterliegen, diese Option versperrt bleibt?
Spielt der IWF damit ein riskantes Spiel? Wenn es ihm nicht gelingt, Bitcoin zu verhindern, wenn Bitcoin, als das neue digitale Gold, mit derselben historischen Selbstverständlichkeit zum globalen Wertspeicher wird wie das alte Gold es wurde – hat er dann damit, mit dem nun bekannt gewordenen Abkommen mit El Salvador, vorherbestimmt, wer zwingendermaßen Verlierer dieser globalen Umwälzung sein wird?
Gibt es ein Schlupfloch?
Die Antwort dürfte ein kerniges „vielleicht“ sein. Auf der einen Seite nimmt der IWF den Ländern, die von ihm abhängig sind, die Chance, zum Gewinner der Bitcoin-Revolution zu werden. Er nimmt ihnen aber auch das Risiko, zum Verlierer zu werden. Wenn Entwicklungsländer jetzt Bitcoin kaufen, womöglich unter Einflüsterung von Bitcoin-Maximalisten wie Max Keiser, verschieben sie im ersten Schritt Werte hin zu denen, die bereits Bitcoins halten (wie etwa Max Keiser); wenn das dann noch (korrupte) Regierungsmitglieder selbst sind, greifen böse Anreize. Es wäre nicht das erste Mal, dass Kleptokraten den kleinen Wohlstand eines Entwicklungslandes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln räubern.
Daher sollte man, bei aller (berechtigten) Kritik, keine voreiligen Schlüsse ziehen oder Verschwörungstheorien über sinistre Motive des IWFs knüpfen. Darüber hinaus scheint die Lage in El Salvador auch nicht so eindeutig zu sein, wie sie sich im Bericht über das Kreditabkommen liest. Denn das „Nationale Bitcoin-Büro“ des Landes hat sich nicht für einen Moment beirren lassen, sondern kauft weiterhin, wie angekündigt, jeden Tag einen Bitcoin. Im Laufe des März hat das Land, so das „Nationale Bitcoin-Büro“, seinen Bitcoin-Bestand kontinuierlich erhöht, von 6.092 BTC auf nun 6.125 BTC.

Steigen weiter Tag für Tag: die Bitcoin-Bestände El Salvadors.
Der Internationale Währungsfonds vereinbart erklärte dem Nachrichtendienst Reuters, man habe sich mit den Behörden des Landes beraten, „und sie haben uns versichert, dass die aktuelle Erhöhung der Bitcoin-Bestände in der Strategischen Bitcoin-Reserve“ – ja, der IWF nennt es so – „konsistent mit den vereinbarten Konditionen des Programms sind.“ Weitere Fragen von Reuters blieben offenbar unbeantwortet.
Der IWF lässt El Salvador also, trotz der klaren Formulierung im Abkommen, ein Schlupfloch, und man kann hoffen, dass dies für alle Entwicklungsländer gilt, solange sie sich Bitcoin nicht zu sehr aussetzen.
Die eine, große, offene Frage
Bei all dem bleibt aber eine Frage offen, die für manche Bitcoiner vielleicht auch unangenehm ist: Warum musste sich El Salvador auf den Deal einlassen?
Warum musste es das Bitcoin-Projekt, offensichtlich eine Herzensangelegenheit von Präsident Nayib Bukele, für einen Kredit über 1,5 Milliarden Dollar opfern? Waren das Mining mit vulkanischer Geothermie oder Windkraft, die Anziehungskraft für Bitcoin-Touristen und -Unternehmen und die Kursgewinne nicht viel mehr wert?
Und warum gelang es El Salvador nicht, ohne den IWF Geld einzuholen? Hätte es nicht die Bitcoin-Reserve als Sicherheit für private Kredite nehmen können? Hätte es nicht durch die seit Langem versprochenen „Bitcoin-Bonds“ viel mehr Geld einholen können? War die Bitcoin-Community nicht liquide oder großzügig genug, um El Salvador mit dem notwendigen Kapital zu versorgen? Angesichts der schönen Preise dürften die Kreise um Maximalisten wie Max Keiser und Samson Mow, die als Berater seit Jahren versuchen, Entwicklungsländer zum Bitcoin-Standard zu drängen, oder Tether, das in El Salvador ein Hauptquartier errichtet, mehr als genügend Liquidität gehabt haben.
Warum also scheiterte Bitcoin daran, die mit 1,5 Milliarden Dollar vergleichsweise kleine Lücke zu schließen, die der IWF hinterlassen hätte, wenn er die Kreditlinie nicht verlängert hätte?