Prognose: So schätzen wir die Zinsentwicklung bis 2030 ein

Egal ob Sparbuch, Baufinanzierung oder Anleihefonds: Die Zinsen betreffen jeden von uns. Nach Jahren im Nullzinsumfeld erleben wir seit 2022 eine geldpolitische Trendwende. Doch wie geht es weiter? Bleibt das Zinsniveau hoch – oder kehren wir zu moderaten Zeiten zurück? Wir zeigen Ihnen, welche Szenarien Ökonomen bis 2030 erwarten, was das für Ihre Geldanlage und […] Der Beitrag Prognose: So schätzen wir die Zinsentwicklung bis 2030 ein erschien zuerst auf ftd.de.

Mai 5, 2025 - 19:22
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Prognose: So schätzen wir die Zinsentwicklung bis 2030 ein
Wie werden sich die Zinsen bis 20230 entwickeln? (Bild: Clemens van Lay, Unsplash)

Wie werden sich die Zinsen bis 20230 entwickeln? (Bild: Clemens van Lay, Unsplash)

Egal ob Sparbuch, Baufinanzierung oder Anleihefonds: Die Zinsen betreffen jeden von uns.

Nach Jahren im Nullzinsumfeld erleben wir seit 2022 eine geldpolitische Trendwende. Doch wie geht es weiter? Bleibt das Zinsniveau hoch – oder kehren wir zu moderaten Zeiten zurück? Wir zeigen Ihnen, welche Szenarien Ökonomen bis 2030 erwarten, was das für Ihre Geldanlage und Ihre Finanzierung bedeutet – und warum es sich lohnt, heute schon zu planen.

Der EZB-Leitzins bis 2030: Stabilisierung über dem Vorkrisenniveau

Der EZB-Leitzins ist die zentrale Stellschraube der europäischen Geldpolitik – und maßgeblich für die Entwicklung aller weiteren Zinssätze.

Ob Sparbrief, Ratenkredit oder Hypothekendarlehen: Die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank wirken sich direkt oder indirekt auf Ihr Portemonnaie aus.

Seit dem Frühjahr 2025 liegt der Leitzins bei 2,25 %. Das ist zwar deutlich niedriger als die Spitzenwerte während der Inflationskrise 2022–2023, aber weit entfernt vom Zinsnullpunkt der vorangegangenen Dekade. Die Richtung ist klar: Die EZB hat ihren Kurs angepasst – und signalisiert, dass das Zinsniveau dauerhaft höher bleiben wird.

Eine Vielzahl wirtschaftswissenschaftlicher Institute und Analystengremien hat sich mit der Frage beschäftigt, wo die Reise bis 2030 hingeht:

  • Die „Survey of Monetary Analysts“ prognostiziert einen EZB-Leitzins von 2,4 % im Jahr 2030 – ein Wert leicht oberhalb des mittelfristigen Inflationsziels von 2 %. Das würde bedeuten, dass die EZB einen gewissen realen Zinsvorsprung aufrechterhält, um Preisstabilität zu gewährleisten.

  • Die OECD geht von einem konservativeren Szenario aus. Sie erwartet einen stabilen Leitzins bei 2,0 % ab dem Jahr 2026. Dieses Szenario setzt voraus, dass sich die Inflation beruhigt und wirtschaftspolitisch keine großen Störfaktoren auftreten.

  • Andere Modelle, insbesondere aus dem Bankensektor, kalkulieren mit einem Zinskorridor zwischen 1,5 % und 3,0 %, wobei sich viele Einschätzungen auf das obere Ende dieser Spanne konzentrieren – aus Vorsicht vor dauerhaft höherer Inflation und geopolitischen Unsicherheiten.

Bauzinsen bis 2030: Das neue Preisniveau für Wohneigentum

Für viele Menschen ist die Finanzierung eines Eigenheims die größte Investition im Leben.

Umso wichtiger ist es, das künftige Zinsumfeld für Baufinanzierungen realistisch einzuschätzen. Noch 2021 lag der durchschnittliche Effektivzins für zehnjährige Baukredite unter 1 %. Inzwischen hat sich dieses Bild dramatisch gewandelt – mit spürbaren Folgen für die monatliche Kreditbelastung.

Doch was erwartet uns bis 2030?

Szenario 1: Moderate Entwicklung – Bauzinsen bei 3,73 %

In einem realistischen Basisszenario, das von einem wirtschaftlichen Gleichgewicht mit kontrollierter Inflation ausgeht, könnten Bauzinsen mit zehnjähriger Zinsbindung im Jahr 2030 bei rund 3,73 % liegen. Grundlage ist eine angenommene Rendite zehnjähriger Bundesanleihen von 2,7 %, zuzüglich banküblicher Aufschläge.

Szenario 2: Pessimistischer Verlauf – Bauzinsen bei 4,17 %

Ein alternatives, konservativeres Szenario rechnet mit Bauzinsen von etwa 4,17 %. Dies würde eintreten, falls die Inflation nicht nachhaltig gebremst werden kann und sich die Anleiherenditen auf etwa 3,8 % erhöhen – etwa durch steigende Risikoaufschläge oder eine restriktivere Geldpolitik.

Beispielrechnung: So verändern sich Ihre Kreditkosten bis 2030

Angenommen, Sie möchten im Jahr 2030 eine Immobilie kaufen und benötigen ein Darlehen über 320.000 Euro.

Bei einer Laufzeit von 25 Jahren und 2 % Tilgung ergeben sich folgende monatliche Belastungen:

Zinssatz Monatsrate Jährliche Mehrkosten im Vergleich zu 2021
1,00 % (2021) 1.066 Euro
3,73 % (2030, moderat) 1.545 Euro +5.748 Euro
4,17 % (2030, pessimistisch) 1.622 Euro +6.684 Euro

Tipp: Planen Sie Ihre Finanzierung konservativ – und sichern Sie sich möglichst früh günstige Zinsen mit einer langen Zinsbindung.

Euribor und Marktzinsen: Wie werden sich die Geldmarktzinsen bis 2030 entwickeln?

Auch bei kurzlaufenden Zinsen und Geldmarktsätzen wie dem 3-Monats-Euribor ist mit einer Normalisierung auf höherem Niveau zu rechnen. Besonders wichtig ist dieser Referenzzinssatz für variable Kredite und viele Geschäftsdarlehen.

  • Prognose für 2030: Etwa 2,12 % beim 3-Monats-Euribor

  • Diese Prognose basiert auf Regressionsmodellen und ökonomischen Rahmenannahmen. Sie spiegelt eine Welt wider, in der Banken für Liquidität wieder moderate Zinsen berechnen – aber keine Zinsschocks drohen.

Anleiherenditen: Rückkehr zu langfristiger Attraktivität

Bei Staatsanleihen gehen Analysten davon aus, dass wir uns bis 2030 wieder an Renditen von 3–4 % gewöhnen könnten – zumindest bei den „sicheren Häfen“ wie Bundesanleihen. In wirtschaftlich angespannten Ländern oder bei Unternehmensanleihen sind 5 % Rendite durch Risikoaufschläge denkbar.

Makroökonomischer Kontext: Warum Zinsen nicht losgelöst existieren

Die Zinsentwicklung hängt eng mit der gesamtwirtschaftlichen Lage zusammen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert ein globales Wachstum von rund 3,1 % bis 3,3 % bis zum Jahr 2030. Das bedeutet: kein Boom, aber auch keine schwere Rezession – ein Gleichgewicht, das moderat positive Realzinsen ermöglicht. Was das für die Geldpolitik heißt: Die Notenbanken dürften ihre Leitzinsen unterschiedlich anpassen.

Die US-Notenbank Fed könnte schneller mit Senkungen beginnen als die EZB – was die Kapitalströme innerhalb der globalen Finanzmärkte beeinflusst.

Analyse: Diese Faktoren beeinflussen die Zinsentwicklung bis 2030

Lassen Sie uns uns jetzt einmal einen Blick auf die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Zinsentwicklung bis 2030 werfen.

1. Geldpolitische Steuerung durch die EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einem schwierigen Spagat: Einerseits soll sie Preisstabilität sichern, andererseits das fragile Wirtschaftswachstum im Euroraum nicht abwürgen.

Die aktuellen Prognosen deuten auf einen langfristigen EZB-Leitzins von 2,40 % hin, wie er etwa in der „Survey of Monetary Analysts“ verankert ist. Damit läge der Leitzins leicht über dem Inflationsziel der EZB von 2 % – ein Zeichen, dass der Preisdruck strukturell erhöht bleibt. Die OECD hingegen schätzt einen stabileren Zinspfad und geht von einem konstanten Leitzins von 2,0 % ab dem Jahr 2026 aus. Hier spiegeln sich unterschiedliche Annahmen über die künftige Inflationsentwicklung wider.

Erschwerend kommt hinzu: Die EZB agiert nicht im luftleeren Raum. Zinsschritte der US-Notenbank Federal Reserve haben über Kapitalflüsse und Wechselkurse direkten Einfluss auf die europäische Wirtschaft. Die EZB könnte gezwungen sein, synchron zu agieren – auch wenn die konjunkturelle Lage im Euroraum eine andere Sprache spricht. Zudem beschränken hohe Schuldenquoten einiger Mitgliedsstaaten (z. B. Italien, Spanien) den geldpolitischen Spielraum, da Zinsanhebungen dort schnell zu Refinanzierungsproblemen führen können.

2. Demografischer Wandel und Kapitalmärkte

Der demografische Wandel in Europa entfaltet gleich in zweifacher Hinsicht Wirkung auf das Zinsniveau:

  • Auf der einen Seite bremst eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung das Wachstumspotenzial, was grundsätzlich für niedrigere Zinsen sprechen würde.

  • Gleichzeitig aber führt der Übergang der Babyboomer in den Ruhestand zu Kapitalumschichtungen. Pensionierte Menschen beginnen, ihre Vermögen schrittweise aufzulösen. Die Nachfrage nach sicheren Anleihen steigt – aber das Angebot bleibt limitiert.

Studien zeigen: Ein Anstieg der sogenannten demografischen Abhängigkeitsquote um 10 Prozentpunkte kann den Realzins um bis zu zwei Prozentpunkte erhöhen. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung geht davon aus, dass Deutschland bis 2040 über eine Million Erwerbspersonen verliert. Diese Entwicklung verknappt qualifizierte Arbeit, schwächt die Produktivität – und führt mittelfristig zu höheren Kapitalkosten durch wachsendes Angebotsrisiko.

3. Fiskalpolitische Rahmenbedingungen

Die Schuldenbremse war über Jahre hinweg das finanzpolitische Korsett der Bundesrepublik. Doch unter dem Druck geopolitischer Herausforderungen und Investitionsstaus gerät sie zunehmend ins Wanken.

Allein der Bund könnte bis 2030 über 220 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen, sollten geplante Reformen umgesetzt werden. Das hat direkte Auswirkungen auf die Staatsanleihemärkte: Jeder Prozentpunkt Zinsanstieg bedeutet laut Bundesfinanzministerium 17 Milliarden Euro zusätzliche Zinskosten pro Jahr – eine enorme fiskalische Last.

Diese Entwicklung erhöht die Zinslastquote (Zinsausgaben in Relation zu Steuereinnahmen), die bis 2030 auf über 7 % steigen könnte – ein kritischer Schwellenwert für Ratingagenturen. Die Konsequenz sind steigende Risikoaufschläge: Bereits heute liegen italienische Anleihezinsen 250 Basispunkte über deutschen Bundesanleihen. Sollte sich die Schuldenlage verschärfen, dürfte sich dieser Spread weiter ausweiten – mit Rückwirkungen auf den gesamten Euroraum.

4. Geopolitische Risiken und Inflationsimpulse

Geopolitik ist längst ein zentraler Treiber der Zinsdynamik. Der Krieg in der Ukraine, Spannungen im Nahen Osten und ein zunehmend fragmentierter Welthandel erhöhen die Volatilität – und führen zu wiederkehrenden Inflationsschocks.

So konnten Energiepreisexplosionen die Inflation im Euroraum zeitweise um bis zu 3 Prozentpunkte anheben. Konflikte rund um die Straße von Hormus, durch die ein Drittel des globalen Ölhandels fließt, bergen dauerhaftes Eskalationspotenzial. Auch Handelsstreitigkeiten zwischen USA und China oder Re-Shoring-Initiativen europäischer Konzerne verursachen steigende Produktionskosten.

Die OECD rechnet infolge der Deglobalisierung mit um 8–12 % höheren Importpreisen. Diese schlagen sich unmittelbar auf die Kerninflation nieder – also auf jenen Teil der Teuerung, der nicht mehr von kurzfristigen Schocks abhängt. Zentralbanken werden unter Druck geraten, dies mit höheren Leitzinsen zu kontern.

5. Strukturelle Transformation: Dekarbonisierung und Digitalisierung

Die nächste industrielle Revolution läuft bereits – und sie ist teuer. Die Transformation hin zu einer klimaneutralen, digitalen Wirtschaft erfordert enorme Investitionen:

  • Laut Studien des Mercator Research Institute (MCC) muss die CO₂-Bepreisung um 27 % höher ausfallen, um die Zielwerte trotz steigender Finanzierungskosten zu erreichen.

  • Gleichzeitig sind bis 2030 2,5 Billionen Euro Investitionen in digitale Infrastrukturen wie KI-Systeme, Cloud-Architekturen und Quantenrechner vorgesehen – 60 % davon sollen über Fremdkapital finanziert werden.

Das bedeutet: Die Nachfrage nach Kreditkapital steigt – ein klassischer Treiber für steigende Zinsen. Gleichzeitig wirken langfristige Produktivitätsfortschritte der Digitalisierung tendenziell dämpfend auf die Inflation. Die Netto-Wirkung bleibt unklar – aber eine asymmetrische Risikostruktur spricht dafür, dass sich Zinsen eher nach oben als nach unten bewegen.

6. Lohn-Preis-Dynamik und Kerninflation

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Kerninflation, also der um volatile Komponenten wie Energie und Nahrungsmittel bereinigten Preisentwicklung. Hier zeigen sich strukturelle Tendenzen, die über Jahre hinweg wirken:

  • Fachkräftemangel erhöht die Lohnkosten um jährlich etwa 1,5 %

  • Re-Shoring-Prozesse verteuern Produktionskosten um rund 4 %

  • CO₂-Bepreisung und Energiekosten steigen im Schnitt um 2,8 % jährlich

Das führt laut Bundesbank zu einem „neuen Normal“ der Inflation zwischen 2,5–3,0 %. Historisch gesehen erfordert ein solches Preisumfeld Leitzinsen von 3,0–3,5 %, um die Preisstabilität mittelfristig zu sichern. Besonders kritisch: Tarifabschlüsse in Schlüsselbranchen, wie 4,5 % in der Metallindustrie 2025, deuten darauf hin, dass die Lohn-Preis-Spirale längst in Gang gesetzt ist.

Zinstreiber im Überblick: Die wichtigsten Einflussgrößen bis 2030
Faktor Wirkung auf die Zinsen Bemerkung
EZB-Leitzinspolitik leicht steigend (2,0–2,4 %) Abhängig von Inflation und externem Druck (z. B. Fed-Zinsniveau)
Demografischer Wandel strukturell zinssteigernd Kapitalumschichtung, Fachkräftemangel, sinkende Erwerbsbevölkerung
Staatsverschuldung und Schuldenbremse risikoprämiensteigernd Höhere Spreads bei Anleihen, Zinslast für öffentliche Haushalte steigt
Geopolitische Konflikte volatilitätssteigernd, inflationär Energiepreise, Re-Shoring, Handelsbarrieren wirken als Inflationsimpulse
Dekarbonisierung & Digitalisierung kreditnachfragesteigernd Investitionsdruck erzeugt höheren Finanzierungsbedarf
Lohnkosten und Kerninflation zinssteigernd durch Lohn-Preis-Spiralen Hohe Tarifabschlüsse setzen Zentralbanken unter Handlungsdruck

Fazit: Ein neues Zinsregime hat begonnen

Der Blick auf die Zinsentwicklung bis 2030 zeigt deutlich: Das extrem niedrige Zinsniveau der 2010er-Jahre wird nicht zurückkehren.

Stattdessen ist mit dauerhaft höheren Zinsen zwischen 2 % und 4 % zu rechnen – je nach Segment, Laufzeit und Risikoprofil. Die Geldpolitik kehrt damit zu einem Umfeld zurück, das ältere Generationen noch gut kennen – und das jüngere erst kennenlernen müssen. Langfristige Finanzplanung muss sich an neue Realitäten anpassen.

Ob Sie eine Immobilie kaufen, für das Alter sparen oder eine Anschlussfinanzierung vorbereiten – es lohnt sich, jetzt die Weichen richtig zu stellen.

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