Ölpreis-Krieg: Hohe Fördermengen: So will die Opec die US-Ölindustrie treffen
Die Ölpreise befinden sich im Sinkflug, trotzdem bringt die Opec+, das Kartell führender Exportnationen, noch mehr Rohöl auf den Weltmarkt. Das zielt auf die US-Ölindustrie

Die Ölpreise befinden sich im Sinkflug, trotzdem bringt die Opec+, das Kartell führender Exportnationen, noch mehr Rohöl auf den Weltmarkt. Das zielt auf die US-Ölindustrie
Wenn die Weltwirtschaft kriselt, sinkt die Nachfrage nach Energie und der Ölpreis gerät unter Druck. Genau das hatte auch die Opec+, das Kartell großer Ölexporteure, im vergangenen Monat infolge des von US-Präsident Donald Trump losgetretenen Handelskonflikts vorausgesagt. Viele Beobachter erwarteten daraufhin, dass die Opec+-Mitglieder ihre Ölförderung drosseln würden. Denn das ist der Hauptzweck der Organisation: gemeinsame Absprachen zur Ölförderung, um die Preise auf dem globalen Ölmarkt stabil zu halten. Doch am vergangenen Wochenende tat die Opec das Gegenteil: Obwohl die Ölpreise in diesem Jahr bereits deutlich nachgegeben hatten und eine weiter sinkende Nachfrage zu erwarten ist, beschlossen die Mitglieder, ihre Ölförderung auszuweiten. Ab Juni wollen sie noch einmal gut 400.000 Fass mehr pro Tag auf den Weltmarkt werfen.
Der Ölpreis an den Börsen reagierte am Morgen danach, wie es zu erwarten war. Der Preis für ein Barrel Nordseeöl Brent fiel in der Spitze um 4,6 Prozent auf 58,50 Dollar je Fass, das US-Öl WTI wurde mit 55,30 Dollar je Fass bis zu 5,1 Prozent billiger gehandelt. Damit lagen die Preise zeitweise auf dem tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren.
Die Entscheidung ist eine Konsequenz aus dem Scheitern der jüngsten Versuche der Opec+, den Ölmarkt stabil zu halten. In der Opec+ haben sich neben den langjährigen Kartell-Mitgliedern -hauptsächlich im Nahen Osten und Afrika – weitere Staaten zusammengeschlossen, die formell keine Opec-Mitglieder sind, darunter Russland. Dem Kartell ist es nicht gelungen, die eigenen Beschlüsse bei den Mitgliedstaaten durchzusetzen. Während sich die Opec+-Führungsmacht Saudi-Arabien und die anderen arabischen Golfstaaten weitgehend an die vereinbarten Förderquoten hielten, haben andere Kartellmitglieder wie Kasachstan deutlich mehr Öl gefördert und verkauft als vereinbart, um ihre wegen des sinkenden Preises ebenfalls sinkenden Einnahmen auszugleichen. Das wollten sich die Saudis offenkundig nicht länger gefallen lassen.
US-Ölfirmen müssen Förderung zurückfahren
Berichten zufolge versuchte Saudi-Arabien auf diplomatischem Weg, Kasachstan zum Einlenken zu bewegen. „Wenn Riad es nicht schafft, auf diese Weise Disziplin durchzusetzen“, schrieben die Analysten des norwegischen Brokers DNB-Markets vergangene Woche, „könnte es versuchen, Kasachstan und andere abtrünnige Opec+-Mitglieder durch eine Flutung des Marktes mit mehr Öl zur Einhaltung der Vorgaben zu zwingen und damit faktisch einen Preiskrieg auslösen“. Dieses Szenario ist durch die aktuelle Ausweitung der Förderquoten zumindest näher gerückt.
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Opec+-Insider könnte die Organisation im kommenden halben Jahr insgesamt mehr als zwei Millionen Fass Rohöl pro Tag zusätzlich auf den Markt werfen, wenn sich die Disziplin der Mitglieder nicht verbessert. Damit hätte das Kartell sämtliche Förderkürzungen wieder aufgehoben, mit denen es die Preise ab 2022 angesichts der zahlreichen Krisen der Weltwirtschaft gestützt hatte.
Eine wichtige Rolle im Kalkül der Opec+ spielt nicht nur die Ölförderung der eigenen Mitglieder, sondern auch die der USA. Die dank der Opec+-Kürzungen vergleichsweise hohen Preise lösten in den USA einen neuen Ölboom aus. Vor allem durch die Ausweitung des Frackings stieg Amerika zum weltgrößten Ölproduzenten auf. Das Fracking in den USA ist deutlich teurer als die konventionelle Ölförderung in den meisten Opec-Staaten. Schätzungen zufolge lohnt sich die Produktion für die meisten amerikanischen Fracking-Firmen erst ab einem Preis von rund 60 Dollar pro Barrel. Bleibt der Ölpreis unter dieser Schwelle, können Saudi-Arabien und Co. davon ausgehen, dass die US-Ölindustrie ihre Produktion deutlich zurückfahren und damit den Ölmarkt stabilisieren werden – wenn auch auf einem niedrigeren Preisniveau als in den vergangenen Jahren.
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.