Maskendeals: Spahns Chef-Maskeneinkäufer macht Karriere

In der Coronakrise war Ingo Behnel der Mann für die umstrittenen Maskenverträge im Gesundheitsministerium. Bis heute drohen dem Bund Milliardenrisiken. Jetzt wird Behnel befördert – in die Spitze des Bildungsressorts

Mai 7, 2025 - 18:12
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Maskendeals: Spahns Chef-Maskeneinkäufer macht Karriere

In der Coronakrise war Ingo Behnel der Mann für die umstrittenen Maskenverträge im Gesundheitsministerium. Bis heute drohen dem Bund Milliardenrisiken. Jetzt wird Behnel befördert – in die Spitze des Bildungsressorts

Die Zeit der Regierungsbildung ist immer eine Zeit der großen und kleinen Personalien. Zahllose Posten in den Bundesministerien müssen neu besetzt werden, manche machen Karriere, andere werden enttäuscht. Und manchmal kommt es auch zu überraschenden Beförderungen.

In die letzte Kategorie fällt eine Personalie im Bildungs- und Familienministerium der neuen Ministerin Karin Prien (CDU): Dort rückt Ingo Behnel, bislang Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, auf den Posten eines beamteten Staatssekretärs, wie das Portal „Table Media“ berichtete. Damit zählt er künftig zum Kreis der Top-Beamten in Berlin, Besoldung der Stufe B11 inklusive.

Nicht viele außerhalb des Regierungsviertels dürften den Namen Behnel kennen. Doch in seiner Zeit im Gesundheitsministerium war der Beamte als Leiter der wichtigen Zentralabteilung auch für ein Projekt verantwortlich, das bis heute Schlagzeilen produziert, weil es noch viel Ärger und Milliardenrisiken für den Bund birgt: für den ausgeuferten Einkauf von Schutzmasken zu Beginn der Coronakrise. Als sich im Frühjahr 2020 das Virus ausbreitete und es überall an Masken und anderer Schutzausrüstung fehlte, machte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Behnel zu seinem Chefeinkäufer. Unter Behnels Führung nahm der Bund am Ende 5,7 Milliarden Masken für 5,9 Mrd. Euro unter Vertrag – viel zu viele und zu überteuerten Preisen, wie der Bundesrechnungshof später rügte.

Die Unterschrift des Spitzenbeamten findet sich auch unter Verträgen, die Vergaberechtsexperten wegen diverser Klauseln zugunsten der Auftragnehmer selbst für die chaotischen Verhältnisse in der Pandemie auffällig erscheinen. Da ist etwa die Vereinbarung mit dem Logistiker Fiege, einem Familienunternehmen aus dem Münsterland, dessen Chefs Spahn nach eigener Aussage bekannt sind. Im März 2020 schloss Behnel im Namen des Bundes mit Fiege einen Liefervertrag für Schutzmasken mit einem Volumen von mehr als 1 Mrd. Euro. Dabei gewährte das Gesundheitsministerium nicht nur eine Vorauszahlung von 40 Mio. Euro. Es sagte auch zu, dass der Bund sich im Fall mangelhafter Ware selbst darum kümmern muss, Schadensersatz bei chinesischen Lieferanten von Fiege vor dortigen Gerichten einzutreiben – was ein zähes, wenn nicht häufig auch aussichtsloses Unterfangen sein dürfte. 

Darüber hinaus bekam Fiege auch ohne Ausschreibung den Zuschlag als zentraler Logistikdienstleister für ein weiteres spezielles Einkaufsverfahren, das Spahn starten ließ und das zu Dutzenden Klagen von Lieferanten führte, die bis heute Gerichte beschäftigen. Damalige Begründung des Ministeriums für die Direktvergabe an Fiege: Die Firma verfüge „nach eigener Aussage über besondere Expertise in der Logistik von Medizinprodukten und Arzneimitteln“ und habe frühzeitig ein Notfallkonzept entwickelt – was jedoch nicht verhinderte, dass sie mit dem Auftrag überfordert war. Die Deals mit dem Bund führten dazu, dass der Umsatz von Fiege im Jahr 2020 in die Höhe schoss.

Engagement für gut vernetzte Firmen

Auch bei anderen Großaufträgen, mit denen sich das Gesundheitsministerium Schutzausrüstung sichern wollte, war Behnel involviert. Dabei ging es mitunter um Lieferanten, die zwar bis dahin noch nie im Geschäft mit Masken oder anderen Medizinprodukten aktiv waren, aber über Kontakte zu Minister Spahn verfügten. Die Hamburger Firma TLG Health, erst kurz zuvor gegründet und gut in der dortigen CDU vernetzt, erhielt eine Art Ehrenerklärung, mit der es sich bei Lieferanten als ein „main agent“ der Bundesrepublik Deutschland bei der Maskenbeschaffung ausweisen konnte. Das Dokument, das Capital vorliegt, trägt den Briefkopf des Gesundheitsministeriums und die Unterschrift von Behnel. Auch der Logistiker Fiege erhielt einen ähnlichen „comfort letter“. Das Ministerium rechtfertigte dieses Engagement für einzelne Lieferanten damit, die Bestätigungen seien auf Bitten der Vertragspartner ausgestellt worden, um „die dringend notwendigen Beschaffungsmaßnahmen zu ermöglichen oder zu beschleunigen“.

Beteiligt war Spahns Chefeinkäufer zudem an Geschäften mit einem Schweizer Großlieferanten, die später sogar deutsche Strafermittler beschäftigten. Dabei ging es um die Firma Emix Trading: Das bis dahin völlig unbekannte Schweizer Unternehmen lieferte dem Bund am Ende Masken und andere Schutzausrüstung für mehr als 700 Mio. Euro. Als Türöffner diente dabei eine Tochter des früheren CSU-Spitzenpolitikers Gerold Tandler, die mit Spahn persönlich über Maskendeals sprach und dafür hohe Provisionen von Emix erhielt. Vor allem ein Teilvertrag mit Emix sticht ins Auge: Noch Ende April 2020 orderte Behnel mit Spahns Billigung bei den Schweizern weitere 100 Millionen Masken zum Stückpreis von 5,40 Euro – nachdem das Ministerium ein offenes Einkaufsverfahren mit einem Stückpreis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske vorzeitig stoppen ließ, weil es mit Angeboten geflutet worden war.

Für diesen Deal interessierte sich später auch die Berliner Staatsanwaltschaft, die 2022 Ermittlungen in der Causa Emix einleitete. Ihr Verdacht: mögliche Bestechung. Im Fall von Behnel, der die teuren Verträge stets mit dem dramatischen Maskenmangel zu Beginn der Pandemie verteidigt und sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen hat, stellten die Berliner Staatsanwälte die Ermittlungen ein. Zunächst noch weiter lief in Berlin ein separates Verfahren gegen Vermittlerin Tandler und einen Partner.

Lücken in den Maskenakten

Anders als andere Spitzenbeamten blieb Behnel auch auf seinem Posten als Abteilungsleiter, als Ende 2021 die Ampel die Bundesregierung übernahm. Offenbar wollte der neue SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf die Expertise des Spahn-Vertrauten nicht verzichten – womöglich auch, weil das Ministerium wegen der Maskenverträge aus dem Frühjahr 2020 noch heute mit Klagen in Milliardenhöhe konfrontiert ist. Wohl kaum einer kennt die Deals so genau wie Behnel – nicht zuletzt, weil die Akten dazu im Ministerium teils bruchstückhaft geführt, pauschal als Verschlusssachen eingestuft oder gar rückdatiert wurden, wie später der Bundesrechnungshof monierte.

Geschadet hat diese Intransparenz beim Maskeneinkauf dem damaligen Chefeinkäufer offenkundig ebenso wenig wie die Tatsache, dass Lauterbach mit seinen externen Beratern zuletzt zu dem Schluss gekommen ist, dass die Emix-Verträge wohl nachteilig für den Bund sind. Wie Capital im März berichtete, hat sich das Gesundheitsministerium einem Strafverfahren in der Schweiz angeschlossen, um Geld von den Emix-Jungunternehmern zurückzuholen. 

Um die toxischen Altlasten aus der Maskenbeschaffung muss sich fortan die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) kümmern. Derweil ergeht es dem Mann hinter den Milliardenverträgen jetzt ähnlich wie seinem früheren Chef Spahn: Er macht jetzt an anderer Stelle Karriere.