Künstliche Intelligenz: „Es wäre falsch, Apple beim Thema KI jetzt schon abzuschreiben“
Im Wettlauf um generative KI droht Apple den Anschluss zu verlieren, ein wichtiges Update wurde zuletzt verschoben. Für KI-Forscher Björn Ommer keine Überraschung

Im Wettlauf um generative KI droht Apple den Anschluss zu verlieren, ein wichtiges Update wurde zuletzt verschoben. Für KI-Forscher Björn Ommer keine Überraschung
Für Kunden ist es wohl schon jetzt die Enttäuschung des Jahres, noch bevor das neue iPhone im Herbst vorgestellt wird: Apple hat sein groß erwartetes Update für den Sprachassistenten Siri gecancelt. Eine ganze Palette an neuen KI-Features hatte der Konzern im letzten Jahr versprochen, auch um im Wettlauf um Anwendungen für generative künstliche Intelligenz aufzuholen. Konkurrenten wie Google und Amazon sind bereits mit Angeboten für Verbraucher am Markt.
Siri sollte verlässlicher und personalisierter werden, indem sie Daten aus verschiedenen iPhone-Apps nutzt, um Anfragen präziser zu beantworten. Doch die Software erweist sich offenbar als zu fehleranfällig. Ursprünglich für April geplant, wurde der Release zunächst auf Mai verschoben. Nun aber rechnet Apple erst „im kommenden Jahr“ damit, wobei 2026 als realistisch gilt. Eine umfassend modernisierte Version, die flüssige Gespräche ermöglicht, könnte sogar erst 2027 erscheinen.
Experten sehen Apple deshalb schon in einer „KI-Krise“. Nicht so Björn Ommer: Der Professor für Künstliche Intelligenz an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München hält den Abgesang für verfrüht. Warum, erklärt er im Interview:
Capital: Herr Ommer, besitzen Sie ein iPhone?
BJÖRN OMMER: Ja.
Dann haben Sie sich sicher auf die neuen KI-Funktionen für den Sprachassistenten Siri gefreut?
Ich habe Siri über die Jahre hinweg genutzt und festgestellt, dass die Funktionalität bislang recht eingeschränkt war. Daher hatte ich natürlich gehofft, dass sich dies mit dem angekündigten Update verbessert. Es ist aber längst nicht alles schlecht: Die Qualität von „Speech-to-Text“ ist heute erheblich besser als noch zu den Anfängen von Siri – insbesondere in der deutschen Sprache. Das erleichtert mir die Arbeit mit Notizen und Nachrichten schon sehr.
Nun hat Apple das Update auf frühestens 2026 verschoben. Hat Sie das überrascht?
Nicht wirklich. Es war bereits abzusehen, dass Apple in Europa sehr zurückhaltend agiert, was die Entwicklung generativer KI angeht. Ein Beispiel ist der „Playground“, bei der selbst einige Apple-Mitarbeiter in den USA unsicher waren, ob sie hier bereits verfügbar ist oder nicht.
Sie meinen Apples experimentelle KI-Plattform.
Es handelt sich um einen KI-Bildgenerator, mit dem Nutzer anhand von Texteingaben eigene Avatare oder eben Bilder erstellen können. In der aktuellen Variante sind die von Apple generierten Bilder nicht natürlich, sondern artistischer Natur. Damit können Sie als Konzern wenig falsch machen. Eine solche KI ist eine Zusatzfunktion, aber damit allein verkauft Apple nicht Millionen an neuer Hardware. Der finanzielle Schaden durch Verzögerungen weiterer Funktionalität ist deshalb begrenzt.
Wie erklären Sie sich, dass ein Technologieführer wie Apple im Bereich Künstliche Intelligenz so zaghaft agiert?
Warum gibt es beispielsweise schon faltbare Smartphones von anderen Herstellern, aber nicht von Apple? Weil sich die bestehenden Modelle noch gut verkaufen. Warum hielt Apple so lange an seinem eigenen Ladeanschluss fest und wechselte erst kürzlich zu USB-C? Weil es für die meisten Kunden zwar ein Ärgernis war, aber dennoch kein Kaufhindernis darstellte – bis die EU regulierend eingriff.
Apple ruht sich also weiterhin auf dem Erfolg des iPhones aus?
Nicht unbedingt. Viele Start-ups, die in den Bereich generativer KI investieren, verfolgen „High-Risk, High-Gain“-Modell. Apple hingegen muss auf seinen Ruf und die bestehende Produktpalette achten. KI ist für Apple eher ein Zusatznutzen, der die Attraktivität der eigenen Geräte steigern soll. Der Konzern wägt also sehr genau ab, ob eine neue Technologie der Hardware einen echten Mehrwert bringt. Dies war zum jetzigen Zeitpunkt offenbar nicht gewährleistet.
Der Konzern war zuletzt bei vielen Innovationen spät dran und hat letztlich doch immer ein perfektes Produkt geliefert. Glauben Sie, dass Apple trotz Verzögerung den Durchbruch von generativer KI noch einmal beschleunigen kann?
Apple ist bekannt dafür, nicht der Erste auf einem Markt zu sein, sondern eine Technologie erst dann in seine Produkte zu integrieren, wenn sie wirklich ausgereift ist. Den Eindruck, Apple stecke in einer KI-Krise, teile ich nicht. Der Konzern investiert nicht weniger in Künstliche Intelligenz als andere, die Entwicklung erfolgt bloß mehr im Hintergrund. Der Fokus wird in der Diskussion auch zu sehr auf den Sprachassistenten Siri gelegt.
Wie meinen Sie das?
Apple wird durch die Fortschritte im Bereich generativer KI nicht plötzlich zu einem Chatbot-Unternehmen werden. Dem Konzern geht es bei technischen Neuerungen immer um mehr. Egal ob beim iPhone, der Apple Watch oder jüngst auch der Brille – Apple hatte immer die Entwickler im Blick, welche die Produkte mit ihren Apps erst schrittweise groß gemacht haben. Im Bereich Künstlicher Intelligenz zeigt sich das gut am Beispiel von Stable Diffusion …
… ein KI-Sprachmodell für Text-zu-Bild-Generatoren, das Sie mitentwickelt haben.
Apple hat schon vor drei Jahren ein wichtiges Update veröffentlicht, wodurch KI-Modelle wie Stable Diffusion schneller und effizienter auf Apple-Geräten laufen konnten. Später wurden die Ergebnisse weiter verbessert, vor allem durch die besonders leistungsstarken M-Prozessoren von Apple. Entwickler profitieren davon enorm, sie können seitdem viel leichter entsprechende Apps entwickeln, was wiederum die Geräte von Apple attraktiver macht. Da wird noch einiges kommen. Es wäre falsch, Apple beim Thema KI jetzt schon abzuschreiben.
Zahlreiche Vordenker, Unternehmer und Investoren werden am 14. Mai 2025 bei der „Rise of AI“-Konferenzin Berlin über die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz diskutieren. Capital ist Medienpartner der Veranstaltung.