Karrieretipps: Microsoft-Managerin: „Ein gutes Netzwerk ist wichtiger als Talent“

Annahita Esmailzadeh ist 32, IT-Managerin und Linkedin-Star. In ihrem neuen Buch blickt sie auf ihre steile Karriere zurück – und teilt Lektionen, die sie gerne früher gewusst hätte

Mär 30, 2025 - 16:16
 0
Karrieretipps: Microsoft-Managerin: „Ein gutes Netzwerk ist wichtiger als Talent“

Annahita Esmailzadeh ist 32, IT-Managerin und Linkedin-Star. In ihrem neuen Buch blickt sie auf ihre steile Karriere zurück – und teilt Lektionen, die sie gerne früher gewusst hätte

Annahita Esmailzadeh ist eine der einflussreichsten Stimmen der deutschen Tech-Welt. Auf Linkedin folgen ihr fast 200.000 Menschen, dort spricht sie offen über Leistung, Erwartungen und die unsichtbaren Spielregeln des Berufslebens. Die Tochter iranischer Einwanderer machte Karriere bei SAP und später bei Microsoft, wo sie heute große Unternehmenskunden in der Chemie- und Energiebranche betreut.

Mit ihrem neuen Buch „Was du nicht hören willst: Aber wissen solltest, um erfolgreich zu sein“, das sie gemeinsam mit Business-Coach Swantje Allmers geschrieben hat, hat sie sich nun einen Traum erfüllt: einen Ratgeber, den sie als Abiturientin selbst gerne gelesen hätte.

Im Interview mit Capital räumt sie mit Karriere-Mythen auf und erklärt, warum sie Leistung wieder „in“ machen will.

Capital: Frau Esmailzadeh, auf den ersten Seiten Ihres neuen Karriereratgebers beschreiben Sie, wie Ihr Leben 2024 in kürzester Zeit den Bach hinunterging: mit Trennung, Todesfall und Hochwasser im eigenen Haus. Weshalb teilen Sie diese privaten Einblicke?
ANNAHITA ESMAILZADEH: Menschen, die mich aus sozialen Netzwerken kennen, haben oft ein idealisiertes Bild von meinem Karriereweg. Sie glauben, dass mir alles zugeflogen sei, dass ich nie stolpere und weder Schwächen noch Ängste habe. Dabei ist auch bei mir einiges schiefgelaufen. Vieles habe ich nur durch harte Arbeit und Verzicht erreicht – und genau das wollte ich in meinem Buch deutlich machen. 

Das klingt, als würden Sie für mehr Ehrlichkeit in Karrierefragen plädieren. Sehen Sie in der Hinsicht in Deutschland ein Problem?
Auf Linkedin, Instagram und Co. nehme ich zumindest sehr eindimensionale Erfolgsgeschichten wahr. Zum einen sieht man dort diejenigen, die mit Mitte 20 angeblich schon sechsstellig verdienen, eine Vier-Tage-Woche machen und dabei aus einer Hängematte auf Bali arbeiten. Zum anderen gibt es viele gestandene Führungskräfte, die gar keinen Einblick in ihren Werdegang geben. Kaum jemand spricht über die unsichtbaren Spielregeln, die für eine erfolgreiche Karriere entscheidend sind. 

Eine Ihrer unsichtbaren Spielregeln lautet: Man kann nicht alles haben. Worauf haben Sie im Laufe Ihrer Karriere verzichtet?
Auf sehr viel Freizeit. Ich habe meine kompletten Zwanziger eigentlich nur gearbeitet: für mein Studium, für Weiterbildungen und Zertifizierungen. Dadurch war ich mit Ende 20 schon in einer Position, die manche erst mit Mitte 40 erreichen.

Für viele Berufseinsteiger klingt das nicht gerade attraktiv.
Ja, Leistung hat in Deutschland leider ein Stigma bekommen. Gerade bei jungen Leuten scheint es fast schon verpönt zu sein, für seine Ziele zu ackern. Dann hört man oft: ‚Verzicht für die eigene Karriere? Das ist ja total toxisch!‘ Fakt ist jedoch: Wer es nach oben schaffen will, muss die Extrameile gehen. Wer etwas anderes behauptet, ist nicht ehrlich. Ich möchte deswegen eine Lanze dafür brechen, dass Leistung wieder „in“ wird – aber auf eine nachhaltige Art und Weise.

Wie meinen Sie das?
Wenn der Erfolg dir deine Gesundheit kostet, ist er zu teuer. Das ist wie im Spitzensport: Wir können nur Höchstleistungen abrufen, wenn wir regelmäßig Regenerationsphasen einlegen. Ich achte deswegen auf meine Ernährung, baue Sportroutinen in meinen Alltag ein und umgebe mich mit Menschen, die mir guttun.

Sie sind als Kind iranischer Einwanderer in München aufgewachsen. Ihr Vater war Taxifahrer, ihre Mutter Verkäuferin. Was war Ihr Türöffner in die Tech-Welt?
Meine Eltern haben immer unfassbar hart gearbeitet. Ein wesentlicher Schlüssel, den sie mir mitgegeben haben, war der Fokus auf Bildung – und die Bestärkung, dass ich das Zeug dafür habe, es aus eigenem Antrieb weit zu bringen. Ich habe mich damals für Wirtschaftsinformatik entschieden, weil es das höchste Gehalt und die besten Karrierechancen versprach. Ohne den Masterabschluss und meine guten Noten hätte ich es sonst wohl niemals geschafft, bei einem Unternehmen wie SAP in der Beratung anzufangen.

Nach SAP ging es dann zu Microsoft. Dort bot man Ihnen mit 28 Jahren Ihre eine verantwortungsvolle Führungsrolle an. Sie schildern im Buch, wie Sie mit Selbstzweifeln kämpften – und sogar ablehnen wollten. Wie haben Sie diese überwunden?
Ich hatte bei jeder Stelle immer initial den Impuls: ‚Hey, das kannst du doch gar nicht.‘ Das ist heute noch so. Inzwischen habe ich erkannt, dass dieses Angstgefühl nur ein Indiz dafür ist, dass ich mich aus meiner Komfortzone herausbewegen muss. Und das gut! Denn ich möchte mich ja weiterentwickeln. In solchen Situationen visualisiere ich mir, wo ich in meiner Biografie schon einmal Zweifel hatte – und ich es trotzdem geschafft habe. Zudem helfen mir Gespräche mit meinem Inner Circle – also mit meinen Freunden und Mentorinnen.

Wie haben Sie Ihre Mentorinnen gefunden? 
Ich hatte Glück, dass ich in jeder Lebensphase Personen um mich hatte, die mich stark unterstützt haben. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Teilweise haben sich die Wege beruflich gekreuzt, etwa mit Vorgesetzten oder erfahrenen Kollegen. Auf andere bin ich aktiv zugegangen. Ich überlege mir dann, in welchen Bereichen ich mich weiterentwickeln möchte, schaue mich um, wer in dieser Hinsicht einen genialen Job macht, und spreche diese Personen aktiv an.  

Sie schreiben in Ihrem Buch: „Ein gutes Netzwerk ist wichtiger als Talent“. Ist Leistung also doch überbewertet?
Früher hat mich dieser Satz sehr geärgert. Ich dachte immer, wenn ich richtig gut bin, werde ich es allein aufgrund meiner Leistung nach oben schaffen. Inzwischen habe ich aber oft genug gesehen, dass auch im beruflichen Kontext vieles auf dem zwischenmenschlichen Umgang, auf Sympathien und Antipathien basiert. In Deutschland wird fast jede dritte Stelle über Netzwerke besetzt. Und es ist ja auch logisch, dass Menschen lieber Menschen einstellen, für die jemand anderes die Hand ins Feuer legt. Insofern ist die Aussage absolut richtig. Allerdings muss man sich ein gutes Netzwerk ja auch erst verdienen.

Wie haben Sie sich Ihr Netzwerk aufgebaut?
Es gibt Menschen, die einen sehr opportunistischen Ansatz verfolgen und Netzwerke nur als Ansammlung von Kontakten sehen, von denen Sie potenziell profitieren können. Und dann gibt es Gebertypen, die nicht gleich etwas im Gegenzug erwarten. Studien zeigen, dass die Geber erfolgreicher sind, sofern sie sich nicht ausnutzen lassen. Ich habe immer versucht, auf den Menschen vor mir zu achten und zu unterstützen, wo es möglich ist. Und das, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten oder einzufordern. Meistens kommen dann auch viele Dinge zurück. Mein Credo ist, selbst die Person zu sein, die ich mir selbst in meinem Netzwerk wünschen würde.

Zu Ihrem Netzwerk zählt auch Linkedin. Als „Topvoice“ haben Sie dort fast 200.000 Follower. Wie wichtig war die Plattform für Ihre Karriere? 
Linkedin war für mich ein Gamechanger. Ohne Linkedin wären meine Bücher womöglich nie publiziert worden und ich wäre auch nie zu bestimmten Veranstaltungen eingeladen worden, wo sich wiederum andere Türen geöffnet haben. Der Punkt ist: Wenn niemand weiß, dass es Sie gibt und wozu Sie imstande sind, hat Sie auch niemand auf dem Schirm. Eine Präsenz auf sozialen Netzwerken ist heute unerlässlich.

Kann man heute noch ohne Linkedin Karriere machen?
Ja, auf jeden Fall. Aber Sie verzichten damit auf viele Möglichkeiten, die sich ergeben würden, wenn mehr Menschen von Ihren Stärken wüssten. 

Welche ungemütliche Wahrheit würden Sie gerne Ihrem 18-jährigen Ich sagen?
Nahezu alle erfolgreichen Menschen eint eine Eigenschaft: die Fähigkeit zur Eigenverantwortung. Es wird niemand kommen, der dich rettet. Für dein Glück, deine Zufriedenheit, deine Fehler und Misserfolge bist du selbst verantwortlich. Das mag ernüchternd klingen, ist aber zugleich auch enorm bestärkend: Denn es gibt uns die Macht über unser eigenes Glück. 

Das Buch „Was du nicht hören willst: Aber wissen solltest, um erfolgreich zu sein“ von Annahita Esmailzadeh und Swantje Allmers erscheint am 8. April 2025 im Haufe-Verlag.