Jubiläum in Luxemburg: Reisen ins Herz der Reisefreiheit: Schengen für Touristen
In dem Winzerdorf wurde vor 40 Jahren am 14. Juni 1985 das Schengener Abkommen unterzeichnet - auf einem Moseldampfer. Wandern, Wein und Weltgeschichte machen den Ort zum lohnenden Reiseziel.

In dem Winzerdorf wurde vor 40 Jahren am 14. Juni 1985 das Schengener Abkommen unterzeichnet - auf einem Moseldampfer. Wandern, Wein und Weltgeschichte machen den Ort zum lohnenden Reiseziel.
Steil ist der Anstieg auf den Stromberg oberhalb von Schengen. Auf dem Moselleᶾ-Trail wollen die Wandernden das Winzerdorf an der Obermosel umrunden – drei Länder, Luxemburg, Frankreich, Deutschland. 33 Kilometer und insgesamt fast 1.000 Höhenmeter liegen vor ihnen.
"Wer sehr fit ist, kann die Strecke an einem Tag schaffen". Diese Ermunterung hat Martina Kneip den Wanderern mit auf den Weg gegeben. Die 59-Jährige ist Direktorin des Europäischen Museums in Schengen, das seit einem Jahr neu für das festliche Jubiläum im Juni gestaltet und dann als Schengen-Museum wiedereröffnen wird.
Vor bald 40 Jahren, am 14. Juni 1985, einem Freitag, schreibt der kleine Luxemburger Weinort große europäische Geschichte: Die Staatssekretäre von Deutschland, Frankreich und den drei Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg unterzeichnen an Bord des Ausflugsdampfers "Princesse Marie-Astrid" das Schengener Abkommen.
Robert Goebbels unterschreibt den Vertrag als Staatssekretär für Luxemburg. "Ein Zufall, dass es im Dorf mit damals nur 500 Einwohnern passierte. 1985 hatte Luxemburg den Vorsitz des Benelux-Rates und war somit Gastgeber", sagt der 81-Jährige im Rückblick.
Touristen schätzen die Reisefreiheit
Der Vertrag bildet die Basis zum schrittweisen Wegfall von Pass- und Zollkontrollen sowie dem freien Personen- und Warenverkehr im sogenannten Schengen-Raum. Inzwischen sind 29 Länder Europas dem Abkommen beigetreten, zuletzt zu Jahresbeginn Bulgarien und Rumänien.
Außerdem zählen die vier Nicht-EU-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz zum Schengen-Raum. Ein Gebiet mit fast 420 Millionen Einwohnern zwischen Nordkap und Südspanien, einschließlich der Kanarischen Inseln, Madeira, Malta und den fernen Azoren.
Besonders Touristen schätzen die Reisefreiheit ohne hinderliche Grenzkontrollen. Auf Flughäfen fällt Reisenden bei der Ankunft die Ausschilderung "Non Schengen" auf. Hier müssen in Schengen-Länder Einreisende aus Afrika, Amerika und Asien zur Pass- und Visakontrolle.
Im Ausland bekannter als im Inland
Doch was ist Schengen? "Manche vermuten es sei irgendeine Abkürzung", so Schengens Bürgermeister, der 52-jährige Michel Gloden. Diesen Irrtum wollen sie auf jeden Fall am Jubiläumstag ausräumen, vor allem bei den jüngeren Europäern. Für sie ist die Reisefreiheit längst alltäglich.
Besucher aus fernen Ländern nutzen beim Europatrip das Schengen-Visum, das ihnen 90 Tage freies Reisen ermöglicht. Kreuz und quer zu den touristischen wie geschichtlichen Metropolen, sei es nach Rom, Paris, Brüssel, Amsterdam, Kopenhagen, Berlin und München.
Ins Schwitzen gekommen sind die Wanderer auf der 33 Kilometer-Tour durch die drei Länder. Doch es geht auch kürzer. Am Museum beginnt die Rundstrecke "Schengen Grenzenlos", nur acht Kilometer lang. Bergan ins Naturschutzgebiet Strombierg und weiter nach Frankreich zum Winzerdorf Contz-les-Bains. Der Aufstieg wird belohnt mit weiten Ausblicken über das Moseltal bis hinüber nach Lothringen.
Schengens Bürgermeister Gloden schwärmt von seinem Ort als Tor zur Großregion im Dreiländereck. Was gibt's zu sehen? Zuallererst, ganz klar, das Museum und die Promenade am Moselufer. Die Grünanlage mit Platanen und Weiden sowie den Stelen mit den Europa-Sternen wurden gestaltet vom Star-Architekten François Valentiny, seit über 40 Jahren von Schengen aus als Weltbürger mit seinen Bauwerken unterwegs. Der Wunsch des 72-Jährigen ist, "dass unser Ort und das Jubiläum Impulse für ein starkes Europa geben."
Größter Weinort an der Luxemburger Mosel
Im Weinort Schengen, dem größten an der Luxemburger Mosel, zählt die Weinprobe bei einem der 16 Winzer oder der Genossenschaft für die Touristen zum Pflichtprogramm - Pinot Gris, Pinot Blanc, Auxerrois und Pinot Blanc sind die vorherrschenden Sorten.
Belebend kann die Reise weitergehen nach einem Gläschen Crémant, in der Flaschengärung gereift und prickelnd wie Champagner. Etwa auf der Moselbrücke hinüber ins saarländische Perl, wo die Römer ihre Spuren hinterlassen haben. Davon zeugt in Perl-Borg die rekonstruierte Römische Villa, deren Fundamente auf das 2. Jahrhundert nach Christus hindeuten.
Beeindruckend ist das römische Mosaik im benachbarten Perl-Nennig. Mit etwa drei Millionen Einzelsteinchen auf 161 Quadratmetern gilt die Darstellung mit Kampfszenen aus einer Arena als größtes und auch besterhaltenes römisches Mosaik nördlich der Alpen.
"Wir sind keine Grenzregion, wir sind eine Großregion." Das betont Luxemburgs Minister für innere Angelegenheiten Léon Gloden im Gespräch. Schengen sei eine Erfolgsstory, sagt der 53-Jährige. Ebenso ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für Luxemburg mit seinen etwa 672.000 Einwohnern von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.
Zahlen der staatlichen Statistiker von 2023 verdeutlichen dies: Um die 228.000 Menschen pendeln täglich zur Arbeit ins Großherzogtum. Eine Zahl vergleichbar mit den Einwohnern von Augsburg, Mainz oder Kiel. 123.000 kommen aus Frankreich, 53.000 aus Deutschland und 52.000 aus Belgien.
Realität holt Feierlichkeiten ein
Am 14. Juni werden sie in Schengen feiern, im Schengen-Museum und auf der "Princesse Marie-Astrid", die nun den Namenszusatz "Europa" trägt. Der Ausflugsdampfer als Stätte der Vertragsunterzeichnung kehrt dauerhaft an seinen symbolträchtigen Ort zurück und wird zum Teil des Museums.
Das geschichtsträchtige Schiff wurde in den vergangenen Monaten auf der Lux-Werft in Niederkassel-Mondorf am Rhein restauriert, nachdem die Luxemburger es im August 2021 zurückgekauft hatten. Zuvor schipperte es als "MS Regensburg" auf der Donau.
Zur Feier werden Politiker erwartet, die für Europa prägend waren: der ehemalige Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker etwa, und Luxemburgs langjähriger Außenminister Jean Asselborn. Auch Zeitzeuge Robert Goebbels wird dabei sein.
Sie werden das grenzenlose Europa beschwören. In ihrer Feierlaune können sie jedoch nicht übersehen, dass die Realität inzwischen anders ist: In Sichtweite auf der nahen Autobahn A 8 Luxemburg-Saarbrücken kontrolliert die Bundespolizei Autofahrer bei der Einreise nach Deutschland, um Schleuser, Straftäter und illegale Migranten festzusetzen.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Schengen an der Mosel liegt im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg. Das Winzerdorf in Luxemburg hat rund 700 Einwohner.
Anreise: mit der Bahn bis Luxemburg (Stadt) zum Gare Centrale, von dort weiter mit dem Bus. Fahrten mit Bus, Bahn oder Tram im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind bis auf wenige Ausnahmen kostenlos. Mit dem Auto ist man etwa ab Frankfurt am Main in zweieinhalb Stunden vor Ort, ab München in sechs und Hamburg in siebeneinhalb Stunden. Der Flughafen Luxemburg wird aus Deutschland von Berlin, Hamburg, Frankfurt, München sowie Usedom und Westerland/Sylt (im Sommer) bedient.
Reisezeit: ganzjährig
Unterkünfte: Hôtel Château Schengen, weitere Hotels in Mondorf-les- Bains und Remich an der Mosel. Jugendherberge in Remerschen. Übernachtung im Hotel/Doppelzimmer zwischen 100 und 350 Euro.
Aktivitäten: Am 14. Juni eröffnet das renovierte Schengen-Museum, Eintrittspreise sind auf der Website bisher nicht vermerkt. Der Eintritt zur Römischen Villa in Perl-Borg kostet regulär sechs Euro. Eine kurze Wanderung, die auch durch das Naturschutzgebiet Strombierg führt, ist unter visitmoselle.lu beschrieben, der Moselleᶾ-Trail unter visitluxembourg.com.
Weiterführende Informationen: visitschengen.lu;luxembourgtravel.lu; perl-saarschleifenland.de; schengen.lu