Journal Donnerstag, 1. Mai 2025 – Vormittags Isarlauf, abends Sterneküche
Gut geschlafen, früh aufgewacht. Das Draußen sah nach Sommermorgen aus, doch es war zunächst noch angemessen kühl. Ich wünschte mir sehr einen Lauf an der Isar, fürchtete aber, dass die böse linke Wade nicht mitspielen würde. Dem arbeitete ich mit allem gegen, was mir einfiel: Dehnen, Massieren, Aufwärmen durch erstmal 15 Minuten strammem Marsch rüber […]

Gut geschlafen, früh aufgewacht. Das Draußen sah nach Sommermorgen aus, doch es war zunächst noch angemessen kühl.
Ich wünschte mir sehr einen Lauf an der Isar, fürchtete aber, dass die böse linke Wade nicht mitspielen würde. Dem arbeitete ich mit allem gegen, was mir einfiel: Dehnen, Massieren, Aufwärmen durch erstmal 15 Minuten strammem Marsch rüber an die Isar. Und ich versuchte, meinen Vorfußlauf abzuflachen: Nachdem die Wade replizierbar bei den Pilates-Übungen zwickte, die mit Zehenstand verbunden waren, kam ich auf die Idee, dass meine Beschwerden mit meinem (ganz natürlichen, schon immer dagewesenen) Vorfußlaufen zu tun haben könnten.
Und das klappte! Ich hatte meine Route Richtung Thalkirchen gelegt, hier verliefen genug Buslinien, die mir jederzeit Abbruch und Heimfahrt ermöglichten – doch ich brauchte sie nicht. Nach einer Weile konzentriertem Ferseuntenhalten konnte ich meine Gedanken fließen lassen. Zwar meldete sich die Wade allersachtest mit Existenzinfo, doch weder nach 45 Minuten noch nach einer Stunde blockierte sie, ich kam auf die ersehnten anderthalb Stunden – und freute mich sehr.
Alter Südfriedhof
Erneuerter Flauchersteg – hier roch es herrlich nach Schreinerei (und bereits nach Holzkohlefeuer, aber noch nicht nach Grillgut).
Großhesseloher Brücke von unten, ich war auf der östlichen Seite gelaufen.
An der Marienklausenbrücke, Badeversuche scheiterten an mangelnder Wassertiefe.
Glückliche Läuferin.
Als ich den Westermühlbach entlang heimwärts lief, hörte ich deutlich Blasmusik vom schwulen Maibaum herübertönen. Abschließender Semmelkauf beim Bäcker.
Zu Hause verlangte mein iphone nach einem Betriebssystem-Update – mache ich ja brav immer, wegen Sicherheit. Mitinstalliert wurde “KI”; da ich nicht wollte, dass Apple dafür meine Daten abgreift, schaltete ich für alle Apps das “Lernen” aus – einzeln, anders geht das nicht.
Nach Frühstück (Apfel, Körnersemmeln mit Butter und Marmelade) beglich ich eine kulinarische Rechnung: Nach dem jüngsten Fehlschlag (Löffelbiskuitsuppe) bereitete ich nochmal Tiramisu zu.
Dann war ich sehr müde und hätte gerne Siesta gemacht, aber es war bereits zu spät dafür: Herr Kaltmamsell und ich würden bald zu unserem Abendessen-Termin aufbrechen. Weil nämlich.
Vom Augsburger Restaurant August in der Inkarnation, als Herr Kaltmamsell und ich noch in Augsburg lebten, habe ich nach meinem letzten Besuch 2004 in einem Blogpost bereits geschwärmt. Schon lang ist das Lokal umgezogen, schon lang hat es sich Sterne erkocht. Und seit einigen Jahren spielen wir mit dem Gedanken, noch einmal dort zu essen, um die Geschichte abzurunden (-> closure). Jetzt machten wir ernst.
Das Lokal öffnet nur drei Abende die Woche, man kann nur für 18:30 Uhr reservieren, bereits vor zwei Monaten hatte ich das für gestern gemacht. Eine Website gibt es zwar inzwischen, doch die wirkt höchstens pflichtschuldig, bietet auch lediglich Fotos und Kontaktinformation. Zusätzliche Info zu Parkmöglichkeiten und zur Lage des Restaurants bekam ich in einer E-Mail vor einer Woche.
So machten wir uns gestern fein, ließen uns von einer Regionalbahn nach Augsburg fahren, von einer Tram zum Rathausplatz, spazierten von dort in warmer Sonne über Erinnerungsumwege (hier hatte ich acht Jahre gewohnt) Richtung Jakobertor und zur Villa Haag.
Unterwegs Raps.
Kurz vor Villa Haag ein Mural, das ich auf den ersten Blick als von Video SCKRE erkannte.
Die Villa Haag. Wir mussten klingeln, im Restaurant im ersten Stock begrüßte uns Wirt und Koch Christian Grünwald. Auch die Maitre war uns von unserer früheren August-Geschichte vertraut.
Gedeckt war zunächst auf der Terrasse rechts an der Villa (als es in der Dämmerung kühler wurde, bat man uns in den wunderschönen Salon), und dann begann ein viereinhalb-stündiger Reigen an Lukullitäten. Der Tisch, an dem wir aßen, hatte eine Schublade unter der Glasplatte, die nicht nur unterschiedlich leuchtete, sondern auch für die Vorbereitung folgender Gänge eingesetzt wurde.
Neben den beiden genannten Personen tauchten im Service zwei weitere auf (eine davon wohl auch in der Küche unterstützend), die Erklärung der Teller und die Anweisungen für die Ess-Reihenfolge gab meist Christian Grünwald selbst.
Wir starteten mit einer langen Folge abgefahrener Kleinigkeiten, die “Snack’s” genannt wurden, und einem Glas Champagner, ließen uns danach mit Weinen begleiten.
Abgefahren war alles an allen Teller, die jeweils aus mindestens zehn Geschmacksquellen komponiert waren. Zum Teil heimische und jahrezeitliche Zutaten (u.a. Fichtenspitzen, getrocknete Erbeerscheiben, Morcheln, Spargel, Blüten von der eigenen Terrasse), zum Teil selbst konserviert (u.a. Tomate, Blütenparfüm), zum Teil von weiter her (u.a. Iberico-Schwein, Lamm, Aubergine). Jeder Gang und jedes Detail ein Abenteuer.
(Ich bitte Sehbehinderte um Entschuldigung für fehlende Alt-Texte der folgenden Bilder – heute und bei der Fülle von Fotos sind sie mir zu mühsam. Soll eine Ausnahme bleiben, versprochen.)
Feuchte Tücher zum Händewaschen.
Foto: Herr Kaltmamsell
Lassen Sie sich nicht verwirren: Sie sehen Durchsichtiges auf verschiedenen Ebenen, zum Beispiel den nächsten Snack zwischen Deko-Scherben unter der Glasplatte des Tisches.
Jetzt begann das Menü, das wir auf einer Karte mitnehmen konnten. Jeder Gang hatte einen Titel wie ein Gemälde.
“Mit den Füßen im Sand”: Links im Glas heißer Spargelsud mit Butter.
Unter dem Löcherteller versteckte sich “Mit den Füßen im Sand” 2.
“Wenn das Meer das Land verdeckt” – der Schaum war mal eine Auster.
Der Salon mit Aussicht auf einen Balkon.
“Samt” – die Kombination Mohn/rote Paprika gefiel mir besonders gut.
“Holzgereift” – u.a. Pata-negra-Schwein.
“French classic” – mit u.a. einer Apfel-gefüllten Morchel und Foie aus Aubergine.
“Terroir mon amour” – Maibock und unter anderem Kornelkirsche.
Zum Nachtisch Kopfsalat mit Erdbeeren.
Außer uns war den Abend über nur ein weiterer Tisch besetzt, mit einem weiteren Paar. Wir hörten mit, wie Christian Grünwald im Abschiedsgespräch mit diesen beiden erzählte, dass er nur drei Abende öffne, weil er die anderen vier Tage der Woche zur Vorbereitung benötige.
Kurz nach elf baten wir um ein Taxi, das uns zum Augsburger Hauptbahnhof brachte, wo wir die letzte Regionalbahn nach München nahmen – trotz des vielen Weins lediglich angetrunken, aber sehr müde.
Daheim auf direktestem Weg ins Bett, Herr Kaltmamsell muss ja am heutigen Freitag arbeiten – auch wenn er sich einen deutlich späteren Arbeitsbeginn als sonst genehmigte.
§
Das Wunder moderner Medizin hört nicht auf mich zu faszinieren (das wird auch nicht durch unfassbare Fehlschläge gemindert). katatonik beschreibt ihr jüngstes Erlebnis:
“Prosecco und Disko für frisch Operierte”.
§
Seit gestern gelten in Deutschland neue Namensregeln. Ich hoffe mal wieder, dass damit der Druck auf Frauen sinkt, bei Eheschließung mit einem Mann hinter seinem Nachnamen zu verschwinden (Männer verspüren diesen Druck umgekehrt statistisch erheblich seltener):
Auch Kinder, deren Eltern sich gegen einen Doppelnamen entscheiden, können nach dem neuen Namensrecht einen Doppelnamen bekommen. Wenn die Eltern nach der Geburt ihres Kindes keinen Familiennamen bestimmen, bekommt das Kind sogar automatisch einen Doppelnamen.
Um auch den Wunsch nach Loswerden eines verhassten Nachnamens von der Übernahme des Ehepartner-Namens zu entkoppeln (auch das eine regelmäßig gehörte Erklärung von Frauen), wünsche ich mir jetzt noch eine Erleichterung der Nachnamensänderung ohne Eheschließung.