Das Wahlergebnis: Licht und Schatten [Gesundheits-Check]
Auf einen Blick Deutschland hat gewählt, fast so, wie die festgenagelten Meinungsumfragen es vorhergesehen haben. Vom guten Ergebnis der Linken abgesehen. Die Union ist mit mäßigen Prozentzahlen stärkste Kraft, die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis ever eingefahren, wird aber die Union nicht im Regen stehen lassen und Koalitionspartner werden, die Grünen müssen in die Opposition,…
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Auf einen Blick
Deutschland hat gewählt, fast so, wie die festgenagelten Meinungsumfragen es vorhergesehen haben. Vom guten Ergebnis der Linken abgesehen.
Die Union ist mit mäßigen Prozentzahlen stärkste Kraft, die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis ever eingefahren, wird aber die Union nicht im Regen stehen lassen und Koalitionspartner werden, die Grünen müssen in die Opposition, die Linken dürfen in die Opposition, das BSW nicht und die FDP, die wieder mitregieren wollte, damit Merz keine sozialistische Politik macht, darf weder regieren noch opponieren. Und über Aiwanger weiß man nichts, er ist irgendwo im Sumpf der „Sonstigen“ versunken, auch sein Bruder konnte ihn diesmal nicht retten. 80 % der Wähler sind noch gegen die AfD, hoffentlich werden es wieder mehr.
Licht und Schatten
Dass Weidel mit ihrem kommunistischen Großvater und der Protektion der antikommunistischen, aber prorussischen Vances und Musks nicht besser abschnitt, ist gut. Dass das bipolarpopulistische BSW nicht reinkam, ist auch gut, den Job kann Weidel mitmachen. Sehr gut, dass die FDP mit Kettensägen-Christian raus ist. Lindner hat sich selbst abgesägt, ihm bleibt nur noch die Selbstdisruptivität, mit einer letzten Lüge auf den Lippen:
„Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus. Mit nur einem Gefühl: Dankbarkeit für fast 25 intensive, herausfordernde Jahre voller Gestaltung und Debatte.“
Wer Lindner gestern in der Berliner Runde gesehen hat, weiß, dass ihn ganz andere Gefühle bewegt haben, sein Gesicht sprach die Wahrheit. Er wird weich fallen, um seine Anschlussverwendung muss man sich nicht sorgen.
Mit den Grünen in der Opposition werden wir außenpolitisch nie mehr modisch so ansprechend wie mit Frau Baerbock vertreten, hoffentlich bleibt uns auch die moralische Leichtfertigkeit erspart, die sie immer wieder zelebriert hat. Mögen sich die Grünen in der Opposition regenerieren und bewähren. Es ist gut, wenn da nicht nur die Wahlkreiskandidatin aus Überlingen ihr Unwesen treibt, die nicht einmal weiß, wie viele Menschen sie da vertreten wollte („ja, schon viele“), dort kein Wahlkreisbüro hat und auch kaum je dort zu sehen ist. Aber gut, man weiß auch so, wie sie aussieht und was sie will. 20,4 % Erststimmen und 18,9 % Zweitstimmen hat sie in ihrem Wahlkreis geholt, von wem auch immer. Es ist keine arme Region, halb so viele Bürgergeldempfänger wie im Bundesdurchschnitt, deutlich höheres Nettoeinkommen, aber höherer Ausländeranteil. Vielleicht wegen der Gastronomie und – im östlichen Wahlkreis – der Industrie. Weidel muss man nicht fragen.
Die AfD hat im Osten fast alle Direktmandate gewonnen, die Skandalnudel Maximilian Krah triumphiert sogar mit 44,2 % im Wahlkreis 162 (Chemnitzer Umland-Erzgebirgskreis I). Wie viele Menschen dort leben, weiß ich auch nicht. Vielleicht besonders viele, deren Väter und Großväter „Helden“ im Kampf gegen Putins Großeltern waren. Nicht gut.
Die Linke im Bundestag, entlastet von Wagenknecht & Co., darf utopische Forderungen einbringen. Hoffentlich schreit Heidi Reichinnek nicht wie vor kurzem im Bundestag vier Jahre lang wie am Spieß, aber utopische Forderungen werden in der nächsten Legislatur wohl das Fortschrittlichste in der Sozialpolitik sein. Denn mit Merz als Kanzler wird es keine Disruption in der Wohnungspolitik oder in der Pflege zugunsten der nicht so Begüterten geben. Die dürfen vermutlich den Gürtel noch etwas enger schnallen, mit ein paar Trostpflästerchen der SPD.
Zur SPD fällt mir nicht mehr ein.
Wo geht die Reise hin?
Merz, der kommende Kanzler, hat schweres Gepäck. Einen Satz hat man gestern immer wieder gehört, nicht nur von seinem Schattenmann:
„Es wird nicht ganz einfach werden.“
Merz wird zeigen müssen, dass er eine Antwort auf Trumputin hat, auf die Wirtschaftsflaute, die von allen Sprüchen unbeeindruckt fortschreitende Klimakrise, die marode Infrastruktur, und nicht zuletzt wird er daran gehen müssen, die AfD wie versprochen wieder zu halbieren. Vielleicht ist das seit seinem Halbierungsversprechen sogar leichter geworden, weil die AfD derzeit noch im Ampeldauerstreit-Hoch ist. Das ist vorbei, der AfD droht die Regression zur Mitte.
Hoffnung werden die Unternehmen schöpfen. Warum, wissen sie womöglich selbst noch nicht. Die Reichen dürfen auch hoffen, sie wissen, warum. Höhere Steuern müssen sie nicht befürchten, seit umschlungen ihr Milliarden. Wenn unter dem Label „Bürokratieabbau“ dazu der Sozialstaat rückgebaut wird, dürften die sozialen Bruchlinien im Land noch virulenter werden. Und politisch auch handlungsrelevanter, sobald das Migrationsthema durch die vereinten Kräfte von Union und SPD mit unerbetener Unterstützung durch die AfD an Aufmerksamkeit verliert. Egal, wie man zu dem Thema steht, wenn es weiterhin die politische Debatte derart dominiert, verstellt es nicht nur die Sicht auf die sozialen Probleme, die man übrigens der AfD ebenfalls nicht überlassen sollte, dann ist zu befürchten, dass 2033 ein ungutes Jubiläum ansteht.