Das BIÖG – kein Nachruf [Gesundheits-Check]
In der Fachöffentlichkeit war man sich seit langem einig, dass Public Health in Deutschland ein unsortierter Bauchladen ohne Strategie und Power ist und von den Wissenschaftsakademien über die Deutsche Gesellschaft für Public Health bis zum Zukunftsforum Public Health gab es wiederholt Erinnerungen an dieses Defizit und immer wieder auch Gestaltungsvorschläge dazu. Im Koalitionsvertrag der Ampel…
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In der Fachöffentlichkeit war man sich seit langem einig, dass Public Health in Deutschland ein unsortierter Bauchladen ohne Strategie und Power ist und von den Wissenschaftsakademien über die Deutsche Gesellschaft für Public Health bis zum Zukunftsforum Public Health gab es wiederholt Erinnerungen an dieses Defizit und immer wieder auch Gestaltungsvorschläge dazu.
Im Koalitionsvertrag der Ampel stand dann, angetrieben durch die Coronakrise, dieser Passus:
„Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geht in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit auf, in dem die Aktivitäten im Public-Health Bereich, die Vernetzung des ÖGD und die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt sind. Das RKI soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein.“
Absehbar kein einfaches Vorhaben, aber das hat Hoffnungen geweckt. Und Vorarbeiten seitens der Fachverbände gab es ja. Der weitere Verlauf ließ allerdings schnell ernsthafte Zweifel am Willen und an der Fähigkeit von Karl Lauterbach aufkommen, diesen Auftrag gemeinsam mit den Fachverbänden zu einem guten Ende zu bringen.
Die Zweifel waren nur zu berechtigt. Der Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit“ ist wie so manch anderes vielversprechendes Gesetzesvorhaben, z.B. das zur Stärkung der kommunalen Gesundheit, zunächst inhaltlich immer bescheidener geworden, u.a. mangels einer ressortübergreifenden Abstimmung, wie sie für das Thema Public Health unverzichtbar gewesen wäre, und schließlich am vorzeitigen Ampel-Aus in dieser Legislaturperiode endgültig gescheitert. Medien berichten, dass dafür 640.000 Euro externe Beratungsleistungen verausgabt wurden. Viele Mitarbeiter:innen in BZgA und RKI sind nach Jahren der Unsicherheit nervlich am Ende, der Personalrat des RKI öffentlich auf Konfrontationskurs zum BMG.
Lauterbach wäre nicht Lauterbach, würde er sich davon beeindrucken lassen. Er hat stattdessen vor einigen Tagen die Umbenennung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in „Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit“ per Erlass verkündet, kombiniert mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen BZgA und RKI. Auch die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses des Bundestags erfuhren von diesem Coup kurz vor der Wahl erst aus der Zeitung und der Personalrat des RKI beklagt ebenfalls erneut fehlende Einbindung.
Juristen waren skeptisch, ob eine Erlassregelung rechtlich trägt, schließlich können Bundesbehörden nach Art. 87 (3) Grundgesetz nur durch Gesetz errichtet werden. Die Aufgaben des Robert-Koch-Instituts, das eigentlich zwei Abteilungen (die für Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung und die für Künstliche Intelligenz) an das neue Bundesinstitut abgeben sollte, sind ebenfalls gesetzlich fixiert und selbst der Name „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ wird in einigen Gesetzen erwähnt, die zu ändern wären. Aber Karl Lauterbach wäre auch insofern nicht Karl Lauterbach, wüsste er es nicht besser:
„Ich bin lange genug im Geschäft, um zu wissen, was per Ministererlass möglich ist.”
Gesagt, getan. Der Erlass hinterlässt zunächst eine Baustelle für die nächste Bundesregierung. Das gilt nicht nur für nachholende Gesetzesarbeit, sondern auch inhaltlich. Wenn es für das BIÖG keine zusätzlichen Mittel gibt, bleibt im Wesentlichen die Umbenennung. Die FAZ zitiert Lauterbach dazu:
„‘Ich gehe fest davon aus, dass ich an den Koalitionsverhandlungen intensiv beteiligt sein werde‘, sagte Lauterbach. Die nötigen Mittel müssten dann beschlossen werden.“
Der Konjunktiv ist berechtigt. Die Entwicklung von BIÖG über BIPAM zurück zum BIÖG und dann zum Türschildwechsel ist auch hier im Blog immer wieder kommentiert worden. Man kann jetzt fragen, angesichts einer Welt mit insgesamt so trüben Aussichten, wo denn das Positive bleibt. Das könnte man darin sehen, dass mit dem Erlass vielleicht wirklich ein Auftrag für die kommenden Koalitionsverhandlungen zustande gekommen ist. Tino Sorge von der CDU hat signalisiert, dass man inhaltlich bei den Themen Public Health und Prävention durchaus Handlungsbedarf sieht, so dass Lauterbachs Schwarzbau einer künftigen Aufbauarbeit mit etwas Glück nicht im Wege steht. Auch wenn man die Hoffnungen angesichts eben jener trüben Gesamtaussichten und absehbar harten Gerangels um den Bundeshaushalt sicher nicht zu hoch stecken sollte und es eine „riskante Wette auf die Zukunft bleibt“, wie Matthias Gruhl im Observer schreibt. Diskussionsbedarf dazu gibt es auf alle Fälle, diese Geschichte ist noch nicht auserzählt.