Brisanter Fall: Nachfahre von NS-Opfer verklagt Sparkasse: Wo ist das Geld des Juden Simson Cohn?
Der Urenkel eines NS-Opfers will von der Sparkasse wissen, wo das Geld seines Urgroßvaters geblieben ist. Doch die Bank blockt. Das OLG Hamm hat nun entschieden.

Der Urenkel eines NS-Opfers will von der Sparkasse wissen, wo das Geld seines Urgroßvaters geblieben ist. Doch die Bank blockt. Das OLG Hamm hat nun entschieden.
Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem brisanten Fall entschieden: In den 1930er-Jahren hatten sich die Nazis ein Konto des jüdischen Metzgermeisters Simson Cohn angeeignet. Dessen Urenkel Marc Benseghir wollte nun wissen, was mit den umgerechnet etwa 400.000 Euro passiert ist. Die Sparkasse an Volme und Ruhr in Hagen, bei der das Konto lief, weigerte sich, Informationen herauszugeben.
Dies sei rechtens, urteilte das Oberlandesgericht Hamm am Mittwoch. Der Erbe der jüdischen Familie aus Hagen habe keinen Anspruch mehr auf das Konto, das seine Vorfahren während der NS-Diktatur besaßen. Alle Ansprüche seien seit den 1970er-Jahren verjährt.
Diese Frist sei vom Gesetzgeber schon so lang bemessen worden, dass Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine "faire Chance" gehabt hätten, ihre Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen, entschieden die Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat keine Revision zugelassen – dagegen ist aber eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich.
Kläger will in Berufung gehen
"Es ist ein Unding", sagte Kläger Marc Benseghir gegenüber dem stern. "Das Urteil mit Verjährung zu begründen, geht gar nicht in dem Fall. Wieso? Ich habe erst seit 2019 von dem Konto gewusst." Bis zu diesem Zeitpunkt hätten ihn die Banken hingehalten und belogen, so Benseghir.
"Meiner Meinung hat sich die Beweislast umgekehrt. Sie liegt nicht mehr bei mir, sie liegt bei der Bank." Er wolle nun in Berufung gehen. "Wir müssen jetzt einfach die weiteren Instanzen durchlaufen. Bis zum Bundesgerichtshof im Zweifelsfall."
Sparkasse an Volme und Ruhr begrüßt Urteil
Warum die Sparkasse an Volme und Ruhr Benseghir nicht einfach die Informationen gibt, bleibt weiter unklar. Dem stern sagte ein Sprecher der Bank: "Alle noch vorhandenen, das Konto 4409 betreffenden Unterlagen wurden bereits erstinstanzlich von der Sparkasse im Verfahren vor dem Landgericht Hagen vorgelegt."
Die Klägerseite hatte der Sparkasse an Volme und Ruhr mehrfach vorgeworfen, bezüglich der Existenz des Kontos falsche Tatsachen behauptet zu haben. Dazu sagte die Bank: "Die Sparkasse hat zu keinem Zeitpunkt falsche Tatsachen behauptet. Der Vortrag entsprach dem jeweils aktuellen Kenntnisstand."
Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm begrüße man: Die Richter des OLG Hamm hätten in ihrer vorläufigen Bewertung und nun ein weiteres Mal die Rechtsauffassung der Bank und die des Landgerichts Hagen bestätigt.
"Der Fall muss aufgeklärt werden"
"Die Forderung, die Akten über jüdische Konten aus der NS-Zeit offenzulegen, halten wir für absolut richtig. Der Fall muss aufgeklärt werden", sagt dagegen Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe. Hamm gehört zu seinem Zuständigkeitsbereich.
"Befremdlich ist, dass die Sparkasse Hagen die historische Dimension ihrer schuldhaften Verstrickung in das Naziregime nicht berücksichtigt", sagt Rappoport dem stern. Die Nachfahren der Opfer seien formaljuristisch abgewimmelt worden. Es sei zu hoffen, dass ein Berufungsgericht der historischen Verantwortung gerecht wird.
"Den Klägern muss insofern Gerechtigkeit widerfahren, dass sie wenigstens die Möglichkeit erhalten, den Sachverhalt aufzuklären", fordert Rappoport. "Dies dürfte auch im Interesse der Allgemeinheit sein."