Aktien fürs Leben: Nach dem Zollschock: Wie Aktien jetzt bewertet werden können

Donald Trumps Zölle machen Investoren und Analysten das Leben schwer. Ob Unternehmen nur im Inland oder international gut aufgestellt sind, macht jetzt einen großen Unterschied. So geht die Analyse

Apr 8, 2025 - 15:57
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Aktien fürs Leben: Nach dem Zollschock: Wie Aktien jetzt bewertet werden können

Donald Trumps Zölle machen Investoren und Analysten das Leben schwer. Ob Unternehmen nur im Inland oder international gut aufgestellt sind, macht jetzt einen großen Unterschied. So geht die Analyse

Podcast-Einbettung

War ein Unternehmen auf dem Heimatmarkt aktiv, galt das unter Investoren bislang als Risiko. So hing das Geschäftsmodell am Wirtschaftstropf Zuhause. Doch der US-Präsident Donald Trump hat die Welt mit seinen Zöllen auf den Kopf gestellt, auch bei der Bewertung von Aktien. Eine geringe Abhängigkeit gerade von den USA gilt nun als Vorteil – und große Konzerne mit einem globalen Liefernetz könnten Probleme bekommen.

Worauf Anleger künftig achten sollen, darüber geben einige Beispiele aus dem aktuellen Podcast "Aktien fürs Leben" Aufschluss.

Der Boeing-Dreamliner

Die Einzelteile des beliebten Passagierflugzeugs Boeing 787 Dreamliner stammen aus der ganzen Welt: Türen aus Frankreich und Schweden, Stabilisatoren aus Italien, Lithium-Ionen-Batterien aus Japan und Motoren aus Großbritannien. Insgesamt 2000 Komponenten von 700 Lieferanten weltweit sind im Bestseller-Flugzeug von Boeing verbaut. Und weil sie alle sicherheitszertifiziert sein müssen und auch patentgeschützt sind, können sie nicht – und schon gar nicht schnell – durch US-Produkte ersetzt werden. 

Also muss Boeing weiterhin exportieren und darauf kommen jetzt hohe Zölle. Experten schätzen die Mehrkosten für das Unternehmen auf 40 bis 50 Mio. US-Dollar. Für Boeing ist das jetzt ein Wettbewerbsnachteil gegenüber dem europäischen Rivalen Airbus, der mit dem A350 den direkten Konkurrenten produziert. Das zeigt sich in den Aktienkursen: Die Boeing-Aktie sank von 170 Dollar auf 136 Dollar um etwa 20 Prozent, Airbus dagegen nur um 10 Prozent. 

Nike wird ausgebremst

Nike hatte schon vor den neuen Zöllen massive Probleme – trotzdem galt die Marke als stabil, gerade wegen der starken Verankerung im Heimatmarkt USA. Allerdings produziert Nike nur rund fünf Prozent seiner Waren dort, während ein Großteil importiert wird. Herkunftsländer für die Produkte sind vor allem Staaten mit niedrigen Löhnen und Arbeitsstandards – auf die besonders hohe Zölle zukommen. Einfuhren aus Vietnam sollen mit Zöllen von 46 Prozent belegt werden, für Bangladesch gelten 37 Prozent und für Kambodscha sogar 49 Prozent.

Für Nike ist das ein Umsatzkiller, denn knapp die Hälfte des Umsatzes, knapp 22 Mrd. Dollar, macht das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Oregon in den USA. Rund 7,5 Mrd. Dollar steuern die Erlöse in China bei, wo nun vermutlich Vergeltungszölle fällig werden. Die Aktie sank innerhalb einer Woche um 9 Prozent.

Falls Nike sich zu lokalen Preisaufschlägen entschließt, könnten die europäischen Verbraucher profitieren. Die Sportschuhe würden hier im Vergleich zu den USA wesentlich günstiger zu haben. Und das käme auch der deutschen Nationalmannschaft zu Gute, deren Ausstatter Nike ab 2027 werden soll.   

Sprengstoff in Apples Geschäftsmodell

Allein in der vergangenen Woche verlor die Apple-Aktie 15 Prozent, 800 Mrd. Euro Börsenwert wurden seit Jahresanfang vernichtet. Die Einfuhrzölle auf Waren aus China, Vietnam und Indien treffen den Techkonzern hart. Rund 85 Prozent der iPhones werden einer Analyse der US-Investmentbank Jefferies  in China, die übrigen 15 Prozent in Indien hergestellt. Ein Drittel seiner iPhones verkauft Apple in den USA. Das erschüttert das Geschäftsmodell des größten Aktienwerts im Us-Leitindex S&P 500. 

Jefferies-Analyst Barton Crockett glaubt sogar, Trumps Zölle könnten "Apple in die Luft jagen." Laut eigenen Schätzungen kämen auf Apple durch die Zollkosten in Höhe von 39,5 Milliarden US-Dollar zu. "Wir gehen davon aus, dass fast 100 Prozent der in den USA verkauften iPhones, 90 Prozent der Macs, 80 Prozent der iPads, 90 Prozent der Apple Watches und 35 Prozent der Airpods in China hergestellt werden. Der Großteil der übrigen Produkte wird in Vietnam hergestellt", sagte Crockett.

Für Apple bedeutet das entweder Mehrkosten oder den Verzicht auf Gewinne. Natürlich könnte Apple auch die Produkte teurer machen. Doch wenn die Kosten auf IPhone, Macbook und Co. umgelegt würden, würden die Preise um 40 Prozent steigen.

Eine schnelle Verlagerung der Lieferkette in die USA ist für Apple nicht möglich. Dan Ives, Analyst der Vermögensverwaltung Wedbush Securities, glaubt, dass es Jahre dauern würde, bis auch nur zehn Prozent der Lieferkette von Asien in die USA verlagert wäre. Und auch das würde die Preise erhöhen, iPhones würden dann statt wie bislang 1.000 US-Dollar eher 3.500 US-Dollar kosten.

Bei Konkurrent Microsoft sieht es besser aus. Weil dort der Fokus auf Software liegt, kommt der Konzern wahrscheinlich um die meisten Zölle herum. Das zeigt sich im Aktienkurs, der in der vergangenen Woche lediglich 2,8 Prozent verlor. Sollte die EU bei ihren Gegenmaßnahmen auch die Digitalkonzerne ins Visier nehmen – zum Beispiel durch eine spezielle Gewinnsteuer auf die Umsätze der Konzerne – könnte das auch für Microsoft Gegenwind bedeuten.

Zölle treffen auch Champagner und Handtaschen

Die Aktie des französischen Luxuskonglomerats LVMH schwankte in den vergangenen Wochen deutlich. Kostete die Aktie Ende Januar noch mehr als 750 Euro, waren es vergangene Woche nur noch 530 Euro – ein Minus von fast 30 Prozent. Die Zölle treffen das Unternehmen an vielen Stellen.

LVMH produziert viel in Frankreich und Europa, gleichzeitig kommt rund ein Viertel des 85-Mrd.-Umsatzes aus den USA. Auch hier bedeuten die Einfuhrzölle Kosten, die das Unternehmen entweder selbst tragen oder auf die Verbraucher umlegen muss. Darunter würde die Nachfrage leiden: Stürzt die USA in eine Rezession und trüben sich auch die Wirtschaftsaussichten in Europa und China ein, geben die Menschen erfahrungsgemäß weniger für Luxusprodukte wie Champagner und Handtaschen aus. Oben drauf kommen auch hier mögliche Vergeltungszölle – gut möglich, dass für global aufgestellte Unternehmen wie LVMH die Gegenreaktion der EU ebenfalls über die weiteren Geschäftsaussichten entscheidet.

Resilienz als Faktor

Welche Aktien werden sich als in einer Welt ohne Freihandel, dafür mit hohen Import- und Gegenzöllen behaupten? Ein möglicher Anhaltspunkt: Unternehmen mit einem starken Umsatz im Inland und relativ klaren und abgesicherten Liefer- und Produktionsketten. Je komplexer die Produkte und die Geschäftsmodelle, desto anfälliger sind die Unternehmen für Zölle und Handelsbarrieren. Eine zweite Möglichkeit sind Aktien, die von einer europäischen Renaissance profitieren könnten – zum Beispiel das Baustoffunternehmen Heidelberg Materials oder Banken und Versicherungen.