Wie Antony zurück zur Topform fand: Die Sonne und das Glück
In England verhöhnt, in Spanien gefeiert – Antony blüht bei Betis auf. Aber warum?

Betis Sevilla steht unter Druck. Der Favorit im Achtelfinale der Conference League gegen Vitoria Guimarães braucht einen Sieg. Das weiß auch Antony. Der Neuzugang hat fantastische Wochen erlebt seit seiner Ankunft in Sevilla. Heute kommt es auf ihn an.
Schon nach fünf Minuten steckt Antony mit einer kleinen Berührung den Ball aus der eigenen Hälfte auf den gerade startenden Cedric Bakambu durch. Einen Wimpernschlag später steht es 1:0 für Betis. Druck? Was soll das sein? Eine Viertelstunde später leitet der Brasilianer einen langen Ball weiter auf Aitor Ruibal. Dessen Flanke verwertet Bakambu zum 2:0. Den dritten Treffer erzielt Antony nach einem Konter samt 30-Meter-Solo selbst. Die erste Halbzeit ist noch gar nicht vorbei, da ist alles entschieden. Kurz vor Ende des Spiels, der Auftritt ist zur Showeinlage verkommen, lässt Antony seinen Gegenspieler noch einmal gekonnt stehen und legt den Ball quer für Isco, der aufs leere Tor einschießen kann. 4:0 dank eines Mannes, dem sie in England wohl nicht einmal mehr zugetraut hätten, die Getränkeflaschen zu tragen.
Bei United ist Antony nie richtig angekommen und wurde von Medien und Fans verspottet. Seit seinem Abgang gen Spanien spielt er besser denn je. Nicht nur in Manchester fragen sie sich, woher die plötzliche Leistungssteigerung kommt.
Vielleicht ist es so simpel: Antony fühlt sich wohl, er hat wieder Freude am Fußball.
„Ich habe jeden Tag Spaß, die Dinge laufen besser, wenn man glücklich ist“, sagt er gegenüber dem saudi-arabischen Newsportal Koora. Auch die Stadt spiele eine Rolle: „Sie ist besser als Manchester.“ Im spanischen Fernsehen sagte er: „Die Sonne hilft.“
Antony entgeht in Spanien nicht nur dem Regen von Manchester, sondern auch dem Druck. United hatte ihn 2022 auf intensives Drängen des Trainer Eric ten Hag geholt. 95 Millionen kostete er, weit über seinem damaligen Marktwert, der etwa 30 Millionen betragen haben soll. Die ohnehin hohe Erwartungshaltung der United-Fans gegenüber dem Brasilianer war entsprechend hoch.
United? Größer kann der Druck kaum sein
„Wenn du in die Premier League wechselst, speziell zu Manchester United für 80, 90 Millionen, dann ist viel Scheinwerferlicht auf dich gerichtet“, hat Ex-United-Spieler Marcel Sabitzer gegenüber Sky vor zwei Jahren gesagt. Es ging dabei um Jadon Sancho, der in Manchester ähnlich schwere Zeiten erlebt hatte wie Antony. Matthijs de Ligt, der immerhin für Ajax Amsterdam, Juventus Turin und Bayern München gespielt hat, sagte im Gespräch mit Focus Football sogar: „Der Druck bei Manchester United ist der größte, den ich je erfahren habe."
Eine Spielsituation, die seine Zeit bei United ganz gut zusammenfasst, stammt aus dem Oktober 2022: Im Europa-League-Spiel gegen Sheriff Tiraspol wollte Antony zeigen, was er kann. Ohne Gegnerdruck führte er den Ball mit der Fußinnenseite im Kreis um sich herum. Einmal. Noch einmal. Dann ein Fehlpass. Paul Scholes schimpfte: „Ich sehe gerne Können und Unterhaltung, aber jetzt benimmt er sich nur wie ein Clown.“ Trainer ten Hag nahm ihn zur Halbzeit vom Feld. Stets versucht zu zeigen, wie großartig er doch ist, bot Antony zu selten einen tatsächlichen Mehrwert für das Spiel der Red Devils.
Immerhin: In den vergangenen Jahren bewiesen die Fans von ManUnited, ohnehin nicht arm an Misserfolgen, Galgenhumor. Sie verhöhnten ihren Spieler für seine übertriebene Körpersprache. Ein Tor gegen Crystal Palace hatte Antony erst mit einem Knierutscher bejubelt, dann den Ball unter sein Trikot gesteckt und sich zuletzt ein Plüschtier von den Fans reichen lassen. Als United den Zweitligisten Coventry City im FA-Cup erst im Elfmeterschießen bezwang, provozierte er den Gegner, indem er die Hände hinter den Ohren haltend auf die Coventry-Spieler zulief, statt mit seinem eigenen Team zu feiern. Ex-Premier-League-Spieler Gabriel Agbonlahor nannte ihn in den sozialen Medien daraufhin den „schamlosesten Flop, den unsere schöne Liga je gesehen hat“.
Und im September 2023 setzte Antony mehrere Wochen aus, um sich mit Gewaltvorwürfen seiner Ex-Partnerin Gabriela Cavallin und zwei weiteren Frauen aus seiner Heimat Brasilien auseinanderzusetzen. Es wurde gegen ihn ermittelt, zu einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft kam es allerdings nicht.
In der laufenden Saison setzten weder ten Hag noch der neue Trainer Rúben Amorim auf den Brasilianer. Er stand in der Premier League kein einziges Mal in der Startelf. Im Januar 2025 ging es per Leihe zu Betis Sevilla.
Mal wieder viral
Spanische Medien waren aufgrund seiner Leistungen in England skeptisch, ob der Neuzugang tatsächlich weiterhelfen könne. So schrieb El País, Antony habe zwar große Qualitäten, aber auch zwei schlechte Jahre hinter sich. Und der Start war alles andere als optimal, es schien, als würden sich die missglückten Showelemente im Leben von Antony fortsetzen. Durch das wohl müheloseste Verkündigungsvideo eines Profivereins ging Antony mal wieder viral.
Glücklicherweise für ihn wurde es schnell besser. Bei Betis fand der Olympiasieger von 2021 nicht nur zurück in die Spur, er ist derzeit in der Form seines Lebens. Nach elf Spielen für die Andalusier steht Antony derzeit bei jeweils vier Toren und Vorlagen. Er gehört er zu den besten Spielern Spaniens in den Bereichen Chancenverwertung, Vorlagen und Pässen, die zu Torchancen führten.
Der Faktor Pellegrini
Sein Spiel ist effizienter geworden. Dribblings oder Tricks, die zwar schön für die Galerie sind, aber seinem Team nicht helfen, lässt er beiseite. Genau das hatte sein Trainer, Manuel Pellegrini, von ihm gefordert. Pellegrini war auch ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, nach Sevilla zu gehen. „Seine Art und Weise, Fußball spielen zu lassen, kommt ihm sehr entgegen" sagt Júnior Pedroso, Antonys Berater gegenüber Marca über den Trainer.
In den Pressing-intensiven Systemen von ten Hag und Amorim reichte es nur bei Defensivstatistiken zu Top-Werten für Antony, der mehr Zweikämpfe, abgefangene Bälle und Blocks verzeichnen konnte als die meisten Flügelstürmer in Europa.
Für Betis läuft es seit der Ankunft des Brasilianers wieder. Vor dem Transfer verloren los Verdiblancos noch drei Spiele in Serie. Mit Antony hat Betis nur ein Spiel in der Liga verloren, kam in der Conference League zwei Runden weiter und gilt als eines der formstärksten Teams in Spanien. „Antony lässt Betis von Großem träumen", titelte die Marca jüngst und meint damit die erneute Qualifikation fürs europäische Geschäft und den Gewinn der Conference League. Beides ist für den Verein mittlerweile realistisch, nicht zuletzt dank ihres Winterneuzugangs.